Ich befand mich weiterhin auf den Spuren der ersten Siedler und folgte einem Zeichen, das ich gesehen hatte.
Das Knistern des Lagerfeuers war wie ein meditatives Lied. Funken stieben in den Himmel und gesellten sich zu den Sternen, die bereits in der einsetzenden Dämmerung zu sehen waren. Tief atmete ich den Geruch nach verbranntem Holz ein. Mehrere Bewohner von Zephyr saßen mit mir um das wärmende Feuer. Zephyr war der Ort, an dem ich den ersten Hinweis auf die verfallenen Siedlungen bekommen hatte.
Am Lagerfeuer erzählte ich, dass ich in einigen der alten Siedlungen war und mehr über die ersten Siedler von Stanton erfahren wollte.
“Vor allem interessiert mich, was mit den Siedlern passiert ist. Wo sind sie hin?”, schloss ich meine Erzählung ab.
Alle, die um das Feuer saßen, stützten die Ellbogen auf die Oberschenkel, schauten vor sich auf den Boden oder in das Lagerfeuer. Niemand sprach. Meine Worte verglühten wirkungslos in den Flammen. Nach einer gefühlten Ewigkeit richtete sich einer in einem zerschlissenen Pullover mit nur einem Ärmel auf, kratzte sich am Bauch und sprach mit ruhiger Stimme.
“Kannst du dir vorstellen, dass es Menschen gibt, die in Freiheit und außerhalb der Kontrolle des UEE leben wollen.”
“Und wie ich mir das vorstellen kann”, antwortete ich. “Ich selber komme aus so einer Gemeinschaft.”
“Und stell dir vor”, fuhr er fort. “Diese Menschen sind im Weg, weil das UEE etwas mit ihrem Gebiet vor hat. Und dann schickt das UEE einfach das Militär gegen diese Zivilisten.”
“Auch das kann ich mir sehr gut vorstellen. Ich bin von Ashana. Wir leben in den Überresten eines Bengal Carriers, der gegen mein Volk geschickt wurde.”
“Dann brauche ich Dir ja nicht zu sagen, dass das UEE eine Dystopie ist, gegen die man sich wehren muss.”
“Fight back”, rief ein anderer, der auch am Feuer saß.
Aufmerksam schaute ich auf. ‘Fight back’ hatte ich erst kürzlich gelesen. Bei einem vorgelagerten Außenposten an die Wand geschmiert.
“Wart ihr schon mal bei einem der vorgelagerten Außenposten?”, fragte ich interessiert.
“Das reicht erstmal”, ergriff der Einärmlige wieder das Wort. “Wir kennen Dich nicht. Beweise erst, dass Du wirklich zu uns gehörst, dass wir Dir trauen können.”
“Hab ich irgendwo ein UEE Tatoo?”, erwiderte ich empört.
“Es gibt zu viele falsche Schlangen. Meister der Täuschung, die uns untergraben wollen. Wir werden Dich beobachten und dann entscheiden, wie viel wir Dir erzählen. Und gleich heute kannst Du den ersten Schritt zur Vertrauenswürdigkeit gehen.”
Er winkte einen großen kahlköpfigen Typen herbei, der vor einer der notdürftig zusammengebauten Blechhütten stand. Der Kahlköpfige verschwand in der Hütte und kam mit zwei Paketen wieder, die er neben mich stellte.
“Bringe das unauffällig zum Schrottplatz ‘Reclamation & Disposal Orinth’”, forderte der Einärmlige.
“Das ist Maze”, sagte ich überrascht.
“Hast Du damit ein Problem?”
“Nein”, antwortete ich sofort. “Ich hatte nur nicht gedacht, dass ihr mit Drogen handelt.”
“Der Kampf für die Freiheit kostet. Irgendwie müssen wir zu Geld kommen.”
Noch am selben Abend verließ ich Zephyr mit den beiden Paketen. Allerdings flog ich nicht direkt zum Schrottplatz. Auf dem Weg wollte ich bei den anderen Schrott-Siedlungen vorbeischauen. Ich hatte so ein Gefühl.
Da ich immer noch nicht wusste, was ich mit den Informationen über die ersten Siedler von Stanton anfangen sollte und weder Brubacker noch Alaska erreichbar waren, beschloss ich, mehr über das Zeichen mit den drei Kreisen herauszufinden, das ich in den verfallenen Siedlungen gesehen hatte. Ich wusste, ich hatte es vorher schon irgendwo gesehen, ich wusste nur nicht mehr wo.
Als erstes flog ich nach Weeping Cove. Nach dem Zwischenfall mit Brubacker, Hermieoth und Husky in der Bar von Weeping Cove hatte ich keine Hoffnung, dass mir irgendjemand etwas erzählen würde. Aber ich wollte auch keine Fragen stellen, sondern nur etwas nachschauen. Erst landete ich unten in der Bucht, direkt bei der Bar und wurde fündig. Dann flog ich einen Kilometer weiter zur Farm. Und wieder fand ich, was ich suchte. Das Zeichen mit den drei Kreisen. Klar und deutlich auf eine Stahlplatte gemalt.
In der verfallenen Siedlung bei Lorville war das Zeichen verblasst. Der Zahn der Zeit hatte deutlich daran genagt. Doch hier war es frisch. Als wenn es noch nicht lange auf der Stahlplatte aufgemalt war. Auch unten bei der Bar war das Zeichen deutlich auf einer Stahlplatte zu sehen. Es musste einen Zusammenhang geben zwischen den verfallenen Siedlungen und den Schrott-Siedlungen. Zwischen den ersten Siedlern und den Menschen hier. In der Hoffnung, doch noch etwas zu erfahren, schaut ich nochmal bei der Bar vorbei.
Eine Gruppe von ungefähr 10 Personen stand vor der Bar. Mürrisch schauten sich mich an, als ich freundlich grüßend an ihnen vorbeilief und in die Bar ging. In der Bar nahm ich mir ein Bier aus dem Kübel mit Eiswürfeln und setzte mich an den Stehtisch. Niemand kam herein, auch nach fünf Minuten war ich immer noch alleine. Draußen vor der Tür war Gemurmel zu hören.
Langsam wurde ich nervös. Was trieben die Leute da draußen? Warum kam keiner rein? Hatten sie mich erkannt und wollten nichts mit mir zu tun haben? Oder ging etwas anderes vor? Szenarien kreisten durch meinen Kopf. Eine Horrorvorstellung nach der anderen ploppte in meinem Geist auf. Plötzlich war ich mir unsicher, ob ich die Heckrampe an meinem Raumschiff geschlossen hatte. Dann lief es mir heiß und kalt den Rücken herunter. Das Maze, es lag in meinem Frachtraum.
Wie von der Tarantel gestochen, sprang ich auf. Der Hocker fiel mit einem lauten Schlag nach hinten um, der Stehtisch wackelte und brachte die Bierflasche ins Wanken. Sie wippte einige Male hin und her und zerschellte dann laut krachend auf dem Boden. Eilig rannte ich aus der Bar und vorbei an der Gruppe Menschen, die mir irritiert nachschauten. Schwer atmend erreichte ich mein Raumschiff. Die Heckrampe war geschlossen. Auch das Maze fand ich unberührt im Frachtraum.
Als wenn ich nichts dazu gelernt hätte, flog ich nicht direkt zum Schrottplatz, sondern zur nächsten Schrott-Siedlung. In Cutter’s Rig, Picker’s Field und Rappel fand ich das Zeichen nicht. Vielleicht hatte ich auch nicht genau genug geschaut. Die Siedlungen waren groß, verwinkelt und bekannt für Schießereien und Piratenangriffe. Viel Zeit für eine gründliche Untersuchung wollte ich mir dort nicht lassen. Fündig wurde ich allerdings in Finns Foley und Markers Point. Das Zeichen hatte ich in der Hälfte der Schrott-Siedlungen auf dem Planeten Hurston gefunden.
Nachdenklich stand ich am Eingang von Markers Point. Stantons Stern schimmerte hinter den braunen Wolken und tauchte die Siedlung in ein warmes Licht. Die Tücher, die als Sonnenschutz in der Siedlung aufgespannt waren, flatterten im Wind. Das Windrad quietschte monoton vor sich hin. Der Eingang zur Siedlung war flankiert von zwei Masten, zwischen denen Stahlseile gespannt waren. An den Stahlseilen hingen Ringe. Ich sog die Szenerie auf wie der trockene Sand der Wüste das Wasser.
Ich war davon überzeugt, dass es eine Verbindung zwischen den verfallenen Siedlungen und den Schrott-Siedlungen gab. Ich glaubte nicht an eine Verbindung zwischen den Nine Tails, die die alten Siedlungen als Unterschlupf nutzten, und den Bewohnern der Schrott-Siedlungen. Die beiden Gruppen waren zu unterschiedlich. Es musste also eine Verbindung zwischen den ersten Siedlern und den Bewohnern der Schrott-Siedlungen geben. Aber welche?
Dann fiel mein Blick erneut auf die Ringe an den Stahlseilen über dem Eingang. Ringe waren Kreise. Ringe, drei Kreise. Alles drehte sich um ein rundes Zeichen. Aber welche Bedeutung hatte der Kreis, hatten die drei Kreise? Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Einen exakt gleich gestalteten Eingang, mit Ringen, die an Stahlseilen hingen, hatte ich schon mal gesehen. Ich musste nach Microtech, doch vorher hatte ich noch eine Ladung Maze abzuliefern.