Log #226 – Daten der Terrapin

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Um die Daten von Hermieoths Terrapin zu sichern, mussten wir durch die Hölle und die Apokalypse.


Ich war immer noch unsicher, wie ich mit den Informationen aus dem Brief von Alaska umgehen sollte. Brubacker war nicht erreichbar und sonst wusste ich niemanden, an den ich mich wenden könnte. Die Dimension des Skandals überforderte mich. Und dann bekam ich eine Nachricht von Hermieoth. Er brauchte meine Hilfe, zum Glück bei einer Sache, bei der ich mich kompetent fühlte. 

Die Terrapin von Hermieoth, war weg. Beschlagnahmt. Hermie hatte keine Chance, sie wieder zu bekommen. Er wusste nicht mal wo genau sein Raumschiff war. Er wusste nur, es musste irgendwo im Planetensystem Hurston sein. Dummerweise musste er die Daten, die in den Bordcomputern gespeichert waren, sichern und dann löschen. 

Ich sah nur eine Möglichkeit, ihm zu helfen. Ein Kommunikationsnetz, das sich über Hurston und seine vier Monde erstreckte. Ein Netzwerk, das wir aufbauen und kontrollieren würden, um eine Verbindung zu den Terrapin-Computern herzustellen. Glücklicherweise hatte ich herausgefunden, dass es vorgeschobene Operationsbasen mit leistungsstarken Antennen und Kommunikationssystemen gab. Diese konnten wir nutzen. Theoretisch. Praktisch hieß das, wir mussten zu den Operationsbasen fliegen, dort unsere eigenen modifizierten  Computerplatinen in die Kommunikationssysteme einbauen und ein Subnetz aufbauen. Wir wussten aber nicht, was uns dort erwartet. Konnten wir einfach reinmarschieren oder waren die Basen bewacht? 

Als erstes flogen wir zum Mond Arial. Stantons Stern stand hoch am Himmel. Sein Licht war gleißend hell und trieb die Oberflächen Temperaturen in die Höhe. Die Luft flimmerte. Vorsichtig näherten wir uns durch die gelbe giftige Landschaft der Basis. Aus zwei riesigen grauen Abluft Konstruktionen stieg schwarzer Rauch auf. Dazwischen befanden sich Lagerregale, Container und einige Gebäude. Überragt wurde die Anlage durch die große Hauptantenne – unser Ziel. 

Hermieoth hatte seine Waffe gezogen. Bisher war alles ruhig verlaufen. Es gab keine Warnung bei unserem Anflug, kein Abwehrfeuer aus Geschütztürmen, aber wir hatten keine Ahnung, was uns in der Basis erwarten würde. Nur mit einem hatte ich gerechnet, mit der Hitze und hatte zum Glück den Hitzeschutzanzug an. Hermieoth trug nur eine leichte Rüstung und fing schon an, über die hohen Temperaturen zu klagen.

Als wir die rauchenden Schlote erreicht hatten, schauten wir vorsichtig um die Ecke. Es gab so eine Art Tor in den Lagerbereich, darauf war eine Plattform. In der flimmernden Luft konnte ich nur schwer erkennen, was darauf stand. Dann erkannte ich es und flüsterte zu Hemrieoth.

“Da ist ein Maschinengewehr. Es gibt also Verteidigungsanlagen.”

“Ich sehe es. Aber Wachen sehe ich keine”, antwortete er.

Langsam gingen wir weiter. Als wir den Lagerbereich betraten, sahen wir, dass die Container und Gebäude schon schwer unter den Witterungseinflüssen gelitten hatten. Alles sah alt, rostig und etwas heruntergekommen aus. In einem Container fanden wir Raketen, allerdings ohne Sprengkopf.

“Könnte sein, dass der Hauptteil der Anlage unter der Erde ist”, vermutete Hermieoth. “Vielleicht sind die alle unten.”

“Dann lass uns beeilen, bevor die uns bemerken und wie Spinnen aus ihren Löchern kriechen”, sagte ich mit mahnender Stimme.

Dann fielen mir die Graffiti auf der Abluftanlage auf.

“Schau mal. Da steht ‘fight back’. Und noch mehr Kritzeleien. Sieht so aus, als ob hier jemand war, der etwas gegen die Anlage und seine Besitzer hat. Vielleicht gab es hier Kämpfe.”

“Glaube ich nicht. Es sind nirgendwo Kampfspuren zu sehen”, meinte Hermieoth

Schließlich fand ich eine Stelle, an der ich meine modifizierte Platine einbauen konnte. So schnell wir gekommen waren, so schnell waren wir wieder weg. Unser nächstes Ziel war der Mond Aberdeen.

Wenn Arial die Gluthölle war, dann war Aberdeen die Apokalypse. Die dichte Atmosphäre sorgte schon am Tag für schlechte Sicht. Aber nachts war es mehr als unheimlich. In der dunklen braunen Atmosphäre war alles nur schemenhaft zu erkennen. Und zu allem Übel lagen die Temperaturen bei über 200 Grad Celsius. Diese Basis war ähnlich wie die auf Arial. Allerdings gab es statt rauchende Schlote kugelrunde Gastanks. Als wir unser Raumschiff verließen, zog Hermieoth wieder seine Waffe. Leichtsinnig, wie ich war, ging ich davon aus, dass es auch hier keine Wachen gab.

Trotz der schlechten Sicht war die Kommunikationsantenne gut zu sehen. Allerdings brauchte ich eine ganze Weile, bis ich eine Stelle fand, an der ich meine Platine einbauen konnte. Plötzlich meldete sich Hermieoth über Funk. Seine Stimme klang nicht gut.

“Zero. Ich muss zurück ins Schiff. Die Hitze macht mich fertig. Das ist zu viel.”

Ich schaute auf die Temperaturanzeige. 224 Grad Celsius. Ohne Hitzeschutzanzug hätte ich jetzt auch Probleme. Allerdings war dieses Ding verdammt schwer und mit den dicken Handschuhen war es nicht einfach die Platine einzubauen. 

Als ich endlich fertig war, kroch etwas Licht über den Horizont. In der Ferne waren die knochigen Überreste toter Bäume zu sehen. Wie Skelette standen sie da, stumme Zeugen aus einer Zeit, als der Mond noch ein intaktes Ökosystem hatte. Aus einer Zeit, bevor Hurston Dynamics den Mond als Testgelände für seine Antimateriewaffen nutzte.

Wir machten uns auf den Weg zu unserem nächsten Ziel auf dem Mond Magda. Wieder eine ähnliche Anlage, aber mit trapezartigen Silos. Diesmal gingen wir fest davon aus, dass es keine Wachen gab und landeten auf dem Landepad. Ohne weitere Sicherheitsvorkehrungen stiegen wir aus und liefen zur Kommunikationsantenne. Als ich an einem offenen Container vorbeilief, blieb ich abrupt stehen.

“Das gibt’s doch nicht.”, sagte ich überrascht. “Da stehen Paletten mit Drogen. Das ist E’tam. Ich werd verrückt.”

“Hier steht noch mehr”, hörte ich Hermieoth ein paar Meter entfernt. “Vielleicht bauen die das hier an.”

“Hurston Dynamics baut in einer vorgeschobenen Operationsbasis E’tam an? Warum sollten die das tun?”, fragte ich zweifelnd. 

Doch dann fiel mir wieder ein, welchen Effekt E’tam auf Menschen hatte. Zu den Nebenwirkungen gehören Hyper Wahrnehmung, kognitive Verbesserung und Hyperfokus, was es bei Studenten und Arbeitnehmern beliebt gemacht hat. Es ergab Sinn. Hurston Dynamics konnte so die Leistungsfähigkeit seiner Arbeiter steigern und sie noch mehr ausbeuten. Aber warum war der Handel dann offiziell illegal? Auch die Antwort lag auf der Hand. Profit. Wenn Hurston Dynamics selber E’tam anbaute, dann verkauften sie es bestimmt an die Arbeiter und verdienten damit Geld. Es war zum Kotzen mit diesem Megakonzern.

Nachdem die Platine eingebaut war, bauten wir noch eine auf der Basis auf dem Mond Ita ein und flogen als letzten zur vorgeschobenen Operationsbasis ‘Rico’s Remains’ auf dem Planeten Hurston. Auch diese war ähnlich aufgebaut wie die anderen und hatte Silos. ‘Rico’s Remains’ lag in der Savanne von Hurston. Brauner Sandboden, grünes Gras und Bäume prägten das Bild. Es wäre fast schön, wenn es nicht Hurston und der Himmel mit dreckig braunen Wolken bedeckt gewesen wäre. 

Als wir durch das teils schulterhohe Gras liefen, meinte Hermieoth.

“Hier war auch schon lange keiner mehr und hat das Gras gemäht.”

“Du hast recht”, ergänzte ich. “Die ganzen Operationsbasen kommen mir eh alle ziemlich verlassen vor. Ob die schon lange aufgegeben wurden? Selbst auf dem Landepad wächst Gras.”

“Ich schau mich mal um”, antwortete Hermieoth.

Während ich die Platine einbaute, hörte ich ihn über Funk.

“Also die Türen sind alle verschlossen. Und nicht nur das. Die Terminals an den Türen sind offline.”

“Mh”, überlegte ich kurz. “Wenn hier alles offline ist, hoffentlich funktioniert dann unser Plan. Wenn die Kommunikationsanlage auch offline ist, war alles umsonst.”

“Also Strom hat es. Die Lichter brennen”, entgegnete Hermieoth.

“Wir werden sehen”, sagte ich zweifelnd. “Los zurück nach Everus Harbor. An Bord der White Rabbit kann ich mich in das Subnetz einloggen und wenn alles klappt, eine Verbindung zu Deiner Terrapin herstellen. Wenn alles klappt.”

Wenige Minuten später waren wir an Bord meiner Star Runner im Scannerraum. Ich richtete die Datenschüssel aus und suchte die Frequenz unseres installierten Subnetzes. Alles, was ich empfangen konnte, war Rauschen. Dann gab es eine Spitze im Signal. Gerade als ich mich einloggen wollte, war es wieder weg. Vom Scanning-Stuhl aus konnte ich den Peak nicht wiederfinden. Ich schob das Bedienfeld nach oben und stand auf. Vor mich hin murmelnd ging ich zu einem der Computerterminals an der Wand. In der Kommunikationssoftware änderte ich einige Parameter. Hermieoth stand die ganze Zeit daneben und sah geduldig zu. 

“Da ist es”, rief ich erfreut auf. “Wie ist die Registriernummer von Deiner Terrapin?”

“Moment, ich schicke sie Dir”, antwortete Hermieoth.

“Hab’s. Bin drin. OK Hermie. Setz Dich auf den Stuhl und logge Dich in Deinen Computer ein.”

Hermieoth zwängte sich mit seiner Rüstung auf den Scanning-Stuhl, dann sagte er.

“Du musst mir helfen beim einbrechen.”

“Nicht nötig, bin schon drin in Deinem Schiff”, antwortete ich. “Ist so, als ob Du an Bord Deiner Terrapin vor dem Computer sitzt. Einfach anmelden und los legen.”

“Tatsächlich, klappt. Download der Daten läuft. 20% … 40% … 60% … 80% … Fertig. Hab alles. So, jetzt noch löschen.”

Erleichtert stand Hermieoth auf, öffnete sein Mobiglas und überprüfte nochmal alles.

“Hat geklappt und die Daten sind bei Deinem Freund von Crusader Industries gespeichert. Da müssten sie sicher sein. Danke Dir Zero. Ich überweise Dir noch etwas Geld.”

“Gerne geschehen. Geld ist nicht nötig. Du weißt ja. Eine Hand wäscht die andere. Die Gelegenheit, dich zu revanchieren, wird kommen.”