Log #224 – Das alte Lorville

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Ich fand eine verfallene Siedlung bei Lorville. Unter gefährlichen Umständen versuchte ich, die Geheimnisse der alten Mauern zu lüften.


Stantons Stern kroch langsam über den Horizont. Noch war er verdeckt von den dunkelbraunen Wolken des Planeten Hurston. Doch langsam verfärbte sich die Atmosphäre hellbraun. Meine White Rabbit flog einige hundert Meter über dem rotbraunen Boden. Rechts aus dem Cockpitfenster sah ich in einiger Entfernung die gelben Lichter der Hochhäuser von Lorville. Gerade hatte ich eine alte verfallene Siedlung überflogen. Ich war überrascht, so nahe bei der Stadt eine zu finden. Sie bestand aus einem Landeplatz und vier Ansammlungen von Gebäuden, die ein ganzes Stück voneinander entfernt waren. An zwei Stellen brannte Licht. 

Plötzlich hallte ein schriller Warnton durch das Cockpit und ein rotes Licht flackerte auf. ‘Radar Lock’. Eine feindliche Cutlass Black hatte mich ins Visier genommen. Ich wurde tiefer in den Pilotensitz gepresst, als ich vollen Schub gab. Doch die Cutlass kam näher. Das konnte doch nicht wahr sein. Die White Rabbit war eine Mercury Star Runner. Eines der schnellsten Schiffe. Wieso war die Drake Cutlass Black noch schneller? 

Mir wurde kurz schwarz vor Augen, als ich das Steuer nach rechts riß und die White Rabbit in Richtung Stadt lenkte. Wenige Sekunden später verschmolz meine schwarzgold lackierte Star Runner mit den schwarzgoldenen Hochhäusern. Im Tiefflug donnerte ich durch die Stadt. Die Cutlass folgte mir immer noch. Doch dann verschwand ganz plötzlich der Radarkontakt.

Ich war gewarnt. Auch diese verfallene Siedlung schien nicht verlassen zu sein. Bei meinen Untersuchungen der verfallenen Siedlungen in Stanton, war ich immer wieder auf Nine Tails gestoßen. Die Überreste der alten Gebäude hatten eine alte, mir noch unbekannte Geschichte, aber sie waren nicht immer verlassen.

Im Schutz der Sicherheitszone von Lorville landete ich die White Rabbit außerhalb der Stadt am Rande eines Tage Bergbaus. Mit dem URSA Medivac machte ich mich auf den Weg zur 14 Kilometer entfernten Siedlung. Es war eine schwierige Navigation durch Gruben, zwischen Schutthaufen, Felsbrocken, Containern und Überresten der Bergbauanlagen. Zwei große, torartige Konstruktionen auf der anderen Seite des Tagebergbaus gaben mir Orientierung. Irgendwann tauchten in der Morgendämmerung die ersten Mauerreste der alten Siedlung auf.

An der ersten großen Steinmauer fuhr ich vorbei und weiter zu einem Turm, auf dem eine Fahne wehte. Daneben stand das verfallene Mauerwerk eines mehrstöckigen Gebäudes. Mit Stahlträgern und rostigen Metallplatten war eine Plattform angebaut. Davor standen mehrere alte Container. Quietschend kam der Rover zum Stehen. Niemand war zu sehen.

Plötzlich meldete der Bordcomputer, dass die Schilde getroffen wurden. Das Knattern von Sturmgewehren hallte durch die Mauerreste. Ich setzte den Rover einige Meter zurück, um besser zwischen die verfallenen Gebäude sehen zu können. Zwei Nine Tails stürmten auf mich zu. Die Mündungen ihrer Sturmgewehre blitzen auf. 

Mit einem Stöhnen aktivierte ich den Bildschirm des Geschützturms auf dem Rover. Die beiden Badger Repeater auf dem Dach spuckten donnerndes Feuer und schleuderten rote Laserblitze in Richtung der Nine Tails. Beide verschwanden in einer Wolke aus Funken und Staub. Dann war es still.

Der Wind säuselte leise, als ich über die Heckrampe den Rover verließ. Hatte ich alle Nine Tails erwischt, oder lauerten irgendwo noch welche? Mit dem P4 Sturmgewehr im Anschlag ging ich hinter einer niedrigen Mauer in Deckung. Mein Herz raste. Warum zum Teufel war ich eigentlich alleine? Warum hatte ich niemanden dabei, der kampferfahren war und mir Deckung geben konnte?

Es half nichts. Wenn ich herausfinden wollte, welche Geschichte die alten Mauern zu erzählen hatten, musste ich weiter. Durch das Zielfernrohr schaute ich mir jeden Winkel und jede Ecke in der Siedlung an. Alles was ich sehen konnte waren verfallene Mauern und rostiger Stahl. 

Nach einigen Minuten löste ich mich aus meiner Deckung und rannte zu dem Container, der einige Meter entfernt zu meiner rechten stand. Eng an die Wand gepresst, lief ich an der Außenseite des Containers entlang. Als ich das Ende erreichte, schaute ich vorsichtig um die Ecke. Mein Blick fiel direkt auf einen Nine Tail. Reglos lag er auf dem Boden. Nachdem ich mir seine Munition genommen hatte, ging ich weiter.

Langsam und extrem vorsichtig arbeite ich mich Stück für Stück voran. Ich schaute unter jeden Stein in jede Kiste und sammelte alles ein, was irgendwie das Rätsel um diese alten verfallenen Siedlungen lösen könnte. Schließlich kletterte ich auf eine Mauer und verschaffte mir einen Überblick. Im Dunst der dreckigen Atmosphäre von Hurston waren in einiger Entfernung die drei anderen Gebäude Ansammlungen zu sehen. Es lag noch so einiges an Arbeit vor mir. 

Bis ich alles untersucht und die letzten verfallenen Gebäude erreicht hatte, war es bereits dunkel. Nachdem ich keine weiteren Nine Tails angetroffen hatte, war meine Anspannung verflogen. Die Scheinwerfer des Rovers leuchteten einen Teil der alten Mauern aus. Zwischen den Gebäuden brannte ein Lagerfeuer. 

Quietschend öffnete sich die Seitentür des Rovers. Gerade als ich aussteigen wollte, hörte ich ein Zischen, eine Kugel prallte krachend neben mir von der Panzerung des Rovers ab. Dann hörte ich den Schuss. Unkontrolliert fiel ich auf den Rücken zurück in den Rover.  Nur mühsam rappelte ich mich auf. Beim Aufstehen hämmerte meine Hand auf den Türschalter. Mit einem erneuten Quietschen schloss sich die Tür wieder. Schwer atmend stand ich einige Sekunden vor der geschlossenen Tür und stützte mich mit den Händen auf meinen Knien ab.

Schließlich aktivierte ich im Cockpit den Bildschirm des Geschütztes. Der Nine Tail war wirklich weit weg. Immer wieder tauchte er hinter einer Mauer auf, schoss und ging dann wieder in Deckung. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich ihn erledigt hatte. Nachdem ich sichergestellt hatte, dass wirklich keine Gefahr mehr drohte, verließ ich den Schutz des Rovers.

In der Dunkelheit untersuchte ich die Überreste der Gebäude. Der Lichtkegel meiner Helmlampe wanderte über Mauern, Schrotthaufen und Kisten. Schließlich blieb er auf einer Zeichnung an einer Wand stehen. Drei Kreise, die in Form eines Dreiecks angeordnet waren. Zwei Kreise oben, einer unten. Dieses Zeichen hatte ich schon einmal irgendwo gesehen, ich wusste nur nicht mehr wo.

Nachdem ich alles durchsucht hatte, stand ich ratlos in der Dunkelheit. Einige Meter neben mir brannte das Lagerfeuer. Dahinter standen im schwachen Licht zweier Lampen die Überreste der verfallenen Siedlung. Einige Kilometer entfernt leuchteten die Hochhäuser von Lorville. 

Was war das für ein alter Ort, der im Schatten der großen Stadt verfiel? Er schien älter zu sein als Lorville, viel älter. War dies das ursprüngliche Lorville? Die Erbauer der Siedlung hatten nicht viel Geld. Die Gebäude waren mit einfachen Mitteln aus Stein gebaut. Lorville dagegen war aus Stahl und Glas. Es strahlte Geld und Macht aus. 

Könnten hier Menschen gelebt haben, bevor der gierige Megakonzern Hurston Dynamics kam? Waren es vielleicht Siedler der freien Völker? Lebten sie hier in Freiheit, bis Hurston Dynamics begann, dem Planeten rücksichtslos seine Ressourcen zu entreißen, die Menschen zu unterdrücken und unter unwürdigen Bedingungen für sich arbeiten zu lassen?

Was hatte der Verkäufer in der Schott-Siedlung Zephyr gesagt

Sie haben sich von den Megakonzernen nicht unterkriegen lassen und sind aus Ruinen auferstanden”.

Welche Verbindung bestand zwischen den Menschen in den Schrott-Siedlungen und den alten verfallenen Siedlungen? Und gab es einen Zusammenhang zwischen den verfallenen Siedlungen? Sie hatten alle den gleichen Baustil. 

Die Gedanken schossen mir durch den Kopf, aber sie warfen mehr Fragen auf als sie beantworteten. Hier und in den anderen verfallenen Siedlungen hatte ich jede Menge Zeug gefunden. Artefakte und alte Medaillen, mit denen ich nichts anfangen konnte. Waren das Hinweise auf die Geschichte der Siedlungen?

Um die Fragen zu beantworten und dem Rätsel auf die Spur zu kommen, brauchte ich Hilfe. Jemanden, der sich auskannte, der die Geschichte kannte. Ich hatte auch schon eine Idee, an wen ich mich wenden könnte. Am besten noch bevor ich die letzten Siedlungen im Planetensystem ArcCorp untersuchte.