Log #172 – Am Abgrund des Schmuggelns

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Meine Spezialtransporte nach Lorville verlangten einen immer höheren Einsatz. Ich ging All In. Mit ungewissem Ausgang.


Dieser verdammte Geschäftsmann. Korrupt, gierig, ein Ausbeuter war er. Von außen auf Hochglanz poliert, doch seine Seele war tief schwarz. Genau wie diese glänzend schwarze Marmorwand im Central Business District, vor der er stand. 

Bisher lief es ganz gut mit meinen Spezialtransporten nach Lorville. Alles was die unterdrückten Arbeiter für das tägliche Leben brauchten und auf dem Planeten Hurston verboten war, schmuggelte ich in die Stadt. Überall sonst im Stanton System waren die Sachen legal und daher leicht zu besorgen. Mit dem Geschäftsmann hatte ich einen Deal. Er brachte die Waren am Zoll vorbei und bekam dafür einen Anteil. 

Doch der Geschäftsmann hatte seinen Preis erhöht. Statt einen Anteil der Waren wollte er Bexalite. Inzwischen hatte ich das Mineral abgebaut und wollte es bei ihm abliefern. Er erwartete mich schon an der Metro Station des Central Business District. Selbstsicher und überheblich stand er vor der glänzenden schwarzen Wand. Hinter ihm türmten sich die goldenen Statuen des Gründers von Hurston Dynamics auf. 

Was er mir zu sagen hatte, war wie ein Schlag in die Magengrube. Das teure und seltene Bexalite war ihm nicht mehr gut genug. Als Belohnung für seine Dienstleistungen verlangte er jetzt Drogen. E’tam wollte er. Eine Droge, die von den Xi’an für die Meditation benutzt wurde. Bei Menschen führte sie zu Hyperwahrnehmung, kognitive Verbesserung und Hyperfokus. Daher wurde sie gerne von Arbeitern und Studenten verwendet. Und für die Partys der reichen Leute wollte er Neon. Er versprach sich wohl einen hohen Profit, wenn er die Drogen auf Hurston verkaufte. 

Doch für mich wurde es immer teurer und riskanter, die Arbeiter auf Hurston mit den nötigsten Dingen zu versorgen. Mein Einsatz stieg gewaltig. War es das noch wert? Beim Anflug mit Drogen erwischt zu werden, war etwas anderes als mit verbotenen DMC Hosen. Aber hatte ich eine Wahl? Gab es einen Ausweg aus dieser Situation? Nicht wirklich. Ich konnte und wollte die Arbeiter nicht im Stich lassen. Außerdem hatte mich der Geschäftsmann in der Hand. Wenn er nicht bekam, was er wollte, würde er mich auffliegen lassen. Immer tiefer rutschte ich in die Sache rein. Immer weniger Kontrolle hatte ich. Immer weniger Freiheit über mein Handeln.

Frustriert ging ich in die M&V Bar und saß alleine in einer Ecke. Die viel zu laute Musik nahm ich kaum wahr. Mein Gehirn war genauso aktiv wie das Bier vor mir auf dem Tisch. Es war schal. Früher wurde die Bar auf inoffiziellen Wegen mit richtig gutem Alkohol versorgt. Doch die Zeiten waren lange vorbei. Die Hurston Familie wollte nicht, dass die Arbeiter ein intensives Geschmackserlebnis hatten. Mit dem Handrücken schob ich das halbvolle Glas zur Seite. Mein Hirn wachte auf, ein Gedanke formte sich. Ich könnte die Bar wieder mit dem guten Zeug beliefern. Warum nicht? Neben den Drogen machte das keinen Unterschied mehr. Was soll’s. All in. Ich stand auf und ging zum Tresen.

Mit dem Barkeeper hatte ich vor einiger Zeit über die früheren Alkohol-Lieferungen gesprochen. Ich wusste, dass er den alten Tagen nachtrauerte. Er war über mein Angebot erfreut. Doch er war auch misstrauisch.

“Hast Du den Artikel von Parker Terrell gelesen?”, fragte er mit gedämpfter Stimme.

Verstohlen schaute ich mich um und antwortete genauso leise. “Welchen Artikel?”

“Ja den über die Lügen von Lorville.”

“Welche Lügen meinst Du genau. Es gibt doch jede Menge Lügen hier.”

“Ich meine, dass die United Workers of Hurston eigentlich gar keine gewalttätige Terrorgruppe ist. Die wollten sich nur friedlich für bessere Bedingungen für die Arbeiter auf Hurston einsetzen. Und dann wurden sie von Agenten unterwandert. Die Agenten haben in der Gruppe zur Gewalt angestachelt. Das war von Hurston Dynamics alles geplant, um einen Grund zu haben, gegen die Arbeitervereinigung vorzugehen.”

“Tatsächlich?” Verdutzt schaute ich den Barkeeper an. 

Ich musste daran denken, dass die ursprünglichen Free Riders of Stanton auch von Hurston Security zerschlagen wurden. Ich fragte mich, ob es dabei auch verdeckte Operationen von Hurston Agenten gab? Dann musste ich an Ray Keaton denken. Er brachte Zwietracht in die neu gegründeten Free Riders of Stanton. War er ein Agent? Verfolgte Ray eine versteckte Agenda?  

Ich wischte den Gedanken zur Seite und wandte mich wieder an den Barkeeper. “Und was willst Du mir jetzt sagen?”

“Eigentlich nur, dass Du vorsichtig sein musst und keinem trauen darfst. Vor allem niemanden, der von Hurston kommt und dir überraschend Hilfe anbietet. Du weißt nie, welche Lügen er erzählt und was er eigentlich vor hat.”

Für einige Sekunden schauten wir uns schweigend an. Unsere Blicke fixierten sich. Dann sagte ich in ganz ruhigem Ton.

“Ich bin kein Agent und ich bin nicht von Hurston.”

“Ich weiss. Ich meine nur …. Also schau was hinter deinem Rücken passiert und mit wem du zusammen arbeitest.”

“Ich arbeite alleine.” Das klang überzeugter als ich selbst war. 

Ich nahm immer wieder Hilfe in Anspruch. Aber das waren alles Personen, die ich lange kannte und denen ich vertraute. Bis auf einen. Der Geschäftsmann. Aber der konnte auch kein Agent sein. Der war nur unverschämt, geldgierig und korrupt. Alles, was ihn interessierte, war sein persönlicher Profit. Zumindest hoffte ich das.

Mit etwas gemischten Gefühlen verließ ich die Bar und machte mich auf den Weg. Ein Weg ins Ungewisse. Ein Weg voller Risiken. Wohin würde mich das alles noch führen?

*

Die Wüste auf dem Mond  Daymar mochte karg und sandig sein, doch sie bot mehr, als man auf den ersten Blick erahnen konnte. Es war wie ein Wink des Schicksals. Ich war ein Sohn der Wüste und in der Wüste fand ich was ich brauchte. Alles, was ich für meinen Spezialtransport benötigte, bekam ich auf diesem einen Mond.

Im Außenposten Bountiful Harvest Hydroponics bekam ich den Alkohol. Den guten Alkohol für die M&V Bar. Im Außenposten Nuen Waste Management, ein Zwischenlager und Verkaufsstelle für Drogen, gab es E’tam und Neon. Es war ein kleiner Aufwand. Zwei Stopps auf einem Mond. Nur das Risiko war hoch. Die Außenposten hatten keine waffenfreie Zone. Die meisten Gefechte gab es zwar beim Drogenlabor Jumptown, doch ich musste damit rechnen, dass auch hier ungebetene Gäste auftauchten. So richtig wohl fühlte ich mich nicht, wenn die White-Rabbit ungeschützt vor dem Gebäude im Sand stand, während ich drinnen die Transaktionen durchführte. Nur was sollte ich tun? Es war alternativlos. Und ich wollte niemanden in die Sache hineinziehen und als Verstärkung mitnehmen. 

Bei Bountiful Harvest Hydroponics ging alles gut. Mit dem Alkohol an Bord donnerte die White-Rabbit über die Sanddünen und erhob sich in den blauen Himmel. Nach einem kurzen Spline Jump auf die andere Seite des Mondes erreichte ich Nuen Waste Management. Es war dunkel. Das schwach beleuchtete Gebäude war kaum zu sehen. Es stand einsam und alleine auf einem kleinen Sand Plateau. Sanft setzte meine Star Runner direkt vor der Luftschleuse auf. 

Im Inneren des Gebäudes sah es aus wie auf einer Müllhalde. Es war typisch für die illegalen Lager. Eilig begann ich mit der Transaktion. Der Schweiß stand mir auf der Stirn. Jede Sekunde, die ich hier war, war eine Sekunde zu viel. Plötzlich ließ mich ein Geräusch zusammen zucken. Ein Rauschen und ein Donnern. War das ein anderes Raumschiff? Oder der Wind? Es gab keine Fenster. Was draußen passierte, blieb im Verborgenen. Vorerst. 

Ich hatte Glück. Niemand tauchte auf. Kein Agent fiel mir in den Rücken. Dieses Mal. Unbehelligt verließ ich den Mond Daymar. Während dem Quantum Flug zum Planeten Hurston stand ich im Frachtraum der White-Rabbit. Das monotone Brummen des Quantum Antriebs hatte fast eine meditative Wirkung. Nachdenklich schaute ich meine Ladung an. Durchsichtige Tüten mit grünen Blättern und roten Pillen, verstaut und verzurrt auf Paletten. Und Container voll mit hochwertigem Alkohol. Eine Ladung, die mich direkt nach Klescher verfrachten konnte. 

Es war nicht mein erster Drogentransport. Aber bisher lieferte ich nach Grim Hex oder an einen abgelegenen Rest Stop tief im Weltall. Doch der Planet Hurston war etwas anderes. Hurston Security patroullierte im Orbit. Bisher war ich den Kontrollen entgangen. Ich musste jedoch davon ausgehen, dass der Geschäftsmann weitere Lieferungen verlangte. Nur wie lange würde meine Glückssträhne anhalten? Konnte das ewig so weitergehen? 

Eine Veränderung der Geräuschkulisse holte mich jäh in die Gegenwart zurück. Der Quantum Antrieb klang plötzlich anders. Die White-Rabbit bremste ab. In wenigen Sekunden erreichte ich den Planeten Hurston.