Log #155 – Die Belohnung

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Ich musste einiges riskieren damit jemand anderes eine Belohnung bekam. Bei der Aktion wurden Erinnerungen an frühere Ereignisse wach. Erinnerungen an Satelliten mit denen ich nichts mehr zu tun haben wollte.


Der Geschäftsmann nickte den Wachen zu. War das ein Zeichen? Für mich gab es keinen Ausweg, keine Möglichkeit zur Flucht. Die Wachen standen am einzigen Ausgang des Handelszentrums vom Central Business District. Die Hintergrundgeräusche schwollen von einem leichten Rauschen zu einem bedrohlichen Sturm an. Es fühlte sich an wie in einem Tunnel der jeden Ton mit einem Hall mehrfach verstärkte. Ich war mal wieder zu gutgläubig und saß in der Falle. Der Geschäftsmann wandte sich wieder mir zu.

“Ich habe jemandem einen Tipp gegeben. Dafür steht mir eine Belohnung zu. Jedoch benötigt derjenige Hilfe um aus dem Tipp Geld zu machen. Gehe zu Reclamation & Disposal und bringe mir was mir zusteht. Danach können wir über Dein Begehr sprechen.”

Der Sturm in meinen Ohren hatte sich gelegt. Ruhe war eingekehrt. Musternd schaute ich den Geschäftsmann an, wog seine Worte ab. Das war eine Chance, eine Chance die ich ergreifen sollte. Sanft nickend wandte ich mich ab.

“Eines noch.” Die Stimme des Geschäftsmannes war gedämpft. “Wenn Du mir meine Belohnung bringst. Bitte unauffällig. Es muss niemand sehen was Du mir bringst.”

***

Im Reclamation & Disposal stand immer noch Clovus Darneely hinter dem Tresen. Der gleiche alte Typ wie vor einigen Jahren.

Damals hatte ich nach einem Job gefragt. Er hatte allerdings keinen für mich. Heute sah die Sache anders aus. Er sprach von einer unerwarteten Chance die ihm zugetragen wurde und wollte dass ich etwas für ihn holte. Den Prototyp eines Chips, aus einem abgestürzten Satelliten. Sämtliche Alarmglocken schrillten in mir. Baute Hurston Dynamics wieder einen Killersatelliten? Zuzutrauen wäre es dieser raffgierigen Familie. Den Chip sollte ich nicht nur bergen sondern danach in einer Bunkeranlage dechiffrieren. Es war genau wie damals als wir den abgestürzten Prototypen des Killer-Satelliten gefunden hatten. Damals hatten wir eine Carrack mit voller Besatzung. Wir konnten die Verteidigung ausschalten Diesmal war ich alleine. Ich musste mir überlegen wie ich in den Bunker kommen konnte ohne mir den Weg frei zu schießen.

***

Der abgestürzte Satellit hatte eine tiefe Furche in den Boden gerissen. Rauch stieg auf, Flammen loderten aus dem Wrack. Meine Cutlass landete ich direkt bei der Absturzstelle. Auf dem Radar war weit und breit nichts zu sehen. Ich schien alleine zu sein. Für alle Fälle sollte die Bergung offiziell aussehen. Dazu hatte ich eine der erbeuteten Rüstungen von Hurston Security an. Es war eine der schweren Rüstungen. Sie bot zwar einen hohen Schutz war aber schwer zu tragen.

Nur mit Mühe konnte ich den Erdwall erklimmen den der Satellit beim Aufprall aufgetürmt hatte. Der Schweiß lief mir aus allen Poren. Für einen kurzen Moment setzte ich mich hin um durchzuatmen. Ich musste weiter hoch. Hoch auf den Satelliten. Der Zugang zu den Platinen war auf der Oberseite. Schwerfällig kletterte ich an verbogenen Metallstreben empor. Fluchend wünschte ich mir eine leichte Rüstung. Endlich oben angekommen erkannte ich, dass der Satellit in zwei Teile zerbrochen war. Der Zugang zu den Platinen war im anderen Teilstück. Ich stand auf der falschen Seite umhüllt von Flammen und starrte hinab in den Abgrund der die beiden Stücke trennte. Ein Sprung war die einzige Option. Konnte das mit der schweren Rüstung klappen? Ich hatte keine andere Wahl und nahm Anlauf. Meine Schritte klangen wie Hammerschläge, Metall auf Metall. Bumm, Bumm, Bumm. Der Abgrund kam näher. Ich erreichte die Kante und sprang. Der Flug durch die Luft war lautlos. Die andere Seite kam näher, war zum greifen nahe. Doch nicht nahe genug, oder doch? Es krachte bei meinem Aufschlag. Schwer atmend richtete ich mich auf. Ich war drüben auf der anderen Seite. Jetzt stand der Bergung der Platine mit dem Prototypen nichts mehr im Wege. TDC-XX stand auf der Platine. Erinnerungen an einen früheren Auftrag wurden wach. Auch damals musste ich einen TDC-XX aus einem abgestürzten Satelliten bergen. Der Auftrag damals war aber zerstören bevor der Prototyp in falsche Hände geraten würde. Diesmal lieferte ich ihn in die falschen Hände. Zumindest aus Sicht von Hurston Dynamics. Nachdem ich mich versichert hatte, dass keine Waffen am Satelliten verbaut waren machte ich mich auf den Weg zum Bunker.

Es war dunkel und schon bei der Annäherung erfassten die Verteidigungstürme die Cutlass. Ohne offiziellen Auftrag durfte ich mich der Anlage nicht nähern, geschweige denn sie betreten. Damit hatte ich gerechnet und landete ein Stück entfernt. Den Rest der Strecke legte ich mit meiner Dragonfly zurück. Sie war klein, unauffällig und konnte der Luftverteidigung besser ausweichen. Allerdings waren die Geschütztürme mein kleinsten Problem. Ein Raumschiff stand hinter der Anlage. Jemand war hier. Ein Kopfgeldjäger? Ein Söldner? Ein Pirat? Ganz egal wer die andere Person war. Ich musste davon ausgehen, dass sie schießwütig und besser ausgebildet war als die Wachen im Bunker. Beim Lastenaufzug der in die Tiefe der Anlage fuhr hatte ich die Bestätigung. Der Aufzug war im unteren Level, die andere Person somit unten im Bunker. Es waren keine Schüsse zu hören. Wer auch immer hier war hatte einen offiziellen Auftrag. Wurde ich erwartet? 

“Hau ab”, sagte eine Stimme in mir. “Das ist das Risiko nicht wert”. 

Einige Sekunden später kam der Fahrstuhl nach oben. Die andere Stimme in mir hatte den Fahrstuhl-Knopf gedrückt. 

Unten angekommen stolperte ich über Leichen. Wachen in schwarz-gelben Rüstungen, Piraten in rot-grünen Rüstungen, sie lagen überall herum. Eine bedrückende Stille lag in der Luft. Niemand war zu sehen. Vorsichtig bewegte ich mich entlang der Wände durch die Anlage und versuchte jedes Geräusch zu vermeiden. Sollte doch noch jemand da sein wollte ich unbemerkt an ihm vorbeischleichen. Wobei Schleichen in der schweren Rüstung nicht so einfach war. Am Fuß einer Treppe hielt ich den Atem an und lauschte in die Stille. Plötzlich kam jemand die Treppe runter gerannt direkt auf mich zu, eine Waffe im Anschlag. Es ging alles unheimlich schnell, es blieb keine Zeit zu reagieren. Die Gestalt rannte an mir vorbei, lief weiter und verschwand um eine Ecke. Hatte sie mich für eine Wache gehalten? Hatte meine Verkleidung funktioniert? Ich nutze die Gelegenheit und rannte zum Serverraum. Während der Computer den Chip dechiffrierte versteckte ich mich in einer Nische. Es dauerte endlose Sekunden. Die Zeit des Wartens war quälend. 

Als der Computer endlich fertig war mit seiner Arbeit begann der gefahrvolle Rückweg. Wieder schlich ich vorsichtig durch die Anlage. Hoffte niemandem zu begegnen. War die andere Person noch da? Würde sie mich wieder für eine Wache halten und ignorieren? Es war still. Eine Stille die an den Nerven zerrte. Schließlich erreichte ich den Aufzug. Er war oben. Es sah so aus als ob der andere den Bunker verlassen hatte.

So schnell wie möglich fuhr ich nach oben und mit meiner Dragonfly zurück zur Cutlass. Die Fahrt durch die Nacht war unkontrolliert. Ich wollte weg, nichts wie weg. Meine Geschwindigkeit war viel zu hoch. Es war fast unmöglich den plötzlich im Scheinwerferlicht auftauchenden Hindernissen auszuweichen. Dann ploppte ein Kontakt auf dem Radar auf. Ich stoppte, schaltete das Licht aus, stellte mich tot. Eine Freelancer landete bei der Bunkeranlage. Mein Gott war hier was los. War der meinetwegen gekommen? Vorsichtig fuhr ich ohne Licht weiter durch die Dunkelheit. Endlich erreichte ich meine Cutlass und verschwand im Tiefflug in der Schwärze der Nacht.

***

Einige Stunden später war ich wieder im Central Business District. Clovus Darneely hatte mir einen hübsch verzierten Umschlag für den Geschäftsmann mitgegeben. Ich wollte gar nicht wissen was er enthielt. Genauso wenig interessierte mich was auf dem Computer Chip war, geschweige denn was es für ein Chip war. Bloß nicht wieder in irgendwelche Verschwörungen geraten. Sauber und stressfrei Waren für die Arbeiter nach Lorville schmuggeln war alles was ich wollte. Der Geschäftsmann saß lässig auf einem Sofa. Im Hintergrund plätscherte sanft die Wasserwand vor sich hin. Es war ein beruhigendes Geräusch. 

“Zufrieden”, fragte ich als ich ihm den Umschlag überreichte. Eigentlich war die Frage überflüssig, alles andere wäre eine Frechheit gewesen.

“Wunderbar. Meine Belohnung. Jetzt können wir Geschäfte machen. Und auch für diese Geschäfte steht mir eine Belohnung zu.”

Aus mir kam nur ein kaum wahrnehmbares “Aha”.

“Du transportierst was immer Du willst nach Lorville. Komme direkt zu mir. Ich kümmere mich um den Rest. Einen Teil der Ladung behalte ich für mich. Meine Belohnung.”

Ein freches Grinsen lag auf seinem Gesicht. Der angesehene Geschäftsmann. Korrupt war er. So korrupt wie alle erfolgreichen Menschen auf diesem dreckigen Planeten. Es sollte mich nicht stören wenn es den Arbeitern auf Hurston half. Immerhin standen die Tore jetzt weit für mich offen. Ganze Schiffsladungen konnte ich nun nach Lorville fliegen ohne mir Gedanken über den Zoll machen zu müssen.