Konnte der Biker Club eine Hilfe beim Schmuggel nach Lorville sein?
Es war ein ungewöhnlicher Treffpunkt. Ungewöhnlich vor allem für eine Gruppe die vor kurzem von Hurston Security zerschlagen wurde. Sie nannten den Ort “Stim Theater”. Er lag auf dem alten Bergbaugelände direkt hinter dem Hauptquartier von Hurston Dynamics. Quasi im Schatten des Symbols der Macht. Sanft landete ich die White-Rabbit neben zwei geparkten Aopoa Nox Gravlev Bikes. Ein kräftiger Wind wehte Staub und Dreck in den Frachtraum als ich die Heckrampe öffnete. Mit der Hand versuchte ich mein Gesicht zu schützen. Zwei Typen standen am Fuß der Rampe.
“Hey Zero wir haben uns lange nicht gesehen”, begrüßte mich Brubacker freudig.
“Bru. Schön Dich zu sehen. Und wer bist Du?” Mein Blick fiel auf die zweite Person.
“Ich bin Gabriel Winters. Oder einfach Husky.”
“Winters? Den Namen habe ich schon mal gehört”, erwiderte ich nachdenklich.
“Wahrscheinlich hast Du von meinem Großvater gehört. Friedrich Winters. Er ist CEO von Nordlicht Aviation.”
“Wir hatten Friedrich auf der Messe in New Babbage getroffen”, ergänzte Brubacker.
“Ja stimmt. Ich erinnere mich. Kommt an Bord. Das Wetter ist ja furchtbar.”
“Können wir die Bikes in Deinem Frachtraum parken”, fragte Husky.
“Ja klar. Ich hoffe Brubacker schafft es einzuparken ohne irgendwo anzustoßen.”
Brubacker murmelte irgendetwas unverständliches. Wahrscheinlich fand er die Anspielung auf seine Schwäche beim Landen von Raumschiffen nicht lustig. Aber mit etwas Hilfe und Einweisungen schaffte er es seine Nox ohne Probleme in die Star Runner zu manövrieren. Kurze Zeit später stand auch die Nox von Husky im Frachtraum neben meiner Dragonfly. Es war ein ungewöhnlicher Anblick. Drei Gravlev Bikes in meiner Star Runner.
“Hast Du was zum trinken?”
Ich schaute Brubacker an und grinste.
“Klar. Im Kühlschrank sind kühle Getränke. Kommt mit.”
Im Aufenthaltsbereich der White-Rabbit erzählten Brubacker und Husky von F.R.O.S.. Den Free Riders Of Stanton. Einem Biker Club der die menschenverachtenden und ausbeuterischen Machenschaften der Megakorps anprangerte und sich für die Freiheit der Menschen einsetzte. F.R.O.S. war vor allem auf Hurston aktiv um gegen die schlechten Arbeitsbedingungen vorzugehen. Schließlich wurde der Club von Hurston Security zerschlagen und der Anführer verhaftet. Die Anklage lautete Verwicklung in Drogengeschäfte.
Nach der Zerschlagung gründete Husky den Club neu. Ich wurde hellhörig. Könnte F.R.O.S. hilfreich sein beim Schmuggel nach Lorville. Würde Husky in die alten Fußstapfen von F.R.O.S. treten und erneut den Arbeitern auf Hurston helfen? Auch mit illegalen Mitteln? Doch mein Hoffnungsschimmer wurde schnell gedämpft. Für Husky war noch nicht klar in welche Richtung sich F.R.O.S. entwickeln würde. War Gabriel Winters doch nur der Enkel eines reichen Typen dem es an nichts fehlte und der einfach nur ein wenig das Gefühl eines freien unabhängigen Outlaws haben wollte?
Die langwierigen Ausschweifungen von Brubacker und Husky nahmen kein Ende. Leise stöhnte ich in mich hinein. Ich brauchte einen Weg Alltagsgegenstände für die Arbeiter nach Lorville zu schmuggeln. Phantasien über eine Gemeinschaft die sich überall im Verse gegenseitig unterstütze halfen mir nicht weiter. Ich musste hier raus, raus aus dieser Situation.
“Was haltet Ihr von einem gemeinsamen Ausflug mit den Bikes”, fiel ich Brubacker ins Wort.
“Gute Idee. Wir könnten mit Deinem Schiff nach Oparei fliegen. Dort ist die Landschaft schöner”, schlug Husky vor.
Als ich bei dem Außenposten landete ging gerade die Sonne unter. Blutrot stand sie tief über dem Horizont und tauchte das hohe Gras und die Bäume der Savanne in ein warmes Licht.
Wir fuhren mit den Bikes auf einen nahen Hügel. Als wir oben ankamen war es bereits dunkel. Reste von rotem Licht waren am Horizont zu sehen. Ansonsten lag die Savanne unter einem schwarzen Tuch das nur durch die Scheinwerfer der Bikes zerschnitten wurde. In Gedanken war ich schon woanders. Ein Biker Club war ja ganz nett. Aber wollte ich meine Zeit mit reichen Typen verbringen die in ihrer Freizeit einen auf Freiheit machten? Doch dann überraschte Husky mich.
“Ich kenne einen Weg wie wir Sachen nach Lorville schmuggeln können.”
Neugierig schaute ich Husky an.
“Trotz der verschärften Sicherheitsvorkehrungen?”
“Es gibt ein altes Landepad in der Nähe vom L19 District. Wenn man tief genug fliegt wird man von den Scannern der Flugkontrolle nicht erfasst. Der blinde Korridor zwischen Teasa Spaceport und dem Pad ist aber sehr schmal.”
“Man verschwindet also einfach vom Radar beim Landeanflug? Das fällt doch auf.”
“Man benötigt ein kleines Schiff im Radarschatten eines großen Schiffes. Das große Schiff landet ganz offiziell. Kurz vor der Landung löst sich das kleine Schiff und fliegt tief zum Pad. Die Flugkontrolle hat somit keine Ahnung das es ein zweites Schiff gibt. Beim Pad kann die Ladung an Leute aus der Stadt übergeben werden.”
Die Idee faszinierte mich. Es klang gewagt aber nicht unmöglich. Husky schlug vor uns den Weg in der Praxis zu zeigen. Die Frage war nur woher wir ein großes Raumschiff bekommen sollten. Zum Glück war gerade ein alter Freund von mir in Lorville. Er leihte mir seine Hercules C2. Auf der Orbitalstation Everus Harbor quetschten wir eine Aurora in den Frachtraum der Hercules.
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Angespannt schaute ich aus dem schmalen Sichtfenster im Cockpit der Hercules. Langsam steuerte ich das mächtige Frachtschiff zum Teasa Spaceport. Das Risiko dass bei der Aktion etwas schief ging und ich bei den Behörden auffällig wurde war mir zu groß. Daher überließ ich Brubacker und Husky den Flug mit der Aurora zum alten Landepad. Bevor ich das Wagnis einging sollte Husky erstmal beweisen das es wirklich funktionierte. Der Schriftzug “Teasa Spaceport” glitt am Cockpitfenster vorbei. Immer tiefer sank die Hercules. Die zunächst kleinen Gebäude der Stadt wuchsen heran zu großen Bergen. Kurz vor den Hangartoren öffnete ich die Frachtluke. Husky steuerte die Aurora aus dem Bauch der Hercules und verschwand in Richtung L19 District. Die Gebäude und Container von Lorville verschluckten das kleine Schiff. Es war nicht mehr zu sehen. Wenige Sekunden später landete ich im zugewiesenen Hangar. Niemand hatte die kleine Aurora bemerkt. Noch nicht.
Nach der Landung fuhr ich eilig mit der Metro zum L19 District. Würden es Brubacker und Husky schaffen? Blieb die Aurora unbemerkt? Je näher ich dem L19 Metro Center kam desto größer wurde meine Anspannung. Von der Metro Station lief ich vorbei an vielen Wachen, Müllcontainern und Dreckhaufen zum Aussichtspunkt bei den Wohnblöcken. Von dort hatte ich freie Sicht auf das alte Landepad. Und tatsächlich. Da stand die Aurora. Husky und Brubacker hatten es geschafft. Dann startete die Aurora und flog völlig unbehelligt zwischen Containern und Rohren umher. Ich war beeindruckt von Huskys Aktion. Er hatte uns einen Weg in die Stadt gezeigt, vorbei an den Kontrollen. Er war ein echter Teufelskerl. Mein erster Eindruck war falsch. Gabriel “Husky” Winters war ein furchtloser Pilot der so einige Tricks auf Lager hatte und nicht nur einfach ein reiches Söhnchen.
Abends schickte mir Brubacker die Proklamations-Urkunde von F.R.O.S.. Darauf stand “…die Freiheit des Menschen geht uns über alles…” und dass sie dem UEE und den Megacorps gegenüber kritisch eingestellt seien. Das gefiel mir. Das war genau meine Einstellung. Eine feste exklusive Bindung wurde von F.R.O.S. nicht verlangt. Das kam meinem Verlangen nach Unabhängigkeit entgegen. Ich trat den Free Riders Of Stanton bei.