Dunkle Orte und Geheimnisse kreuzten meinen Weg. Doch ich war müde und brauchte eine Auszeit.
Das Weltall war schon immer ein dunkler Ort gewesen. Doch hier war es besonders dunkel. Kaum ein Lichtstrahl drang durch die schwarzen Gaswolken. Unheimliche, gigantische Felsbrocken befanden sich im Inneren des Nebels. Und irgendetwas war da draußen. Es war kein Vakuum. Irgendetwas bremste mein Raumschiff, wenn ich keinen Schub gab. Und immer wieder waren Funken an der Nase der Star Runner zu sehen. Sie blitzten auf, wenn etwas die Schiffshülle traf.
Langsam glitt die White Rabbit durch die Suppe, vorbei an den riesigen Gesteinsbrocken. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Nicht im Asteroidengürtel des Mondes Yela und auch nicht im Aaron Halo Asteroidengürtel. Ganze Raumstationen konnte man in den Felsbrocken unterbringen, sie waren sogar größer als der Asteroid, in dem sich die Piratenstation Grim Hex befand. Es war ein düsterer und unheimlicher Ort. Ich zuckte zusammen, als wieder ein Funke an der Nase der White Rabbit aufblitzte.
Ein unbekanntes Signal hatte mich hierher geführt. Doch bisher konnte ich die Quelle nicht lokalisieren. Vorsichtig steuerte ich die White Rabbit in ein großes Loch in einem Asteroiden. Im Inneren befand sich eine Höhle, aus der es zwei weitere Ausgänge gab. Es war mehr Platz als in einem Hangar. Selbst Brubacker hätte hier navigieren können, ohne an den Wänden anzustoßen. Ich musste lachen, als ich daran dachte, wie er seine Fluglizenz verlor, weil er bei einer Landung die Wand eines Hangars demoliert hatte.
Langsam kamen Zweifel in mir auf, ob ich hier überhaupt etwas finden würde, was mit dem Signal zu tun hatte. Es gab zu viele Möglichkeiten sich zu verstecken. Ich flog gerade aus der Höhle heraus, als mir der Atem stockte. Vor mir befand sich ein besonders großer Asteroid, oder das, was davon übrig war. Irgendetwas hatte sich durch den Asteroiden gefräst. Es gab eine kreisrunde, saubere Schnittkante, wie von einer gigantischen Tunnelbohrmaschine. Mehrere Bengal Carrier hätten in dem herausgeschnittenen Loch Platz gehabt. Meine Star Runner wirkte winzig dagegen.
Das konnte keinen natürlichen Ursprung haben. Aber was hatte eine so zerstörerische Wirkung? Was konnte sich so durch einen Asteroiden fressen? Konnte es ein Laser außerirdischen Ursprungs sein? Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Ich musste an das Hades System denken und die Zivilisation, die dort einst gelebt hatte. Sie wurde durch einen interplanetaren Krieg ausgelöscht. Die Zweiteilung von Hades IV deutete darauf hin, dass die Hadesianer im Besitz einer Waffe waren, mit der sie ganze Planeten zerstören konnten.
Hörte das denn nie auf? Erst waren wir konfrontiert mit Killer-Satelliten, dann Bio-Bots und jetzt Planetenkiller-Laser? Nein, damit wollte ich nichts zu tun haben. Ich war müde, ich brauchte eine Pause. Sollte der Ort seine Geheimnisse bewahren, die er in sich trug. Zügig steuerte ich die White Rabbit aus dem dichten Gewirr von Asteroiden heraus in relativ freien Raum, setzte einen Kurs zum Planeten Microtech und aktivierte den Quantum Antrieb. Während des Fluges schickte ich Brubacker eine Nachricht und informierte ihn über meinen Fund.
*
Es war dunkel, als ich Microtech erreichte und Moreland Hills anflog. Als ich die Koordinaten der Siedlung erreichte, schaute ich erstaunt aus dem Cockpitfenster. Nichts als Dunkelheit umgab mich. In dem Tal, in dem die Siedlung liegen sollte, war nichts zu sehen. Keine Lichter, keine Gebäude, nichts, nur Dunkelheit. Wo war die Siedlung der Flüchtlinge? War sie verschwunden? Oder war ich am falschen Ort? Planlos flog ich durch die Nacht, über schwarze Berge und dunkle Täler. Es war zum Verrücktwerden, ich konnte die Siedlung nicht finden. Irgendwann schaute ich in meine Notizen und schlug mit der flachen Hand gegen meinen Kopf. Ich Idiot. Ich war den falschen Kurs geflogen.
Einige Zeit später landete ich die Vulture neben der Siedlung. Es schien alles in Ordnung zu sein. Im hell erleuchteten Gewächshaus pflügte gerade jemand Früchte von den Pflanzen. Eine Gruppe von Personen stand vor dem Turm im Scheinwerferkegel einer Laterne. Es wirkte alles so friedlich und ruhig.
Etwas steif vom Sitzen während des langen Fluges kletterte ich die Leiter der Vulture hinunter und ging zur Gruppe. Maria, die Anführerin in der Siedlung, begrüßte mich freundlich.
“Zero, schön dich zu sehen.”
“Maria, wie geht es Dir? Würdet ihr mich für ein paar Tage aufnehmen? Ich brauche eine Auszeit.”
“Sehr gerne. Du weißt, wir sind füreinander da. Und ob du Tage oder Wochen bei uns bist spielt keine Rolle. Die Zeit spielt keine Rolle….”
“Ich weiß. Nur das Hier und Jetzt zählt”, beendete ich ihren Satz.
Maria lachte.
“Ich war vor kurzem in Weeping Cove”, fuhr ich fort.
Maria reagierte sehr verhalten.
“Weeping Cove sagst du.”
Nur langsam sprach sie die Worte aus. Als wollte sie meinen letzten Satz ungeschehen machen. Ich hatte gehofft, etwas aus ihr heraus zu bekommen. Ob meine Informationen richtig waren, dass sie mit ihrer Gruppe von Weeping Cove nach Microtech geflohen war und vor allem warum sie überhaupt auf der Flucht waren und wo sie ursprünglich herkamen. Doch Maria ging nicht darauf ein und lenkte ab.
“Du bist mit einer Vulture gekommen. Bist Du unter die Schrottsammler gegangen?”
“Im Prinzip ja. Richard hat mich gebeten, etwas aufzuräumen. Kopfgeldjäger waren hinter ihm her. Ich soll das Raumschiff der Kopfgeldjäger verschwinden lassen. Du weisst schon, keine Spuren hinterlassen und so.”
“Richard.”
Erneut reagierte Maria sehr verhalten. Auch auf Richard wollte sie nicht eingehen, obwohl er ursprünglich zu ihrer Gruppe gehört hatte. Zumindest stand das in dem Tagebuch, das ich hier gefunden hatte. Die Geschichte der Bewohner von Moreland Hills blieb ein Geheimnis.
Maria reichte mir eine Bierflasche und sagte. “Komm lass uns die milde Nacht genießen und die Sterne zählen.”
Die Gläser klirrten, als wir mit unseren Flaschen anstießen. Maria nahm einen tiefen Schluck. Dann begann sie von der guten Ernte zu erzählen und wie sie in der Landwirtschaft effizienter geworden waren. Während ich ihr zuhörte, bekam ich immer mehr den Eindruck, dass Maria keine typische Siedlerin war. Sie hatte eine Ausdrucksweise und eine Art, die eher zu jemandem aus der Stadt passte. Effizienz, straffe Organisation, das waren nicht die Eigenschaften von jemandem, der sich irgendwo im Nirgendwo niederließ. Das waren Eigenschaften von Menschen, die sich in einer hektischen Stadt und im Geschäftsleben behaupten mussten. Was war das Geheimnis von Maria? Woher kam sie? Und warum verbarg sie ihre Vergangenheit? In dieser Nacht bekam ich keine Antworten auf die Fragen.
Am nächsten Tag flog ich mit der Vulture zu dem Berg, auf dem Richards Festung stand. Am Hang lag eine beschädigte Vanguard Sentinel auf dem Kopf. Es war das Raumschiff der Kopfgeldjäger, die Richard aufgespürt hatten. Richard war ihnen zuvorgekommen. Jetzt forderte er den Gefallen ein, den ich ihm schuldete. Ohne Probleme recycelte ich mit der Vulture die Hülle der Vanguard und zerlegte das ganze Schiff. Nichts blieb übrig, außer ein paar Kisten mit wertvollen Rohstoffen in meinem Laderaum, die ich teuer verkaufen konnte.
An Verkaufen dachte ich vorerst nicht. Ich beschloss, die nächsten Wochen in den Moreland Hills zu bleiben. Ich brauchte nach den ganzen Ereignissen wirklich eine Pause. Ich musste durchschnaufen, mich erholen und wieder neue Kraft tanken. Die Siedlung war genau der richtige Ort dafür. Sie war ruhig und friedlich. Ein Ort, dessen Bewohner zwar Geheimnisse hatten, die aber freundlich und hilfsbereit waren.