Log #152 – Lorville Schmuggel

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Der Schmuggel nach Lorville hatte Höhen und Tiefen. Die Aktivisten waren unzufrieden. Würde es mir gelingen die Situation zu verbessern?


Es war mehr Zufall als gezielte Suche. Unter all den Kerben, Wunden und Narben stach dieses Loch hervor. Als ob der geschundene Planet Hurston ein Zeichen senden wollte. Kreisrund mit einer Reihe gigantischer Stufen reichte der Abbau des Steinbruchs  tief in den Planeten. Auf den ersten Blick sah es aus wie das Bohrloch in Levski. Beim Anblick übermannten mich Erinnerungen und Sehnsüchte an meine alte Heimat. Neugierig änderte ich den Kurs und tauchte mit der White-Rabbit hinab in das Werk des gnadenlosen Bergbaus von Hurston.

Am Boden der Vertiefung lagen alte weggeworfene Container. Spuren und Überreste der Ausbeutung des Planeten waren überall zu sehen. Trotz allem war der Ort perfekt. Er lag in der waffenfreien Zone von Lorville und war dennoch geschützt vor neugierigen Blicken. Das Loch war so tief und eng, dass man selbst das gigantische Gebäude von Hurston Dynamics nicht sehen konnte. Es war der ideale Umschlagplatz für Schmuggelware. Mit einem einzigen Flug konnte ich größere Mengen mit der White-Rabbit nach Hurston bringen und in den Containern zwischenlagern. Von hier aus war es möglich die Waren mit wenig Aufwand portionsweise im Rucksack nach Lorville zu schmuggeln. Dem Ort gab ich den Namen Rabbit-Hole. 

Wieder und wieder fuhr ich mit der Dragonfly zum Rabbit-Hole. Mit dem Hoverbike war die Strecke problemlos machbar, trotz des teilweise unwegsamen Geländes. Mit voll gepacktem Rucksack ging es dann zurück zum Perimeter Gate in Lorville. Doch ein Problem blieb. Mit jeder Fahrt konnte ich nur eine kleine Menge an Waren nach Lorville schmuggeln. Jede Fahrt blieb ein Tropfen auf dem heißen Stein. Der Tropfen verdunstete schneller als ich den nächsten bringen konnte. Mit jedem Tag wurde die Unzufriedenheit der Aktivisten mit meiner Arbeit größer. Sie schimpften und nannten mich einen mutlosen Schmuggler. Ich konnte und wollte nicht begreifen warum sie in die Hand spuckten die ihnen helfend entgegen gestreckt wurde. Aufgeben war aber auch keine Option für mich.

*****

Eines Abends wollte mich Anton in der M&V Bar treffen. Wir saßen uns an einem Tisch gegenüber. Geschützt vor unerwünschten Blicken und Ohren, in einer ungestörten Ecke der Bar. Es war die gleiche Sitzecke in der ich vor ein paar Wochen mit dem Typ vom Widerstand gesessen hatte. Wieder hatte ich ein Glas Whiskey-Cola in der Hand. Wieder stellte ich mich darauf ein beschimpft zu werden.

“Pass auf, so kann das nicht weiter gehen. Deine Lieferungen in homöopathische Dosen bringen nichts. In die Aktion muss jetzt endlich richtig Schwung kommen.” Antons Augen waren zu Schlitzen zusammengekniffen. Eindringlich schaute er mich direkt an. Ich wusste nicht was schärfer war. Sein Blick oder sein Ton.

Angriff ist die beste Verteidigung dachte ich mir und schoß in ebenso scharfen Ton zurück. “Ich könnte Euch das Zeug kistenweise auf dem Containerplatz beim L19 District abstellen. Wenn Ihr einen Weg hättet die Sachen am Zoll vorbei in die Stadt zu bringen.”

Anton  lehnte sich zurück, legte den Kopf leicht schräg und erwiderte schnippisch. “Kein Problem. Der Frachtmeister vom L19 Containerplatz gehört unserer Bewegung an. Was bei ihm auf dem Platz steht kann ohne Zoll und Deklarierung in die Stadt gebracht werden. Nur wie willst Du deine Kisten unbemerkt dorthin bringen?”

Noch während Anton sprach wurde mir heiß und kalt. Mit meinem Spruch hatte ich mich weit aus dem Fenster gelehnt. Niemals hätte ich erwartet, dass Anton den Ball aufgreifen würde den ich ihm an den Kopf geworfen hatte. Husky hatte mir zwar einen Weg gezeigt wie ich unbemerkt in den Containerbereich fliegen konnte, doch ohne großes Schiff war es nicht möglich den Plan umzusetzen. Und ich hatte kein großes Schiff. Eine Blöße wollte ich mir aber auch nicht geben. Den Bluff musste ich aufrecht erhalten.

“Ich kenne eine Möglichkeit mit einem Schiff unbemerkt im Containerbereich zu landen.” Meine Stimme klang sicherer als ich mich fühlte. Mir blieb nur zu hoffen, dass Anton mich nicht durchschaute.

“Und wie soll das gehen? Das Radar der Anflugkontrolle wird dich erfassen. Du kommst da nicht hin ohne entdeckt zu werden. Auch mit einem super stealth Schiff nicht. Und selbst wenn das Radar dich nicht erfasst, entgeht es nicht den vielen Augen in Lorville. Irgendjemand wird auffallen wenn im Containerbereich ein Schiff steht dass da nicht hingehört und es melden. Hurston hat überall seine Spitzel.”

Betont gelassen trank ich meine Whiskey-Cola aus, stand auf und lehnte mich hinab zu Anton. “Sorg Du für den sicheren Abtransport vom Containerbereich und lass die Lieferung meine Sorge sein.” 

Ohne ein weiteres Wort verließ ich die Bar. Die Luft im Freien war anders, aber nicht besser. Statt Rauch und Alkohol lag Staub und Dreck in der Luft. Mit einem Stöhnen lehnte ich mich auf ein Geländer. Wo hatte ich mich nur hinein manövriert. Ein tiefer Abgrund lag vor mir. Wie tief er war wurde mir jenseits des Geländers vor Augen geführt. Ich schaute direkt in einen der großen Schächte von Lorville. Bodenlos reichte er hinab. Auf der gegenüberliegenden Seite des Schachts war der Eingang vom Krankenhaus. Wenn meinen großmundigen Worten jetzt keine Taten folgten, würde ich mit etwas Glück dort aufwachen. Mit weniger Glück irgendwo draußen in der Savanne von Hurston. Hustend ließ ich den Kopf hängen und blickte wieder in den Schacht. Dort unten stand auf einer Landeplattform ein orangener MPUV Transporter. Ein Gedanke der sich vor ein paar Tagen in meinem Kopf eingepflanzt hatte blühte wie eine Blume auf. Ich erinnerte mich an den Transport zur Nordlicht Eins in einem MPUV. Das war es, das war ein Teil der Lösung. Erleichtert ließ ich meinen Kopf in den Nacken fallen. Über mir war ein sternenloser nachtschwarzer Himmel. Dann brannte etwas in meinem Auge. Einer der seltenen Regenfälle auf Hurston setzte ein. Die Regentropfen waren mehr Dreckklumpen als Wasser und schmerzten auf der Haut. Ich zog mir die Jacke über den Kopf und lief schnellen Schrittes zurück zu den Schlafquartieren.

*****

Am nächsten Tag kaufte ich mir bei New Deal einen MPUV Transporter. Das MPUV würde keine Aufmerksamkeit erregen wenn es im Containerbereich landen würde. Es war groß genug für jede Menge Kisten, dabei klein genug um in einem großen Schiff transportiert werden zu können. Aber genau hier war der Hacken an der Sache. Ich hatte nach wie vor  kein großes Schiff. Vorerst musste ich weiterhin mit der Dragonfly die Waren vom Rabbit-Hole nach Lorville bringen.

Also zog ich wieder mit meinem Rucksack los. Auf dem Weg zum  Perimeter Gate rannte ich gedankenversunken in eine andere Person. Es war Hermieoth. Er wollte gerade sein Hover Quad holen. Wir beschlossen gemeinsame zu fahren. Weit kamen wir jedoch nicht. Hermieoths Quad blieb liegen. Während er versuchte sein Fahrzeug zu reparieren sprach ich ihn auf die Free Riders of Stanton an. Zu meiner Überraschung kannte er den Biker Club nicht nur. Hermieoth, der rechtschaffene Mitarbeiter der Yellowhand Security, war Mitglied bei den Free Riders of Stanton. Ein Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen. Allerdings distanzierte er sich von harten Drogen und anderen kriminellen Aktivitäten. 

“Die Free Riders hatten sich doch zum Ziel gesetzt den unterdrückten Arbeitern auf Hurston zu helfen. Das geht nicht auf legale Weise. Wir müssen Sachen nach Lorville schmuggeln.” Gespannt wie ein Bogen schaute ich Hermieoth an. Wie würde er darauf antworten.

Seine Antwort kam in gewohnt ruhiger Art. “Na das kommt immer darauf an was geschmuggelt wird.” 

“Sachen für den täglichen Bedarf die den Arbeitern helfen. DMC Hosen zum Beispiel. Die kannst Du überall im Stanton System kaufen. Nur auf Hurston sind die verboten.”

“Da sehe ich kein Problem wenn so etwas nach Lorville geschmuggelt wird. Solltest Du mal ein großes Schiff benötigen, sag mir bescheid.”

Es verschlug mir die Sprache. Damit hatte ich nicht gerechnet. Hermieoth war die Lösung für mein Schmuggelproblem. Aufgeregt erzählte ich ihm wie Husky im Container Bereich von Lorville gelandet war ohne vom Radar entdeckt zu werden und von meinem MPUV.

“Du kein Problem. Das machen wir wie von Dir geplant. Eine Liberator wäre ideal für den Transport eines anderen Schiffes. Dummerweise steht meine, die ‘Pentragon’, gerade nicht zur Verfügbar. Deine MPUV bekommen wir aber auch in die Starlifter rein die ich als Ersatzschiff habe. Die Verladung möchte ich allerdings im Orbit machen.” Hermieoth strahlte eine Ruhe und Gelassenheit aus die mich ansteckte.

*****

Das MPUV landete ich direkt neben den Containern im Rabbit-Hole. Es war windstill, die Bedingungen für das Beladen waren gut. So viel wie möglich quetschte ich in den kleinen Transporter. Mit jeder Kiste die ich verlud wuchs meine Begeisterung. Monate hätte ich mit Rucksack und Dragonfly gebraucht um so viel nach Lorville zu bringen wie ich jetzt in den Frachtraum packte. Es war perfekt. Auch meine Tarnung passte.Ich hatte bereits den Arbeitsanzug an, den ich von den Technikern aus dem Bunker erbeutet hatte. Zusammen mit dem MPUV gab ich in dem Outfit das perfekte Bild eines offiziellen Technikers von Hurston ab. Niemand würde Verdacht schöpfen wenn er mich hier oder im Containerbereich sehen würde. 

Im Orbit von Hurston war das Rendezvous mit Hermieoth. Vorsichtig manövrierte ich das MPUV durch die geöffnete Heckrampe in die Starlifter. Viel Platz war nicht. Zentimeter für Zentimeter tastete ich mich voran. Hermieoth stand im Frachtdeck und wies mich ein. 

Dann kam sein Kommando. “Passt. Triebwerke abstellen.” 

Die große Heckrampe schloss sich. Das MPUV mit den Waren für Lorville war sicher in der Starlifter geparkt. Der erste Teil war geschafft. Der schwierige kam erst noch.

“Ich fliege nach Lorville und fordere ganz normal eine Landegenehmigung an, richtig”, fragte Hermieoth.

“Ja genau. Kurz über dem Hangar fliege ich mit dem MPUV aus der Starlifter raus. Dann bin ich ich unter dem Radar und kann unbemerkt zum Containerbereich fliegen. Die Flugkontrolle bekommt so nichts mit von dem zweiten Schiff.”

Die Worte hörten sich so einfach an. Dabei verschwieg ich, dass ich so etwas noch nie gemacht hatte. Ich hatte keine Ahnung ob ich es wirklich schaffen würde. Ob ich den richtigen Weg durch die Radar Lücke finden würde. Es gab nur eine schmale Stelle an der man unbemerkt zum Containerbereich L19 fliegen konnte. Husky hatte mir die Stelle gezeigt. Allerdings flog ich damals das Mutterschiff und konnte nur aus der Ferne beobachten wie Husky zusammen mit Brubacker durch die Radar Lücke flog.

Dann war der Moment der Wahrheit gekommen. Die Heckrampe der Starlifter öffnete sich und gab den Blick frei auf den L19 District. Beim Anblick der roten Rohre und dem Wohnblock der wie ein gigantischer Containerkran aussah bekam ich weiche Knie. Würde der Plan wirklich aufgehen? Mit einem Zischen schloss sich die Cockpit Tür des MPUV. Es gab kein zurück mehr. Langsam flog ich rückwärts aus der Starlifter. Hermieoth verschwand mit dem großen Frachtschif unter mir im Hangar. Mein MPUV schwebte alleine wie ein kleiner orangener Punkt über der unendlich wirkenden Betonfläche vom Teasa Spaceport. 

Etwas verloren schaute ich aus dem Cockpit. Wo war ich, wo musste ich hin? Dann fiel mir das Gebäude auf das ich mir als Wegpunkt gemerkt hatte. Ich setzte Kurs und flog so tief wie möglich die unsichtbare Lücke im Radarschirm an. Jeden Augenblick rechnete ich damit, dass ich erfasst und der Autopilot die Steuerung übernehmen würde. Der Wohnbereich vom L19 kam näher. Die Aussichtsplattform von der man eine gute Sicht auf den Spaceport hatte war schon deutlich zu erkennen. Ich steuerte nach rechts und flog über das alte Landepad auf dem Husky gelandet war. Das MPUV glitt nur wenige Meter zwischen zwei Gebäuden durch. Dann waren unter dem kleinen Transporter Container zu sehen. Hoch wie Häuser türmten sie sich auf. Direkt neben dem Verwaltungsgebäude und den Containern setzte ich zur Landung an. Das orange MPUV war im Vergleich nicht viel mehr als ein Blatt im Wald das im Herbst sanft zu Boden sank.

Dann Bodenkontakt, die Triebwerke verstummten. Eine gefühlte Ewigkeit blieb ich bewegungslos sitzen. Meine Gefühle schwankten zwischen Erschöpfung und Jubel. Ich hatte es geschafft.