Log #249 – Kalte Nachforschungen

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Die Suche nach dem Datenstick brachte mich an dunkle Orte und in bittere Kälte.


“Was war denn da los?”, fragte Gerald stirnrunzelnd.

“Keine Ahnung. Ich war mir sicher, dass das Raumschiff voll getankt war.”

“Die Citizens for Prosperity waren auf jeden Fall nicht begeistert, dass ihr Raumschiff im tiefen Weltall liegen geblieben ist. Aber Du hast die Gelegenheit, es wieder gut zu machen. Sie haben die Rust Society angefragt wegen einem heiklen Transportauftrag von Jackson’s Swap zur Ruin Station. Raumschiff stellen sie.”

Ich fragte mich, warum die Citizens for Prosperity etwas zur Ruin Station lieferten. Aber ich stellte keine Fragen. Viel wichtiger war, dass sich dadurch die Gelegenheit ergab, in offiziellem Auftrag Ruin Station zu betreten. Es war eine gute Möglichkeit dort nach dem Datenstick zu suchen, den die Xenothreat aus der Zeus von Brubacker genommen hatten. Zu meiner Überraschung bekam ich wieder eine Zeus. Ob es die gleiche war, mit der ich liegen geblieben war

Ein wunderschöner, fast wolkenfreier Wüstentag erwartete mich, als ich in Jackson’s Swap ankam. Die Siedlung lag idyllisch zwischen zwei monumentalen Felsformationen. Eine Idylle, die trüben konnte. Immer wieder gab es hier Gefechte. 

Nach der Landung ging ich in den örtlichen Shop. In Jackson’s Swap hatten sie gute funktionale Kleidung, die für das Leben in den Grenzgebieten geeignet waren. Und manchmal gab es kleine interessante Fundstücke. Die Verkäuferin wickelte einige meiner neu erstandenen Sachen in Zeitungspapier ein. Beim Blick auf die Zeitung wurde ich stutzig. Es war eine Ausgabe des Flatcat Magazins, das auch in Grim Hex erschien. In einem Artikel ging es um TYR, dem PMC von Kjeld Stormanson.

“Woher hast Du die Zeitung?”, fragte ich sie.

“Auf Monox ist ein Raumschiff abgestürzt. Ich glaube, es war ein Schmugglerschiff. Die Schrottsammler, die das Wrack ausgeschlachtet hatten, haben eine ganze Kiste voll mit dieser Zeitung mitgebracht. Gutes Verpackungsmaterial, sonst für nichts zu gebrauchen.”

Ich bedankte mich, lud die Auftrags-Fracht in mein Raumschiff und machte mich auf den langen Weg zur Ruin Station. Unterwegs schaute ich mir die Artikel im Flatcat Magazin genauer an. Neben den üblichen Berichten über Skandale und Ausbeutung gab es interessante Anzeigen in denen nach Personal gesucht wurde. TYR suchte für die Fernspähaufklärung neues Personal, ebenso irgendwelche Raumnotretter die ihren Sitz in Orison hatten. Und es wurden freiwillige Helfer für eine humanitäre Organisation namens Overshield gesucht. Navaja war die Kontaktperson. Er hatte damals nach dem öffentlichen ENOS Test bei Harpers Point Hilfslieferungen für die gebeutelte Siedlung organisiert, die ich dann ausgeliefert hatte. Ich schickte Navaja direkt eine Nachricht.

Nach der Ankunft auf der, von den Xenothreat kontrollierten Raumstation, lud ich erstmal die Container aus und begab mich dann auf den Markt um nach Informationen über den Datenstick zu suchen. Sollte es hier wirklich ähnlich zugehen wie auf dem Grand Barter Bazaar in Levski, dann würde irgendein Suffkopf irgendetwas wissen und ausplaudern. Diese Märkte waren der ideale Ort, um Geschichten über Geheimnisse zu hören.

Gemütlich schlenderte ich zwischen den Marktständen umher, trank hier und da etwas und hörte den Marktschreiern und Gästen zu. Es war ein wildes Getümmel, aber doch irgendwie gedämpft. Nach einer Weile traf ich einen Mann, der auf der Suche nach einem Schmuggler war. Wir kamen schnell ins Gespräch und ich bot ihm meine Dienste an. Er versuchte gar nicht erst, leise oder unauffällig mit mir zu reden. Es war, als würden wir ein ganz normales Geschäft machen. Und so war es auch hier auf Ruin. Schließlich schickte er mich in ein Hinterzimmer des Waffenladens.

Der Raum war dunkel und muffig. Es roch nach Schweiß, Alkohol und Drogen. Der Ort war ein Symbol für Geheimnisse und dunkle Geschäfte. Auf einem Tisch standen mehrere Päckchen mit Drogen, auf dem Boden lagen in Folie eingeschweißte Pakete, die zum Versand bereit lagen. Eines davon sollte ich zur Orbituary Station im Orbit des Planeten Bloom bringen.

Wenige Meter vom Tisch entfernt standen auf einer erhöhten Ebene mehrere durchgesessene Sofas um einen Tisch herum. Auf den Sofas saß eine Gruppe finster dreinblickender Gestalten, die sich intensiv unterhielten. Sie schienen über etwas uneins zu sein. Ich gab vor, mit den Drogenpäckchen beschäftigt zu sein und versuchte zu lauschen. Schnell war klar, dass die Gruppe zu den Xenothreat gehörte und das Gespräch nicht für fremde Ohren bestimmt war. Wenn sie merken würden, dass ich lausche, wäre das mein Ende. Aber ich konnte nicht einfach gehen, das, was ich hörte, war zu wichtig.

Mein Herz raste. Langsam nahm ich mit zitternden Händen ein Päckchen aus einer Schale, um es in eine andere zu legen. Vor lauter Konzentration auf das Gespräch, hätte ich es fast neben den Tisch fallen lassen. Die Gruppe sprach von einem Generalschlüssel, der ihnen überall Zugang gewährte. Über den weiteren Umgang waren sie sich uneinig. 

Plötzlich standen einige auf und kamen von der Erhöhung mit den Sofas herunter gelaufen. Einer sagte in strengem Befehlston zu den anderen.

“Solange das Problem mit der unkontrollierten Verbreitung nicht gelöst ist, bleibt die Software auf Terminus.”

Dann schaute er zu mir und raunte mich an. 

“Und Du, steh da nicht so nutzlos rum. Bring die Drogen an ihren Bestimmungsort.”

Mit gesenktem Kopf nahm ich das Paket und verließ das Waffengeschäft. Eines war klar, die Gruppe hatte über den Virus gesprochen, der sich auf dem Datenstick befand. Der Virus, der Sicherheitssysteme umging und den ich haben wollte. Ich musste nach Terminus.

Terminus, der äußerste Planet des Pyro-Systems. Eine kalte, unwirkliche Welt. Es gab zwei Siedlungen, die unter der Kontrolle der Xenothreat standen. Beide waren aktuell auf der Nachtseite. Als ich die erste anflog wurde ich sofort mit Raketen und Geschützten beschossen. Es wäre auch zu einfach gewesen, wenn ich dort hätte laden können. Es blieb nur der Weg zu Fuß in die Siedlung. Allerdings war die Nacht auf Terminus wirklich Nacht. Auf diesem Planeten war der Tag schon nicht richtig hell, aber die Nacht war stockdunkel. Es war kaum eine Hand vor Augen zu sehen, ich musste warten, bis es etwas heller wurde. Ein ganzes Stück entfernt von der Siedlung landete ich und wartete bis zum Morgengrauen.

Mit dem ersten Licht des Morgens flog ich so Nahe wie es ging im Tiefstflug an die Siedlung heran und landete im Schutz eines Kraters auf einer Eisfläche. Hoffentlich war das Eis stabil genug. Dann machte ich mich zu Fuß auf den Weg zu der vier Kilometer entfernten Siedlung.

Es war bitterkalt. Die Temperatur betrug -168 Grad Celsius. Vor mir ging der weit entfernte Stern Pyros auf. Er war nicht viel mehr als eine kleine weiße Scheibe. Im Gegenlicht sahen die Felsformationen aus wie schwarze, versteinerte Fabelwesen aus der Hölle, die jeden Moment erwachen und über einen herfallen könnten. Doch der aufgehende Stern brachte keine Wärme. Es blieb eisig. Meine Beine wurden schwerer und schwerer. Sie waren steif wie Stahl. Jeder Schritt schmerzte. Die Kälte kroch immer tiefer in meine Rüstung und griff mit eisigen Händen nach meinem Körper und meinem Geist. Mein Blick trübte sich.

Ich war erst 800 Meter weit gekommen und schon fast im Delirium. Es gab keine Chance, die Siedlung zu erreichen. Ich musste umkehren und zum Raumschiff zurückkehren. Aber mein unterkühlter Körper versagte. Zweifel kamen auf, ob ich es schaffen würde.

Mit schweren Schritten schleppte ich mich zurück. Ich wusste nicht, ob meine Augen oder mein Visier eingefroren waren, jedenfalls konnte ich das Raumschiff kaum noch sehen. Irgendwann verlor ich den Halt und rutschte aus. Mit einem dumpfen Aufprall landete ich auf meinem Hintern. Ich saß auf einer Eisfläche und war zu schwach, um aufzustehen. Bilder der Wüste zogen an mir vorbei. Bilder von Sand und kräftiger Sonne. Bilder, die Wärme spendeten.

Dann erinnerte ich mich, dass ich auf einer Eisfläche gelandet war. Mit letzter Kraft kroch ich auf allen vieren weiter, bis ich mit den Händen ein Landegestell berührte. Ich hatte die rettende Zeus erreicht.

Am ganzen Körper zitternd legte ich mich ins Bett unter die Decke. Um die Siedlung zu erreichen, brauchte ich einen Kälteschutzanzug oder ein geschlossenes Bodenfahrzeug. Beides hatte ich nicht. Für einen Bodeneinsatz auf diesem eisigen Planeten war ich nicht vorbereitet. Vorerst blieb mir nichts anderes übrig, als die Drogen zur Orbituary Station zu bringen.

In diesem Moment kam eine Nachricht von Gerald. Ich sollte ein paar Container von Canard View auf Terminus abholen und zur Orbituary Station bringen. Der Auftrag kam genau zum richtigen Zeitpunkt. Er gab mir einen offiziellen Grund, nach Orbituary zu fliegen, und niemand würde dumme Fragen stellen.

Auch in Canard View war es bitterkalt. Ein eisiger Nebel hing in der Luft. Es sah aus, als wäre die Atmosphäre gefroren. Neben meiner Zeus standen noch zwei weitere Transportschiffe in der Siedlung.

Während ich die Container belud, tauchte ein Typ auf. Wahrscheinlich einer der Frachterpiloten. Doch anstatt zu seinem Raumschiff zu gehen, packte er mit seinem Traktorstrahl einen meiner Container. Das konnte doch nicht wahr sein. Wollte der Typ meine Fracht klauen? Ich war gerade dabei, den Container, den er bewegte, mit meinem Traktorstrahl zu erfassen, als er ihn vor der Laderampe meiner Zeus absetzte. Dann ging er zu seinem Raumschiff. Verdutzt blickte ich ihm hinterher. War das jetzt wirklich ein hilfsbereiter Mensch? Kaum vorstellbar in Pyro. Oder wollte er den Container klauen und hatte gesehen, dass der Inhalt nicht sehr wertvoll war?

Während ich dem Typ nachsah, fiel mir eine Drake Mule, ein kleines geschlossenes Bodenfahrzeug, auf. Genau das, was ich brauchte. Ohne lange zu überlegen, fuhr ich die Mule in den Frachtraum meiner Zeus. Unverhofft hatte ich eine weitere Chance, die Siedlung der Xenothreat zu erreichen. Doch vorher wollte ich die Fracht und die Drogen zur Orbituary Station bringen.

Allerdings liefen die Dinge auf Orbituary etwas anders als erwartet. Zuerst überraschte mich der Ort, an dem ich das Drogenpaket abgeben musste. In einem Regal lagen jede Menge Pakete mit unterschiedlichen Drogen und das direkt am Eingang zu den Habs. Es sah aus wie ein öffentliches Bücherregal, in dem man Bücher tauschen konnte. Und für mich sah es aus wie eine Option für weitere Schmuggelgeschäfte.

Und dann gab es Ärger mit den Citizens for Prosperity. Sie waren nicht nur sauer wegen der Einschusslöcher in der Zeus. So richtig angepisst waren sie, weil ich die Mule in Canard View mitgenommen hatte. Sie wurde mir sofort wieder weggenommen.

Der Datenstick war erstmal außer Reichweite. Ohne passende Ausrüstung hatte ich keine Chance, die Siedlung der Xenothreat zu erreichen. Alles was ich brauchte, alles was mir helfen konnte, war im Stanton System. Ich musste zurückfliegen und mich besser vorbereiten.