Log #222 – Wettkämpfe

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Kontrahenten im und neben dem Ring trafen aufeinander. Eine aufgeheizte Stimmung drohte zu explodieren.


Ich stand oben auf der Empore des Frachtraums der Starfarer. Ein beißender Geruch mit einer Note aus Bier und Schweiß lag in der Luft. Unten im Frachtraum umkreisten sich zwei Männer mit nacktem Oberkörper. Immer wieder schlugen sie mit den Fäusten aufeinander ein. Um die Kampfarena herum standen mehrere zwielichtige Gestalten mit Bierflaschen in der Hand. Und mittendrin ein schmieriger Typ mit langen Haaren und Schnurrbart, der als Ringrichter um die Kämpfer herumhüpfte. Anatol Annal, der Veranstalter von ‘The Cage’, einem Boxkampf mit einfachen Regeln:

Keine Waffen, keine Rüstungen. Nur rohes Fleisch und rohe Gewalt. Wer in den Käfig steigt, will Blut sehen.

Neben mir stand Xine, den ich erst kürzlich kennengelernt hatte. Beide waren wir der VIP-Einladung als Zuschauer gefolgt und schauten gemeinsam den Kämpfen zu. Mir war schleierhaft, warum man freiwillig aufeinander einschlug, bis einer auf dem Boden lag. Dass Ray Keaton als Kämpfer angetreten war, überraschte mich jedoch nicht. Diese Art des Zeitvertreibs passte zu ihm. Trotzdem war ich nicht erfreut ihn zu sehen und versuchte, ihm aus dem Weg zu gehen. Ich konnte nur hoffen, dass er nicht auf die Idee kam, einen Zuschauer anzugreifen. Die Gefahr schwebte wie eine dunkle Wolke über mir, wie immer, wenn Ray Keaton auftauchte. Wenigstens war die Versorgung gut. Mr. Hide erwies sich als guter Ausrichter, genau wie bei der Party, bei der wir vor einiger Zeit eingeladen waren

Erneut ging einer der Kämpfer zu Boden und wurde von Dr. Van Dull, dem Arzt von der Piratenstation GrimHex behandelt. Auch ein merkwürdiger Typ, von dem man nicht wusste, ob er wirklich Arzt war. Was konnte da schon schief gehen. Anatol kürte den Sieger und rief die nächsten Kämpfer in den Ring. Es waren Ray und Hermieoth.

Dies war der Augenblick, in dem ich meine Grundsätze über Bord warf. Meine Zurückhaltung, mein Bestreben nicht aufzufallen und unter dem Radar zu bleiben, war plötzlich wie weggewischt. Es war die Gelegenheit, bei der Ray so richtig eins auf die Mütze bekommen konnte. Zudem war Hermieoth mein Freund. Zwei Gründe laut zu werden und Hermieoth anzufeuern. Es half nichts, Hermieoth verlor den Kampf. Und zu allem Übel hatte ich Ray damit provoziert. Aggressiv schleuderte er seine Worte zu mir nach oben.

“Zero, komm runter und kämpfe statt da oben nur dumme Sprüche zu machen!”

“Ich bin doch nicht bescheuert. Wenn ihr Eure Gesichter demolieren wollt, ist das Eure Sache. Da halte ich mich raus”, erwiderte ich.

“Du bist ein verdammter Feigling. Los komm runter!”, schrie Ray mir entgegen.

Dann stiegen die nächsten Kämpfer in den Ring. Anatol eröffnete den Kampf, die Fäuste flogen. Ray verfolgte den Kampf und ließ verbal von mir ab. Auch ich beschloss, besser die Klappe zu halten.

Plötzlich flog eine Bierflasche an meinem Kopf vorbei und zerschellte klirrend hinter mir an der Wand. Dann eine zweite. Eine dritte Flasche flog durch den Frachtraum und landete am Kopf von einem der Kämpfer im Ring.

“Hey, wer wirft hier mit Flaschen”, rief ich in den Frachtraum.

Der getroffene Kämpfer schaute zu mir nach oben und schrie: “Das zahle ich Dir heim!”

Die Worte waren noch nicht verhallt, da war er schon die Treppen hinauf gestürmt und stand vor mir. Ein Berg von Muskeln mit nacktem, schweißbedecktem Oberkörper. Vor Schreck erstarrt, wich ich einen Schritt zurück. Der Kämpfer schubste mich und holte mit seiner Faust aus. Unfähig zu reagieren, stand ich da und erwartete einen schmerzhaften Schlag. 

Doch plötzlich ging der Kämpfer in die Knie. Als der Hüne auf den Knien war, konnte ich über seine Schultern schauen und sah Hermieoth, der ihm in die Nieren schlug. Dann tauchte eine Wache auf und beendete den Tumult. Ich war froh, dass Mr. Hide für Sicherheit gesorgt hatte und sich um das Wohl der Zuschauer kümmerte.

Der Wettkampf ging weiter. Xine, Hermieoth und ich standen weiterhin auf der Empore und verfolgten schweigend die Kämpfe. Schließlich gewann Ray Keaton das Turnier. Ich sah Hermieoth an und sagte leise:

“Ich springe über meinen Schatten und gratuliere Ray.”

Langsam ging ich mit immer noch weichen Knien die Treppe hinunter in den Frachtraum. Alle Teilnehmer und Zuschauer waren versammelt und warteten auf die Siegerehrung. An der Bar nahm ich mir eine Bierflasche und stellte mich neben Ray. 

“Glückwunsch Ray”, sagte ich und prostete ihm zu.

Verdutzt schaute ich Ray an. Er reagierte nicht, er sah mich nicht einmal an. Meine Glückwünsche ignorierte er völlig. Verärgert wand ich mich ab. Ray war und blieb ein Arsch. 

Plötzlich rief jemand:

“Wo ist denn dieser schmierige Veranstalter?”

“Der hat sich mit den Startgeldern aus dem Staub gemacht!”, rief ein anderer.

“Und hat die Siegesprämie nicht ausgezahlt. Los den schnappen wir uns”, ergänzte ein weiterer.

“Zero steckt da mit drin”, rief Ray plötzlich. “Der Veranstalter ist ein Vetter vierten Grades von Brubacker. Und Zero ist ein dicker Kumpel von Brubacker. Zero muss da mit drin stecken!”

Mir wurde heiß und kalt. Ray musste die Meute gar nicht lange anstacheln. Die Stimmung heizte sich von selbst auf und wurde immer aggressiver. Wie ein Rudel wilder Wölfe im Blutrausch rannten alle umher. Vorsichtig zog ich mich in eine dunkle Ecke zurück. Ich saß in der Falle. Die Starfarer schwebte irgendwo im Nirgendwo des Alls. Da wir keine Raumanzüge mit an Bord nehmen durften, hatte ich keine Möglichkeit, das Raumschiff zu verlassen und zu fliehen. Ich hatte nur eine kleine Pistole in meinem Mantel, die ich heimlich an Bord geschmuggelt hatte. Aber ich hatte nicht genug Munition.

Plötzlich tippte mich jemand von hinten an. Panisch drehte ich mich um. Es war Hermieoth.

“In dem Container mit den Getränken habe ich auch einen Raumanzug. Nehm Dir den und geh an Bord meines Raumschiffes. Es liegt hinter der Starfarer.”

Hermieoth hatte die Getränke geliefert und war mit seinem eigenen Raumschiff an den geheimen Standort der Veranstaltung gekommen. Wie so oft hatte er an alles gedacht. Erleichtert machte ich mich aus dem Staub.

*

Einige Tage später hatte ich eine Unterhaltung mit Xine.

“Ray Keaton, Valentin Benz und dieser Black haben Dich und den Reporter im Visier. Keine Ahnung, ob du was damit zu tun hattest, aber sehe es als nette Geste, dass ich dich Up to date halte. Ich könnte die auch auf eine falsche Spur führen und deinen Namen damit aus der Nummer holen.”

“Unbegreiflich, wie man annehmen kann, dass ich da mit drin stecke. Nur bei Ray hat das Methode. Der sucht gerne Schuldenböcke für seine Probleme und besonders gerne mich. Aber Valentin, der sollte es besser wissen”, antwortete ich.

“Anderes Thema“, fuhr Xine fort. “Ich hab mir gerade die aktuellen Jobs angeschaut. Wildstar sucht neue Rennstrecken. Ray Keaton managed das. Jetzt stell dir vor, du hast ne coole Strecke im petto, aber du hast keine Lust mit Keaton abzuhängen. Hier würde ich ins Spiel kommen. Ich nehme den Auftrag für dich an, Du machst den Job, ich hol die Bezahlung und gebe sie dir. Du bleibst unsichtbar und wirst dennoch bezahlt.”

Das war mal eine coole Idee. Ein Job über einen Mittelsmann. Quasi so wie mein erstes Geschäft mit Xine. Und ich hatte tatsächlich eine Rennstrecke im petto. Sie war illegal und gefährlich. Genau das Richtige für Wettkämpfe, an denen Ray teilnahm. Es war eine Strecke durch die Stadt-Canyons von Lorville. Ich hatte sie damals genutzt, als ich meine White-Rabbit zurück geklaut hatte

Nachdem ich die Strecke nochmal abgeflogen war, schickte ich Xine eine Beschreibung. Doch Xine schien an Ray zu verzweifeln. Er hatte Probleme mit ihm das Geschäft abzuwickeln. Selbst die Vereinbarung eines Treffens gestaltete sich schwierig. Ray stellte sich wie so oft dämlich an. Ich war froh nicht direkt involviert zu sein und keinen Kontakt mit Ray Keaton zu haben.