Ein weiterer Versuch, die Black Data zu entschlüsseln. Sollte es diesmal klappen?
Hallo Cäcilia,
Hermieoth meinte, Du wolltest direkt mit mir reden. Wie kann ich Dir helfen?
Zero
Hallo Zero,
Gut, dass Du Dich meldest.
Es geht wahrscheinlich eher darum, wie wir uns vielleicht gegenseitig helfen können.
Falls du mal Interesse an einem Gespräch unter 4 Augen hast – Wirklich nur 4 Augen – sag bitte Bescheid – du kannst auch gerne den Ort wählen.
Cäcilia
Cäcilia Abendroth schrieb nicht, was sie von mir wollte, aber nach dem gescheiterten Versuch, die Black Data zu entschlüsseln, wusste ich, worum es ihr ging. Sie brauchte die Daten der Black Data, um ihre Schwester zu finden. Wir brauchten sie, um herauszufinden, wo im Pyro-System illegal an ENOS geforscht wurde. Sie hatte die Black Data. Ich war der Einzige, der die Daten entschlüsseln konnte. Wir brauchten einander. Aber das gegenseitige Misstrauen war groß. Würde Cäcilia sich diesmal an die Abmachungen halten? Oder lief ich wieder Gefahr, direkt in eine Falle zu tappen? Ich musste von Anfang an klare Bedingungen stellen und trotzdem die Hand reichen.
Das mit den 4 Augen, ohne Deine Schoßhündchen, kommt mir entgegen. Und gegenseitig helfen klingt vernünftig. Ich hab eh das Gefühl, dass die Interessen der Beteiligten, oder sollte ich eher sagen Betroffenen, in diesem Irrsinn gar nicht so konträr sind. Ich weiß nur noch nicht, wo Du stehst. Aber lass uns das in einem ruhigen Gespräch klären.
Planet Crusader, Orison, Voyager Bar. Wäre das genehm?
Gut – ich lasse die Hündchen zu Hause und du deine Wölfchen.
Damit kann ich leben und ein klärendes Gespräch wird uns sicher helfen.
Gute Wahl die Voyager Bar.
Ich musste schmunzeln. Nach den letzten Ereignissen schien es mir vernünftig, die Wölfe von der Söldnertruppe TYR fernzuhalten. Kjeld konnte ich die Daten später geben. Und nachdem Skjulf Ulfur mir den Vitalcode von Xedan Thormento übermittelt hatte, war ich in der Lage, die Black Data ohne TYR zu entschlüsseln. Und noch eine interessante Information hatte ich von Skjulf. Er war ein Großcousin von Kjeld und ebenfalls auf der Suche nach seiner Schwester. Tjarva Ulfur war wie Marietta Abendroth eine Testperson bei ENOS und wahrscheinlich auch im Pyro-System. Das konnte im Gespräch mit Cecilia hilfreich sein. Geteiltes Leid und das gleiche Ziel waren gute Voraussetzungen, um gemeinsame Sache zu machen.
*
Cäcilia kam tatsächlich allein. Das Gespräch verlief überraschend entspannt und freundlich. War sie wirklich an einer Zusammenarbeit interessiert, oder versuchte sie, mich um den Finger zu wickeln? Allerdings wollte sie nicht darüber sprechen, was beim letzten Versuch, die Black Data zu entschlüsseln, passiert war. Ich hatte den Eindruck, dass sie sich nicht in die Karten schauen lassen wollte. Meinem Plan zur Entschlüsselung der Black Data stimmte sie zu meiner Überraschung zu. Wir einigten uns, den Kreis der beteiligten Personen klein zu halten. Sowohl TYR als auch ihre Schergen mussten fernbleiben. Cäcilia hatte nur einen Wunsch. Valentin Benz sollte dabei sein und es müsse sichergestellt sein, dass er die Black Data wieder mitnehmen könne. Nachdem wir den Fauxpas von Valentin FROS intern geklärt hatten, war ich damit einverstanden. Aber ein ungutes Gefühl blieb. Ich musste Vorkehrungen treffen für den Fall, dass Cäcilia ein falsches Spiel spielt.
*
Die Lüftung brummte. Durch das Fenster war der Gasriese Crusader zu sehen. Hermieoth, Husky und ich standen in der Messe der Carrack. Brubacker war aus seiner Redaktion per Funk zugeschaltet. Ein letztes Mal gingen wir den Plan durch.
“Hermie, Du fliegst mit der Pisces nach Orison und holst Cäcilia ab. Valentin und die Black Data, sonst darf nichts und niemand mit an Bord. Auch keine Waffen. Falls irgendwas anders läuft als vereinbart, ist Dein Abbruchcode Sonnenschein.
Husky, sobald die Pisces im Hangar gelandet ist, geb ich Dir das Signal. Dann startest Du mit nicht vorhersehbaren Zick Zack Quantumsprüngen. Immer in Bewegung bleiben. Falls Cäcilia einen Peilsender hat, dürfen wir ihren Leuten keine Chance geben, uns abzufangen.”
“Wenn was schief läuft, geb das Abbruchsignal. Dann springe ich die nächstgelegene Raumstation an. Wir sollten aber nicht zu früh abbrechen und es endlich schaffen, die Black Data zu entschlüsseln”, ergänzte Husky.
“Dann wollen wir mal.” Hermieoth klatschte in die Hände und machte sich auf den Weg.
Endlose Minuten vergingen, in denen mir alle möglichen Szenarien durch den Kopf gingen, die schief gehen könnten. Lediglich eine leise Stimme in mir sagte, dass Cäcilia ehrlich sei. Dass sie ohne weitere Komplikationen die Daten wollte. War es naiv, das zu glauben?
Schließlich kam die Pisces zurück. Ich stand am Kontrollpult und schaute durch die Scheibe in den Hangar der Carrack. Mit lautem Poltern öffnete sich das Hangartor. Der schwache Schein von Millionen Sternen flutete den Hangar. Langsam gleitete das Shuttle in die Landebucht. Wie vereinbart landete Hermieoth so, dass ich direkt auf das Heck der Pisces schauen konnte. Kaum war sie gelandet, gab ich Husky das Signal.
Eine gefühlte Ewigkeit schaute ich auf die geschlossene Heckrampe der Pisces. Über den Funk hörte ich, dass im Shuttle diskutiert wurde. Was ging da vor? Warum brauchten sie so lange? Dann öffnete sich die Heckrampe. Als erstes kam Cäcilia aus dem Shuttle, gefolgt von Valentin. Er trug die gleiche grüne Jacke wie Cäclila. Und er hatte einen großen roten Kasten in den Händen. Hermieoth stieg als letztes aus. Ich starrte noch eine Weile in die Pisces. War sie wirklich leer? Versteckten sich darin keine weiteren ungebetenen Gäste? Es schien so, als hätte sich Cäcilia wirklich an die Abmachung gehalten. Trotzdem blieb ein Gefühl der Unsicherheit.
Während ich unsere Gäste in die Messe begleitete, sagte ich zu Valentin.
“Was zum Teufel ist das für ein großes Ding? Ich hatte einen kleinen Chip erwartet.”
“Die Kiste ist stabiler”, brummte er. “Und sind wirklich keine Wölfe an Bord?”
“Das Geheul hätte ich schon längst gehört”, frotzelte Cäcilia.
Sie verbreitete eine gute Stimmung. Meine Bedenken schmolzen langsam dahin. Sollte die Aktion wirklich ohne Zwischenfälle verlaufen?
“Stell den Kasten auf den Tisch, direkt neben das Datenpad”, sagte ich zu Valentin, als wir die Messe erreichten.
Zu viert standen wir um den Tisch und begutachteten den großen roten Kasten. Das war sie also, die Black Data. Das Objekt der Begierde. Welche Geheimnisse würden wir ihr entlocken?
“OK Leute”, ergriff ich das Wort. “In der Kiste da sind Getränke und was zum Essen. Bedient Euch. Dann mach ich mich mal an die Arbeit.”
Valentin holte sich sofort ein Bier. Ich nahm das Datenpad und startete die Entschlüsselungsequenz.
“Ich starte einen Livestream. Auf Eurem Mobiglas könnt Ihr sehen, was ich auf dem Datenpad sehe. Ich bin also völlig transparent und werde Euch nichts vorenthalten.”
Der Livestream war auch unsere Absicherung, falls Cäcilia und Valentin versuchen sollten, uns die Daten wegzunehmen. Brubacker empfing ihn in seiner Redaktion und zeichnete alles auf. Nach einigen Minuten war es soweit und wir sahen die Daten.
Im ersten Abschnitt war beschrieben, wie wir den Erfolg des öffentlichen ENOS Test hätten verhindern können. Diese Informationen kamen für uns zu spät. Nach dem erfolgreichen Test unterstützte Microtech die ENOS Forschung. Dadurch bekam auch Professor Usagi in Pyro die Mittel, die er für seine illegale ENOS Forschung benötigte.
Im zweiten Abschnitt waren Hinweise auf die Standorte der Labore und der Testpersonen in Pyro. Einige Testpersonen wurden an einen anderen Standort auf Pyro III oder direkt zum Hauptlabor verlegt. Darunter waren auch Marietta Abendroth und Tjarva Ulfur.
Als Cäcilia die Daten durchgelesen hatte, musste sie den Raum verlassen, um sich zu übergeben. Eine wilde Diskussion über die Informationen entbrannte.
“Und wie hilft uns das jetzt weiter?”
“Auf jeden Fall ein weiterer Beweis, dass ENOS nicht nur ein Heilmittel ist, die Forschung in Pyro stattfindet und auch Marietta dort ist. Und wir haben eine Eingrenzung, wo wir in Pyro mit der Suche anfangen müssen.”
“Ich sehe keine Beweise, nur einen Text”, polterte Valentin. Er blieb skeptisch und glaubte unseren Erkenntnissen nicht.
“Wir haben einige Informationen, die zeigen, dass ENOS eine gefährliche Waffe ist. Und dann noch die ganzen Toten, die den Weg von ENOS säumen. Da steckt mehr dahinter als nur ein Heilmittel.”
“Welche Informationen? Welche Toten? Wir haben keine gesehen. Wenn TYR noch weitere Informationen hat, sollten die besser nicht zurückhalten werden”, schimpfte Valentin.
Da war es wieder, das Misstrauen zwischen zwei Fraktionen, die unterschiedliche Ansichten über ENOS hatten. Die Familie Abendroth, die in ENOS ein Heilmittel sah, und wir. Für uns war ENOS eine gefährliche Waffe. Ich befürchtete, dass die bisher friedliche und kooperative Situation entgleisen könnte, dass die gegensätzlichen Ansichten zu weiteren Konflikten führten. Wir mussten einen gemeinsamen Weg finden.
“Es wäre wirklich gut, wenn wir alle Informationen zusammen legen und künftig zusammenarbeiten. Wir müssen aber unser Misstrauen überwinden.Unsere Ziele sind gar nicht so unterschiedlich. Ihr sucht eine Schwester und auch TYR sucht eine Schwester. Ich werde mit Kjeld reden und ihm einen Informationsaustausch vorschlagen.”
Cäcilia stimmte dem zu.
“Das wäre wirklich gut. Und ich bin froh, dass wir die Black Data ohne Komplikationen entschlüsseln konnten. Warum hat das nicht gleich geklappt?”
Als Hermieoth Cäcilia, Valentin und die Black Data nach Orison zurückbrachte, hatte ich den Eindruck, dass eine zarte Pflanze des Vertrauens gewachsen war. Wir mussten aufpassen, dass wir diese nicht gleich wieder zertrampelten.
*
Einige Tage später traf ich mich mit Kjeld und übergab ihm die Daten von der Black Data.
“Haben wir eine Chance, die Unterstützung, die nach Pyro fließt zu kappen?”, fragte ich ihn.
“Professor Usagi hat eine Pipeline nach Stanton. Das Drogenkartell Forgotten15 hatte ihn mal unterstützt und müsste die Pipeline kennen. Allerdings verstecken die sich irgendwo in den Bergen von Microtech. Hast Du nicht mal Drogen nach Microtech geschmuggelt? Evtl. finden wir über die Schmuggelwege einen Weg zu den Forgotten15.”
“Ich schau mal, dass ich meinen Schmuggel nach Microtech reaktiviere. Und rede Du mit Cäcilia und teile alle ENOS Informationen mit ihr. Das gegenseitige Misstrauen muss aufhören. Wir blockieren uns nur.”
Seit ich in Klescher war, habe ich keine Drogen mehr geschmuggelt. Aber ich wusste, wo ich hin musste. Im Auftrag von Wallace Klim hatte ich damals die Drogen nach Microtech geschmuggelt. Es war verrückt. Ich hatte einen anständigen, legalen Job bei Crusader Industries. Ihr Neuanfangsprogramm verschaffte mir einen guten Ruf im Stanton-System. Und jetzt begab ich mich wieder auf die illegale Seite. Ich tanzte auf zwei Hochzeiten und begann, zwei Leben zu führen. Ich war auf dem Weg zu einem Doppelleben. Aber ich musste es tun. Ich musste ENOS stoppen. Die Gefahr war zu groß, dass ENOS gegen die freien Völker eingesetzt wurde. Gegen mein Volk. Und wenn es keinen legalen Weg gab, ENOS zu stoppen, dann musste ich einen illegalen Weg gehen.