Log #207 – Verwirrungen um ENOS

with Keine Kommentare

Täuschungen und Verwirrungen. Die Ermittlungen zu ENOS eskalierten.


Einige Wochen waren vergangen seit der Aaron-Halo-Konferenz, seit der Zusage von Cäcilia Abendroth, einen Ort zu bestimmen, an dem ich in Anwesenheit von TYR und Abendroth die Black Data entschlüsseln sollte. Schließlich kam die Nachricht von Valentin Benz. Das Treffen sollte auf dem Planeten Hurston stattfinden, an einem Ort namens Weeping Cove. Er hätte die Black Data und würde mit mir zusammen zum Treffpunkt fliegen. Hurston, ausgerechnet Hurston. Der Planet, auf dem ich am allerwenigsten sein wollte. Kjeld schickte drei Söldner zu meinem Schutz. 

Kurz vor dem Abflug gab es einige Verwirrung. Die Söldner von TYR flogen unabhängig zum Treffpunkt anstatt mit mir gemeinsam. Und Valentin hatte die Black Data doch nicht. Er meinte, Cäcilia würde sie nicht rausrücken und persönlich kommen.

Beim Anflug auf Hurston waren die Verschmutzungen schon aus dem Orbit zu erahnen. Die Landmasse war braun, kein Grün war zu sehen. Selbst die vereinzelten Wolken hatten einen schmutzig braunen Teint. Valentin navigierte mich nach Weeping Cove. Er schimpfte die ganze Zeit, was für eine Scheiße da los sei und warum TYR dabei sein müsse. Er würde diesen Typen nicht trauen.

“Mach mit den Daten auf der Black Data was Du willst. Kannst sie auch an TYR geben, ist mir egal”, bruddelte Valentin. “Aber nach dem Hack brauche ich die Kiste. Ich muss die Black Data an Vespula aushändigen.”

Vespula war berüchtigt. Sie war die Folterknechtin der Nine Tails. Eine Person, die man besser nicht verärgerte. Dann las Valentin mir ein Gedicht vor, das er von Vespula bekommen hatte. Es war schaurig schön. Ich wusste nicht, dass Poesie so bedrohlich sein konnte. Während er las, züngelnten Flammen über die Cockpitscheibe, meine Star Runner  wurde in einen Feuerball gehüllt. Wir traten in die Atmosphäre des Planeten Hurston ein.

Es waren nur noch 100 km bis Weeping Cove, als Valentin sein Mobiglas öffnete und dann sagte:

“Planänderung. Es gibt einen neuen Treffpunkt. Wir müssen nach Zephyr.”

“Ernsthaft? Was soll denn die Scheiße? Ich geb TYR bescheid.”

“Warum?!?”

In Valentins Stimme war mehr als deutlich zu hören, dass er das nicht billigte.

“Weil so die Abmachung ist. Alle sind vor Ort, wenn ich die Black Data entschlüssel.”

Über das Mobiglas schickte ich Dethilion eine Textnachricht. Seine Antwort und unser kurzer Nachrichtenaustausch waren beunruhigend.

Kurzfristige Planänderungen gefallen mir nicht. Das stinkt nach Falle. Betrachte Valentin als möglichen Feind und versuche so schnell wie möglich in unseren Schutzradius zu kommen.

Bin auf dem Weg. Valentin ist eigentlich in Ordnung. War schon öfters mit ihm  unterwegs.

Ich kenne noch seine andere Seite.

Verstohlen schaute ich zu Valentin, der mit grimmiger Miene auf dem Copiloten-Sitz saß. Ich war mir nicht sicher, welche Rolle er spielte. 

Die Mercury Star Runner tauchte in die Wolken ein. Wassertropfen rannen über die Cockpitscheibe und hinterließen schmutzige Spuren. Eine Savannenlandschaft mit vereinzelten Bäumen offenbarte sich, als wir die untere Wolkendecke durchbrachen. Ich flog extra tief in die dichteren Luftschichten, um die Höchstgeschwindigkeit der Star Runner zu reduzieren. Das verschaffte meinen Beschützern von TYR Zeit, vor uns am neuen Treffpunkt zu sein.

Plötzlich ploppten mehrere Punkte auf dem Radar auf. 

“Was ist denn da am Treffpunkt los?”, fragte ich Valentin. “ Eine Party? Das sind ja mehr Schiffe als Personen vereinbart waren.”

“Flieg einfach in die Siedlung.”

“Nein. Ich lande außerhalb. Sieben Kilometer entfernt von der Siedlung sind die Leute von TYR gelandet. Dort gehe ich runter.”

Die Stimme von Valentin wurde laut und ungehalten.

“Du fliegst sofort in die Siedlung. Du landest nicht bei TYR und die Typen kommen nicht an Bord.”

“Hey wir haben eine Vereinbarung. TYR ist mit von der Partie.”

“Zero. Ich will, dass die Sache unblutig vonstatten geht. Cäcilia will auch kein Blutvergießen.”

“Ich will auch nicht, dass irgendjemand zu Schaden kommt. Um das sicherzustellen, müssen wir mit TYR reden.”

In dem Augenblick setzte die Star Runner in einer felsigen Graslandschaft auf. Die Sonne stand tief hinter einem Hügel. Nur die halbe Kugel schaute hinter einigen Bäumen hervor. Ich schaute nach rechts zu Valentin und blickte direkt in den Lauf eines Gewehres.

“Du fliegst sofort in die Siedlung. TYR kann selber dorthin fliegen. Ich hasse mich dafür, aber ich muss das jetzt tun. Es sind Leute hinter mir her, die sind noch schlimmer als Vespula.”

Die Stimme von Valentin war ungewohnt scharf. So hatte ich ihn noch nie erlebt. War Valentin doch einer der Bösen? Oder stand er nur unter extremen Druck? 

“Val bleib ganz ruhig. Ich informiere TYR, dass es eine Verzögerung gibt.”

Ich schickte Dethilion eine Textnachricht.

Valentin bedroht mich mit einer Waffe. Er will , dass ich in die Siedlung fliege und ihr nachkommt.

Zero, wir müssen Dich da raus holen.

Jetzt hat er die Waffe weggelegt. Kommt auf unsere Funkfrequenz 189.

Valentin hatte die Waffe gesenkt. Beruhigt war ich trotzdem nicht. Er stand immer noch neben mir und schaute mich grimmig an. Ich stand vom Pilotensitz auf und ging zur Tür. Valentin raunte mich an.

“Wo willst Du hin?”

“Ich habe einen scheiß Durst. Und nach Deiner Aktion brauche ich was starkes.”

Ohne weiter auf Valentin zu achten, ging ich in den Aufenthaltsraum der Star Runner. Kaum war die Tür hinter mir zu, öffnete ich einen versteckten Zugang und verschwand in den geheimen Schmuggler-Gängen. Inzwischen waren die Söldner von TYR im Funkkreis und verhandelten mit Valentin. Auf allen vieren krabbelte ich durch die engen, rot beleuchteten Schächte, bis ich einen versteckten Zugang zum Frachtraum erreichte. Erleichtert, fast den Ausgang des Schiffes erreicht zu haben, öffnete ich ihn. Doch ich zuckte zurück. Valentin stand vor der verschlossenen Frachtrampe. Es war der einzige Ausgang aus meinem Schiff.

Was sollte ich jetzt tun? Eine Waffe holen und Valentin überwältigen? Dann hörte ich das Geräusch der sich öffnenden Laderampe. Ich ging in den Frachtraum, zwei Söldner von TYR kamen an Bord. Es waren Navaja und Dethilion. 

Wir standen im Frachtraum und verhandelten mit Valentin über das weitere Vorgehen. Eines war klar, die Partei Abendroth hatte sich nicht an die Vereinbarungen gehalten. Ganz abgesehen von der kurzfristigen Änderung des Treffpunktes, waren zu viele Leute und Schiffe in der Siedlung. Drei von Abendroth und drei von TYR waren vereinbart.

Während wir verhandelten, schickte mir Valentin eine Textnachricht. Er hätte die Info bekommen, dass TYR mich kalt machen wolle. Kurz darauf bekam ich eine Textnachricht von Dethilion. Darin stand, dass die Abendroth-Leute mich kalt machen wollten und ich unverzüglich an Bord der Redeemer von TYR gehen solle. Es wurde immer verwirrender. In meinem Kopf drehte sich alles. Wem konnte ich noch trauen? Ich entschied, dass ich nur an Bord meiner White Rabbit sicher war. Außerdem musste die Wahrheit über ENOS ans Licht kommen und dazu brauchte ich die Daten von der Black Data. Ich bestand darauf, an Bord zu bleiben.

Schließlich einigten wir uns darauf, dass Cäcilia mit einem Rover zu unserer Position kommen sollte. Doch dann stellte sich heraus, dass Darius, der Sicherheitschef der Familie Abendroth, nicht wie angekündigt da war. Stattdessen saß Ray Keaton mit Cäcilia im Rover. Ray Keaton war ein Problem, er wollte mir an die Gurgel. Auch Dethilion wusste, dass Ray eine Bedrohung war. Die Anwesenheit von Ray änderte alles.

Dethilion redete wild auf Valentin ein und überredete ihn schließlich, mit ihm zum Raumschiff von TYR zu gehen. Endlich waren alle runter von meinem Schiff. Ich schloss die Heckrampe und atmete erst einmal tief durch. Es war total verwirrend. Alles lief anders als geplant. Gerade als ich im Pilotensitz Platz genommen hatte, bekam ich eine Textnachricht von Dethilion.

FLIEG JETZT LOS! Das mit den Daten regeln wir anders.

Unfähig mich zu bewegen saß ich im Pilotensitz. Mein Körper weigerte sich, das Schiff zu starten. Ich wollte Valentin nicht zurücklassen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er kein böses Spiel spielte, sondern von anderen gelenkt wurde. Valentin gehörte auch zu den Free Riders of Stanton, genau wie ich. Er war eigentlich kein schlechter Kerl. Dachte ich zumindest. Im Funk hörte ich, wie das Gespräch zwischen Valentin und Dethilion eskalierte. Es gab Uneinigkeiten zwischen beiden, dann fiel ein Schuß. 

Dethilion hatte Valentin erschossen. Entsetzt schaute ich aus dem Cockpitfenster. Rechts neben meiner White Rabbit sah ich die Redeemer von TYR. Sie hatte die Position gewechselt. Ihre Waffen zeigten genau auf mein Schiff. Ich war schockiert und wusste nicht, was ich glauben sollte. Wer war Freund und wer war Feind? 

“Flieg los nach MIC-L2 und nehm Navaja mit.” 

Der Befehlston von Dethilion rüttelte mich auf. Unverzüglich startete ich die White Rabbit und donnerte davon in Richtung MIC-L2, ohne Navaja. Über Funk hörte ich noch, wie Dethilion versuchte, Valentin wiederzubeleben. Der Planet Hurston wurde schnell kleiner hinter mir. Als ich den Aaron Halo Asteroidengürtel durchquerte, stoppte ich und versteckte mich zwischen den Millionen Asteroiden. Ich brauchte Zeit zum Nachdenken. Ich brauchte jemanden, dem ich vertrauen konnte.

*

Es dauerte nicht lange, bis Hermieoth auf meine Nachricht reagierte und zu meiner Position in den Asteroidengürtel kam. Nach einem Besäufnis mit Brubacker war er sturzbetrunken und schwankte unkontrolliert durch mein Schiff. Ich hatte Hermieoth gerade alles erzählt, als eine Nachricht von Valentin kam. Valentins Imprint war nach seinem Ableben in einen neuen Körper transferiert worden. Ich wusste nicht, ob es eine Nachwirkung der Regeneration, oder ob er wirklich verzweifelt war. Er bot an, alleine zu mir zu kommen um die Black Data zu entschlüsseln. Notfalls nackt um zu zeigen, dass er unbewaffnet sei. 

Allerdings konnte ich die Daten nicht ohne TYR entschlüsseln. Sie waren nicht nur mit dem XiTo Code verschlüsselt, sondern auch mit einem VitalCode. Diesen VitalCode hatte TYR, das durfte ich aber niemandem sagen. In einem letzten Versuch, doch noch an die Daten zu kommen, zog ich Kjeld über Funk hinzu. Doch Kjeld lehnte nach dem Bruch der Vereinbarungen ein weiteres Treffen ab. 

Ich beschloss, erstmal im Aaron Halo Asteroidengürtel und unter dem Radar zu bleiben. Eines hatte ich allen deutlich gemacht. Sollte es einen weiteren Versuch geben, die Black Data zu entschlüsseln, dann nur unter meinen Bedingungen. Nachdem Hermieoth abgeflogen war, ging ich ins Bett.

*

Das Piepsen meines Mobiglases weckte mich auf. Es war eine Nachricht von Kjeld. Verschlafen rieb ich mir die Müdigkeit aus den Augen.

“Um die Angelegenheit friedlich zu lösen, wende ich mich an den Sicherheitschef der Abendroths direkt, sowie an GRIMA, der die Auftragslage zwischen Vespula und Valentin neu sortieren könnte, sodass dort kein Interessenkonflikt entsteht. Bei guter Kommunikation können wir die Black Data dann folgend mit den von dir geforderten Bedingungen öffnen. Für heute Abend hat Thane McMarshall mich beauftragt, bei der Beweissammlung bezüglich der illegalen ENOS Forschung zu helfen. Wir brauchen erneut einen Hacker, der uns in MIC-L2 treffen wird. Von dort brechen wir auf und hacken erstmal den Commarray, wofür wir passende Mittel gewählt haben. Am Ende stellt Thane McMarshall den Zentralcomputer der ENOS Forschungsmitarbeiter sicher, sodass wir das Kontrollsystem der Bio Bots lahm legen können und das System (Programm namens Immortalitas) nach Beweisen durchsuchen werden. Bist du mit im Boot?”

Welche Frage, natürlich war ich im Boot, wenn es darum ging, die dunklen Machenschaften hinter ENOS aufzudecken. ENOS war eine Waffe. ENOS war eine Gefahr, insbesondere für alle, die nicht zum UEE gehörten, für die freien Völker, für Menschen wie mich. Zudem vertraute ich Kjeld und ich bekam die Info, dass ein Test von ENOS an einem unheilbar erkrankten Menschen geplant war. Der Test sollte öffentlich auf Harpers Point gezeigt werden, unterstützt von der Familie Abendroth. Da versuchte jemand ENOS als Allheilmittel zu verkaufen. Das konnte doch nicht wahr sein. Für die anstehende Aktion bekam ich den Codenamen ‘Crypto’. Ich musste schmunzeln. Der Name passte.

Kjeld hatte Navaja zu meinem Schutz abgestellt. Ich traf Navaja auf der Raumstation bei MIC-L2. Wir standen am Hot Dog stand, um uns für den Einsatz zu stärken, als ich eine bekannte Stimme hörte. Es war Husky. Er war mit Ella und Hermieoth unterwegs, um Brubacker zu suchen. 

“Was ist mit Brubacker? Ist er mal wieder entführt worden?”, fragte ich scherzhaft.

“Wissen wir nicht. Aber ist nicht ausgeschlossen. Nach einem Besäufnis mit Hermieoth war er spurlos verschwunden.”

Ich erzählte Husky kurz, was am Vortag passiert war. Es stellte sich heraus, dass Ella mit der Gruppe der Abendroths in der Siedlung war.

“Wir haben alle Personen gescannt, die auf der Seite von Abendroth dabei waren und als Bedrohung eingestuft. Die stehen jetzt alle auf einer Shoot on Sight Liste”, sagte Navaja.

“Ella ist keine Bedrohung. Sie ist eine total liebe Person”, antwortete ich entsetzt.

“Dann lass uns mit ihr reden und die Sache klären.”

An Bord von Huskys Carrack trafen wir Ella und Hermieoth. Navaja hatte einige Fragen an Ella. Allerdings wurde er immer wieder von Hermieoth unterbrochen. Hermieoth war außer sich, weil Valentin von TYR erschossen wurde. Er griff Navaja ziemlich scharf an. Doch Navaja ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. In aller Ruhe versuchte er, die Vorkommnisse aufzuklären. Aber er konnte Hermieoth nicht überzeugen.

“Valentin war eine Gefahr für Zero. Er hat ihn mit einer Waffe bedroht. Wir mussten ihn ausschalten. So war das aber nicht geplant. Eine Tötung war nicht beabsichtigt. Ella sehe ich jetzt nicht mehr als Bedrohung an. Ich werde in die Wege leiten, dass sie von der Liste genommen wird.”

“Das mit Ella ist gut”, sagte Husky mit ruhiger Stimme. “Wie wir mit Valentin umgehen, müssen wir FROS intern klären.”

“Die Methoden von TYR sind überzogen. Ich kann das nicht gutheißen.” 

Hemieoth konnte nicht aufhören zu schimpfen. Schließlich beruhigte er sich etwas und ergänzte: 

“Wir fliegen jetzt nach Harpers Point. Da hab ich Brubacker zum letzten mal gesehen. Und wir wollen mal schauen, was es mit diesem öffentlichen Test von ENOS auf sich hat. ” 

Die Crew startete nach Harpers Point und Navaja bekam die Nachricht, dass wir jetzt den Comm Array deaktivieren sollen. Wir machten uns in einem kleinen Shuttle, einer Piscis, auf den Weg.

Während wir auf den Comm Array zugeflogen, stand ich an der offenen Heckrampe der Piscis und schaute hinaus in die Sterne. Navaja fing an, rückwärts zu zählen. Auf sein Kommando sollte ich aus dem fliegenden Schiff springen. Es war seltsam still. Wir waren längst in Reichweite der Abwehrtürme, doch sie feuerten nicht. 

Ohne Probleme erreichte ich das Innere des Comm Array. Die Kontrollleuchten am Wartungsterminal waren grün. Das System musste aktiv sein. Ich nahm meinen Hacking Chip und versuchte ihn in den Slot zu stecken. Irgendwie passte er nicht. Ich drehte den Chip und versuchte es andersherum. Der Chip war zu breit. Ich konnte ihn drehen wie ich wollte, er passte nicht in den Slot.

“Navaja, der Hacking Chip passt nicht. Ich kann den Comm Array nicht deaktivieren. Auch ein direkter Zugriff über das Terminal funktioniert nicht.”

“OK. Ich informiere Kommandant Stormanson und hole dich ab.”

Kurze Zeit später gingen wir an Bord der Hammerhead von TYR. Mir wurde der obere Geschützturm zugewiesen. Während wir noch die Raumstation, im Orbit des Planeten Microtech, umkreisten, bekam ich eine Nachricht von Hermieoth.

“Wir wurden bei Harpers Point ohne Vorwarnung angegriffen. Ella und Husky sind verletzt. Wir ziehen uns auf unsere Carrack zurück. Das ist doch unglaublich. Erst laden sie öffentlich ein teilzunehmen und dann schießen sie einfach.”

Nach einer kurzen Rücksprache mit Kjeld antwortete ich Hermieoth.

“Wir kommen auch nach Harpers Point. Haltet Euch zurück. TYR wird die Siedlung sichern.”

Die Hammerhead tauchte hinab zum Planeten Microtech und nahm Kurs auf Harpers Point. Es war stockdunkel, aus dem Geschützturm konnte ich nichts erkennen. Nach einem längeren Flug meldete sich Dethilion.

“Es stehen mehrere Carracks in der Siedlung. Welche ist die von Deinen Leuten Zero?”

“Ich sag denen, sie sollen mit dem Scheinwerfer Lichtsignale geben.”

Ich funkte Husky an und eine Minute später meldete sich Dethilion wieder.

“Alles klar, jetzt sehe ich sie. Und ich sehe ein Ballista Flugabwehrsystem. An alle. Ausschalten!”

Die Geschütztürme der Hammerhead feuerten. Ein Regen roter Laserblitze prasselte auf die Ballista. Sekunden später erhellte ein gelber Feuerball die Nacht. Für einen kurzen Augenblick konnte ich schemenhaft Bäume sehen. Dann blickte ich wieder in die Schwärze der Nacht. In diesem Augenblick starteten zwei Carracks von der Siedlung. Wir landeten etwas außerhalb und die Söldner von TYR gingen von Bord, um die Siedlung zu sichern. Ich blieb im Geschützturm. 

Viel bekam ich nicht mit. Irgendwann starteten wir wieder. Die Familie Abendroth war wohl mit der Carrack geflüchtet. Und wir bekamen den Standort einer Bunkeranlage, wo der ENOS Test stattfinden sollte. Auf dem Weg zur Bunkeranlage machten wir einen Zwischenstopp, um einen Versorgungstrupp zu treffen. Wir landeten auf einem Schneefeld, umgeben von braunen Hügeln. Am Horizont erhoben sich majästätisch schneebedeckte Berge. 

Ich saß immer noch im Geschützturm und harrte der Dinge. Anscheinend gab es irgendwelche Gespräche, von denen ich aber nichts mitbekam. Gelangweilt suchte ich den Himmel nach unbekannten Schiffen ab. Mir fielen fast die Augen zu, als mich plötzlich eine Explosion aufschreckte. Ich drehte den Turm und sah das Ambulanz Raumschiff des Versorgungstrupps brennend im Schnee stehen. Dann explodierte das daneben stehende Transportschiff. Auf dem Radar wurde kein feindlicher Kontakt angezeigt. Als ich nach oben schaute, sah ich einen Jäger, der auf uns feuerte. Die Schilde der Hammerhead leuchteten blau auf. Es dauerte etwas, bis die Waffen meines Turms ausgerichtet waren, schließlich drückte ich auf den Feuerknopf. Der Geschützturm vibrierte, als die 4 Laser Repeater ein Stakkato an Laserblitzen zu dem Jäger schickten. Weitere Türme der Hammerhead fingen an zu feuern. Das ganze Schiff bebte. Er war ein ohrenbetäubender Lärm. Der Jäger zog sich zurück.

Plötzlich wurde alles sehr hektisch. Es hieß, wir hätten keine Zeit mehr. Alles lief an mir vorbei wie ein Film, der im Schnellvorlauf abgespielt wurde. Irgendwann flogen wir auf einen Bunker zu. Mehrere Raumschiffe waren in der Luft. Laserblitze tanzten zwischen den Schiffen hin und her. Es war das totale Chaos. Dann hörte ich Kjeld über Funk.

“Crypto, aussteigen. Wir müssen in den Bunker und den Hauptcomputer sichern.”

Sekunden später rannte ich über eine grünbraune Wiese auf ein Gebäude zu. Vor mir war jemand von TYR, hinter mir Kjeld. Plötzlich tanzten Funken wild um mich herum. Die Erde schien zu explodieren. Dann wurde es dunkel.

*

Ich wachte auf, zumindest glaubte ich aufzuwachen. Es war irgendwie anders als aufwachen. Es war komisch, es fühlte sich verstörend an. Ich hatte furchtbare Kopfschmerzen und mein ganzer Körper schien zu brennen. Langsam nahm ich meine Umgebung wahr. Nur mit einem blauen Krankenhauskittel bekleidet lag ich auf einem Bett. Scanner umgaben das Bett. Der Raum hatte weiße Wände, ein Schrank mit hellblauen Türen und Schubladen befand sich an der Wand. Darauf war medizinische Ausrüstung. 

Mühsam stand ich auf und ging zum Fenster. Der Blick nach draußen war durch einen geschlossenen Rollladen verdeckt. Ich drückte auf einen Schalter. Ratternd fuhr der Rolladen nach oben. Verwundert schaute ich auf eine Welt aus rosa Wolken, in denen Häuser schwebten. Orison, ich war in der Wolkenstadt Orison auf dem Planeten Crusader. Wie zum Teufel war ich hierher gekommen?

Der Bildschirm am Fußende meines Bettes offenbarte die erschreckende Wahrheit. Mein Imprint wurde aktiviert. Ich war nicht mehr ich selbst, ich war eine Kopie. Ein neuer Körper, nachdem mein Alter beim Bunker zerstört worden war. Mir wurde schwindelig.

Was war passiert? Und was war mit den anderen? Ich schaute ins Intercom und fand eine Stellungnahme von einem Professor Mark Gilbert. Er war Leiter des Fachbereiches für Bio-Bot-Engineering an der Eldfjall Universität. Mit Stolz verkündete er, dass der ENOS Test an der unheilbar Kranken Patientin erfolgreich war. ENOS wäre in der Lage, bisher unbezwingbare Krankheiten zu heilen. Das Ganze wäre noch in einem frühen Stadium, aber das Innovationsbüro von MicroTech würde sich des Projektes annehmen und in den nächsten zehn Jahren ENOS zu einem Allheilmittel entwickeln.

Dann fand ich noch eine Pressemitteilung von der Firma Abendroth. Auch darin war die Rede von dem ENOS Test und dass er genehmigt war. Dann stand da noch, dass es im Vorfeld Hinweise auf Sabotage-Versuche gab, die sich als wahr herausstellten. Die Angriffe wurden jedoch erfolgreich abgewehrt. Vorwürfe, dass die Sicherheitskräfte beim Schutz des Tests übertrieben brutal vorgegangen seien, würden jetzt in Zusammenarbeit mit den Behörden untersucht werden.

Entsetzt fiel ich zurück ins Bett. War’s das? Glaubte die Welt jetzt, dass ENOS eine gute Sache sei? Es war richtig, dass ENOS ursprünglich als Heilmittel konzipiert wurde. Aber es wurde weiterentwickelt zur ultimativen Waffe, die gegen Feinde des UEE und andersdenkende eingesetzt werden sollte. Zur Waffe die Macht erhalten und die Mächtigen noch mächtiger machen würde. 

Die Wahrheit musste ans Licht. Nur wie? Wir hatten verloren. Ich hatte immer noch keinen Zugriff auf die immens wichtigen Daten auf der Black Data. Und ich wusste nicht, was mit den anderen war. Hatten wir noch eine Chance oder war die Sache vorbei?

In dem Augenblick piepste mein Mobiglas. Eine verschlüsselte Nachricht war eingegangen.

Codename Crypto? Kommandant Kjeld Stormarnson hat mir ein Notfall Kontakt hinterlegt, falls er dich nicht erreichen kann. Meiner internen Information nach sitzt er tief im Klescher gefangen und wurde wohl nach dem gescheiterten Einsatz noch lebendig von feindlichen Kräften am Leben gehalten.
Mein geheimer Auftrag ist es, dir einen lebenswichtigen VitalCode zu übertragen, sofern der Kommandant nicht mehr in der Lage dazu ist. Die Umstände sind äußerst sensibel, und wir sind uns der Wichtigkeit dieser Angelegenheit bewusst.

In den kommenden Tagen werde ich alle Anstrengungen unternehmen, um einen sauberen und sicheren Datentransfer zu gewährleisten. Mein Kommandant betonte, dass die Information von entscheidender Bedeutung für dich ist. Bedauerlicherweise wurde uns jedoch in der vergangenen Nacht der Körper, dessen VitalCode von uns ausgelesen wurde, entwendet. Dies erschwert die Situation erheblich, da wir den VitalCode nicht erneut auslesen können.

Es war noch nicht vorbei.


Perspektive von