Log #203 – Die Black Data

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Hinweise zu ENOS befanden sich auf einer verschlüsselten Black Data. Wir versuchten sie in unseren Besitz zu bringen.


Da war es wieder. Dieses ENOS. Diese verdammte Bio-Bot Technologie. Ursprünglich als Heilmittel gedacht, wurde es zur ultimativen Waffe weiterentwickelt. Einer Waffe die bestehende Macht weiter stärken und die Schwachen noch mehr schwächen sollte. Und wer würde am Ende am meisten darunter leiden? Die freien Völker, die vom UEE und den Mega-Konzernen eh schon unterdrückt wurden. Lange hatte ich von ENOS nichts mehr gehört und vermutet, dass sich die Spuren im Sande verlaufen hatten.

Kjeld Stormanson und Thane McMarshall hatten eine neue Spur. Sie hatten das Raumschiff von Emyr Thormento aufgespürt. Dem Vater von Xedan Thormento, den wir damals von Microtech weg schmuggeln wollten. Einer Schlüsselfigur in diesem ganzen Irrsinn. Kjeld und Thane hofften, im Schiff eine verschlüsselte Black Data mit Hinweisen zu finden. Mein Auftrag war es, die Daten zu entschlüsseln.

Wir fanden das Raumschiff auf dem Mond Daymar, oder das, was davon übrig war. Die Origin 600i von Emyr Thormento war auf die Mondoberfläche gekracht und in mehrere Teile zerbrochen. An Bord fanden wir verschiedene Hinweise und die sterblichen Überreste von Emyr Thormento, Daston Rim und Ignotus. Sie waren übel zugerichtet und ihre Schädel zur Schau ausgestellt. Eine Mahnung den Mächten hinter ENOS nicht zu nahe zu kommen.

Ignotus hatte uns bei unseren Ermittlungen zu ENOS immer wieder versteckte Hinweise hinterlassen. Er wollte zusammen mit Daston und Emyr den Schattenzirkel hinter ENOS auffliegen lassen. Sie hatten es übel mit dem Leben bezahlt.

Immerhin fanden wir an Bord noch den Hinweis, wer hinter ENOS steckte. Eine Organisation namens MACH. Das waren die Anfangsbuchstaben der vier Mega-Konzerne im Stanton System. Microtech, ArcCorp, Crusader und Hurston Dynamics. MACH war ein Netzwerk von einflussreichen Personen in der Forschung, Politik und Wirtschaft. Sie manipulierten die Galaxy nach ihren eigenen Interessen. Ich war nicht überrascht, dass die Mega-Konzerne hinter dem ganzen Übel steckten. Es war zum kotzen mit diesen Konzernen. Wer blieb am Ende auf der Strecke? Die einfachen Menschen und vor allem die freien Völker.

Allerdings konnten wir die Black Data nicht finden. Und so mussten wir ohne das entscheidende Puzzleteil wieder abziehen. Aber es dauerte nicht lange, bis Kjeld einen neuen Hinweis bekam. Die Leute, die die Black Data hatten, suchten jemanden, der die Daten entschlüsseln konnte. Diese Leute waren auf einer Firmenkonferenz, zu der auch Kjeld und Thane eingeladen waren. Kjeld besorgte mir eine falsche Identität, um mich in die Konferenz einzuschleusen. Die Konferenz fand auf einer Origin 890 Jump statt, einem Luxusraumschiff. Ich sollte in der Küche warten, bis sich jemand mit dem Codewort Foxhole meldete.

Infiltration bei einer Veranstaltung auf einer 890 Jump. Der Gedanke weckte böse Erinnerungen. Seit unserer Infiltration auf der Renaissance war Ray Keaton hinter mir her. Ich konnte nur hoffen, dass die Nachwirkungen diesmal nicht so schlimm sein würden.

*

Hermieoth brachte uns mit einer Piscis an Bord der 890. Er arbeitete für den Veranstalter. Kjeld und Thane gingen direkt ins Foyer, ich machte mich auf den Weg zur Küche. Die untere Ebene der 890 war für die Crew. Sie war einfach gehalten, kein Luxus wie auf den oberen Decks. Trotzdem war es makellos sauber. Nicht ein einziger Fleck war auf den weißen Wänden zu sehen. Der Boden war so perfekt poliert, dass sich die Lichter der Schränke für die Raumanzüge darin spiegelten.

Um nicht erkannt zu werden, behielt ich meinen Helm auf. Obwohl ich offiziell unter dem Namen Fox Mulder registriert war, versuchte ich, keine Geräusche zu machen und unentdeckt zu bleiben. Langsam und möglichst leise bewegte ich mich durch das Mannschaftsquartier. Trotzdem machten meine Stiefel bei jedem Schritt Klack. Das Geräusch hallte leise durch den leeren Gang.

Im Schlafbereich standen die Türen der Kojen offen. In einer lag ein gelber Rucksack. Ich konnte meine Neugier nicht unterdrücken und öffnete ihn. Zu meiner Überraschung fand ich darin eine Pistole und mehrere Magazine. Waffen waren an Bord nicht erlaubt. Verstohlen sah ich mich um. Niemand war zu sehen. Mit einer schnellen Bewegung nahm ich die Pistole und versteckte sie im Badezimmer hinter der Toilette. Vielleicht würde ich sie noch brauchen.

Auch die Küche war so sauber geleckt wie der Rest des Raumschiffes. Kein Fett auf dem Herd, keine Essensreste, nicht das geringste Anzeichen von Dreck. Die grau-metallene Arbeitsfläche glänzte, als wenn sie eben erst poliert und noch nie benutzt worden war. Ich stellte mich in eine Ecke, von der aus ich beide Türen und den Fahrstuhl im Blick hatte und wartete.

Plötzlich ging die linke Tür mit einem Zischen auf. Im Türrahmen stand jemand mit einer kugelsicheren Weste und einer Waffe im Anschlag. Mein erster Schreck verflog schnell. Es war Valentin Benz, den ich schon länger kannte. Er gehörte zum Sicherheitsdienst. Gerade als ich mich zu erkennen geben wollte, ging die rechte Tür auf. Drei weitere Sicherheitsleute kamen herein. Einer richtete seine Waffe auf mich. Es war Ray Keaton. Ich machte mir fast in die Hose. Was für eine Scheiße, ich war im Arsch.

“Du hast hier nichts verloren! Zieh Deinen Helm ab!”

Ray Keaton, wie ich ihn kannte. Aggressiv, ungestüm, unüberlegt. Mit netten Worten und Diplomatie wäre ich nicht weiter gekommen. Und das wollte ich bei Ray auch nicht. Der Typ brachte mich auf die Palme. Genauso ungehobelt wie er raunte ich zurück.

“Ein Scheiß Helm abnehmen! Ich bin hier auf Geheiß von Thane McMarshall, Microtech Protection Force. Ich soll hier in der Küche dafür sorgen, dass die Lebensmittel nicht vergiftet werden. Prüft Eure Gästeliste. Fox Mulder.”

Die Hände von Ray zogen sich wie ein Schraubstock zusammen. Die Fingerkuppen wurden fast weiß. Immer fester umklammerte er seine Waffe. Es war deutlich zu merken, dass er kurz davor war etwas Unüberlegtes zu tun, dass er mir an die Gurgel wollte. Hatte er mich etwa erkannt? Ein Knistern lag in der Luft. Das Knistern einer explosiven Mischung. Ein kleiner Funke hätte genügt, um die Situation zu eskalieren.

Einer der Sicherheitsleute schaute in sein Mobiglas und sagte:

“Es stimmt. Fox Mulder steht auf der Gästeliste. Scheint alles ok zu sein.”

Langsam, fast widerwillig, senkte Ray seine Waffe, ohne seinen stechenden Blick von mir zu nehmen. Dann wandte er sich ab und verließ mit den anderen Sicherheitsleuten die Küche. Meine Anspannung fiel so schlagartig ab, dass meine Knie fast nachgaben. Schwer atmend stütze ich mich auf der Arbeitsfläche ab. Dass Ray Keaton an Bord war, war nicht gut. Es war eine Gefahr für mich und die ganze Mission. Ich brauchte jemanden, der mir Rückendeckung geben konnte, dem ich vertraute und meine wahre Identität verraten konnte. Ich schrieb eine Nachricht an Kjeld.

“Ray Keaton ist an Bord. Schick Val oder Hermieoth in die Küche, alleine.”

Kurz darauf kam die Antwort.

“Ist Val Valentin Benz? Der hat die Black Data. Ich versuche an ihn ran zu kommen und ihn runter zu schicken.”

Endlose Minuten des Wartens vergingen. Minuten voller Angst, dass Ray zurückkehren und über mich herfallen würde. Nervös lief ich auf und ab, bis ich durch das Zischen der Tür zusammen zuckte.

“Ist hier das Foxhole?”

Es war Valentin. Ich schob ihn in die Kühlkammer und machte die Tür zu.

“Val, ich bin es, Zero.”

“Nein, ich werd verrückt. Was machst Du denn hier. Ich brauch Dich um eine Black Data zu entschlüsseln.”

“Genau deswegen bin ich hier. Hast Du sie?”

“Nein. Meine Auftraggeberin Cecilia Abendroth hat sie.”

Beim Namen Abendroth klingelte etwas bei mir. Abendroth war eine stinkreiche Familie. Den Namen Mariette Abendroth hatte ich auf dem Dokument gesehen, dass ich in der Schrottsiedlung entschlüsselt hatte. Sie war eine der Testpersonen im ENOS Projekt. So weit ich wusste, hatte Kjeld Kontakt zur Familie Abendroth, um eine verschwundene Tochter zu finden. Waren auf der Black Data Hinweise, die zu Mariette Abendroth führten? Und damit zu ENOS? Und was zum Teufel hatte Valentin mit diesen reichen Schnöseln zu tun?

“Na dann bring die Black Data her. Sonst kann ich sie nicht entschlüsseln. Kjeld meinte, es handelt sich um einen sich stetig wechselnden Intervall Code in XiTo. Das ist eine hoch komplexe Xian Programmiersprache, die im Untergrund in Levski entwickelt wurde. Die Black Data zu entschlüsseln kann mehrere Wochen dauern.”

“Ich kann Dir die Black Data nicht mitgeben. Ich will Cecilia nicht hintergehen.”

“Anders kann ich das Ding nicht entschlüsseln. Rede mit ihr. Und rede mit Kjeld. Vielleicht strahlt er Vertrauen aus und kann sie überreden.” 

Valentin verließ die Küche und ließ mich alleine zurück mit meinen Ängsten und Gedanken. Ängste, dass Ray zurückkommen und mich angreifen würde. Gedanken darüber, wie Cecilia Abendroth in den Besitz der Black Data gekommen war. Kjeld hatte sie an Bord der 600i von Emyr Thormento vermutet. Wie tief steckte Cecilia Abendroth in der ENOS Sache mit drin? Wollte sie nur ein Familienmitglied finden, oder wollte sie mit ENOS die Macht ergreifen? Das wäre typisch für reiche machthungrige Menschen.

Nach langem quälendem Warten tauchte Valentin wieder auf. Cecilia Abendroth wollte weder die Black Data raus geben, noch einen Teil des Codes, mit dem ich den Intervall Code hätte erkennen und die Entschlüsselung vorbereiten können. Sie wollte einen geeigneten Ort suchen, an dem ich unter Beisein aller Interessierten den Code entschlüsseln konnte. Das waren keine rosigen Aussichten. Ich hatte keine Lust mehrere Wochen mit diesen reichen Leuten an einem Ort zu verbringen. Allerdings hatte ich einen Trumpf in der Hand. Hermieoth hatte mir bereits vor einigen Tagen einen Ausschnitt von einem XiTo Code zukommen lassen. Er meinte, dass er eine Person kennen gelernt hatte, die einen Code Knacker suchte. Ich war mir sicher, dass es ein Ausschnitt aus der Black Data war. Ich konnte mich in aller Ruhe auf die Entschlüsselung vorbereiten.

Ich verabschiedete mich von Valentin und verließ heimlich die 890.

*

Am nächsten Tag sah ich im Instaverse ein Video, das auf der 890 gedreht wurde. Bei der Firmenkonferenz stellten sich verschiedene Firmen vor. Brubacker war auch an Bord und stellte seine Redaktion ‘Off The Record’ und ‘Radio Infinity’ vor. Offenbar hatte Bru zu viel getrunken. Er torkelte die Treppe hinauf, lallte und beschimpfte seine Chefs von Radio Infinity. Lauthals lachend schickte ich ihm eine Nachricht:

“Brubacker for president und mehr über den G-Punkt also die Wissenschaft der Gravitation.”


Die Perspektive von Kjeld: