Log #174 – Projekt ENOS – Der Kommunikationscomputer

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Ich wurde für einen Hacking-Job engagiert. Doch so einfach war das nicht. Es waren nicht nur die Fähigkeiten eines Hackers nötig.


Seit mehreren Tagen befanden wir uns im Orbit des Planeten Microtech und warteten auf das Signal. Eingesperrt in dieser ungemütlichen Blechdose. Die Wände waren nackt, kalt, dunkel. Selbst die Beleuchtung war minimal. Drake typisch war das Raumschiff sehr spartanisch. Die Tatsache, dass Kjeld die Corsair selbst zusammengebaut hatte, machte sie nicht wohnlicher.

Kjeld und ich saßen am Esstisch des Aufenthaltsbereichs. Die metallene Tischplatte fühlte sich kalt an. Es war ruhig. Außer unseren leisen Stimmen und der brummenden Lüftung war an Bord nichts zu hören. Kjeld hatte mich engagiert, um etwas zu hacken. Er und Thane McMarshall wollten den Aufenthaltsort von Professor Usagi ausfindig machen. Der Professor hatte irgendetwas mit ENOS zu tun. So ganz hatte ich die Zusammenhänge nicht verstanden. Ich wusste nur, ich sollte Tracking Daten an einem bestimmten Kommunikationscomputer extrahieren. Doch dazu benötigten wir einen Zugangscode. Eine sensible Ware, die wir zuvor an Bord genommen hatten, spielte dabei eine entscheidende Rolle.

Das schwere Geräusch eines Schotts, das sich zur Seite schob, unterbrach die Stille. Root kam herein.

“Ich wecke den Rest der Crew.”

Ein Grinsen huschte über mein Gesicht. Daran hatte der Reserveoffizier der UEE Navy bestimmt Spaß. 

Wenig Spaß hatte ich mit der Tatsache, dass so viele Menschen an Bord waren. Die Corsair hatte zwar Einzel-Kajüten, allerdings mussten sich zwei Personen eine Kajüte und ein Bett teilen. Das war überhaupt nicht nach meinem Geschmack. Ich brauchte meine Freiheit, meine Privatsphäre.

Als sich die Tür der mittleren Kajüte öffnete, waren alle Augen darauf fixiert. Da stand sie, die sensible Ware. Sie trug nur ein Longshirt und eine Unterhose. Die Müdigkeit stand ihr im Gesicht. Spring war eine Studienassistentin von Professor Hyperion. Nur sie wusste, wo sich der Kommunikationscomputer befand. Wir waren auf ihre Hilfe angewiesen. Doch sie wollte uns den Ort des Computers erst verraten, nachdem wir den Zugangscode besorgt hatten. Auf meiner Stirn bildeten sich Falten. Eine innere Stimme sagte mir, dass Spring uns etwas verheimlichte.

Während dem Frühstück piepste das Mobiglas von Kjeld.

Sofort erteilte er Anweisungen. “Da ist es das Signal. Endlich haben wir den Standort von der Person, die den Zugangscode hat. Alles bereit machen. Legt Eure Ausrüstung an. Thane, Spring, Zero. Ihr geht in den Rover im Frachtraum und wartet dort.”

Kurze Zeit später saßen wir in unserer Schutzausrüstung im Rover. Lunaria stand hinter dem Fahrzeug an der offenen Heckklappe. Sie wünschte uns viel Spaß und drückte auf einen Knopf. Mit einem lauten Quietschen schloss sich die Rampe. Wir waren eingesperrt. Abgeschottet von der Außenwelt. Nur wir drei, auf engstem Raum. Besonders wohl fühlte ich mich nicht. Ich hasste es, wenn ich die Sterne nicht sehen konnte. Wenn ich nicht wusste, was passierte.

Thane war beschäftigt. Ständig hantierte er mit seinem Mobiglas herum. Spring hatte die Augen geschlossen. Sie schien völlig entspannt zu sein und auf etwas zu warten. Welches Geheimnis hütete unsere sensible Ware?

Mit etwas Smalltalk versuchte ich mehr aus ihr herauszubekommen. “Spring, erzähl mal. Was treibst Du so, wenn Du nicht gerade in einem Rover eingesperrt bist?” 

“Professor Hyperion macht medizinische Forschung. Ich kümmere mich um die Testpersonen.”

“Testpersonen? Macht ihr Experimente mit Menschen?”

“Nein, das sind Probanden. Ich gebe ihnen nur eine Spritze. Nichts Schlimmes. Willst Du mal probieren? Ich hab was dabei.”

“Ha Ha. Mit dem richtigen Zeug kann eine Spritze ne tolle Wirkung haben. Wenn Du Interesse hast, kann ich Dir alles Mögliche und Unmögliche besorgen.”

Thane schaute an der Holo-Projektion seines Mobiglases vorbei und blickte uns an. “Ich halte jetzt wohl besser beide Ohren zu.”

Nachdem ich Thane eine spitze Bemerkung an den Kopf geworfen hatte, versuchte ich es weiter. “Und abgesehen von Spritzen. Was machst Du hier an Bord?” 

Mit meiner beiläufigen Frage wollte ich Spring ins Plaudern bringen. Doch es war vergebens. Sie erzählte nur, dass sie einen Auftrag von Professor Hyperion hatte. Details gab sie nicht preis. 

Gerade als ich weitere Fragen stellen wollte, hörten wir, wie die Frachtrampe der Corsair aufging. Ich stand auf und ging ins Cockpit des Rovers. Durch die Frontscheibe sah ich außerhalb der Corsair eine Winterlandschaft. Von Schnee bedeckte Bäume und Berge, so weit ich blicken konnte. Doch mehr war nicht zu erkennen oder in Erfahrung zu bringen.

Gelangweilt drehte ich mich zu den anderen um. Spring schaute mich an. Etwas hatte ihre Aufmerksamkeit erregt.

“Ein hübsches Messer hast Du an Deinem Gürtel hängen.”

Jetzt hatte ich einen Ansatzpunkt. “Ein Messer von den Banu. Sehr schwer zu bekommen. Interesse? Schenke ich Dir. Im Gegenzug für ein paar Informationen von Dir.”

Mit einem breiten Grinsen fixierten meine Augen Spring. Doch bevor sie antworten konnte, hörten wir Schüsse. Sehr leise. Außerhalb der Corsair. Wir wussten nicht, was los war. Niemand informierte uns. Eine gefühlte Ewigkeit blieb uns nichts außer Ungewissheit. Dann endlich eine Nachricht von Kjeld. 

“Wir haben den Zugangscode. Navaja ist verletzt. Wir kommen zurück an Bord.”

*

Der Quantum Antrieb brummte. Die Corsair näherte sich mit wahnsinniger Geschwindigkeit dem Ort, an dem ich am wenigsten sein wollte. Hurston. Auf dem Planeten war der Ort Ivory, eine Schrottsammler-Siedlung, die von einem berüchtigten Schrottbaron beherrscht wurde. Dort befand sich der Kommunikationscomputer. Den vorliegenden Informationen zufolge hatte der Baron Söldner angeheuert, um die rebellische Stimmung unter den Schrottsammlern zu ersticken. Es war unklar, ob wir den Kommunikationscomputer ohne weiteres nutzen konnten, oder zu welchem Preis.

Die Crew hatte die Geschütztürme der Corsair besetzt. Spring saß mit geschlossenen Augen im Aufenthaltsbereich am Tisch. Es schien fast, als ob sie meditieren würde. Ich wurde nicht schlau aus ihr. Sie war nett, freundlich, aber trotzdem verschlossen. Hatte sie eine hidden Agenda? Eine Weile stand ich da und schaute sie an. Ohne Antworten zu bekommen, wandte ich mich ab und ging ins Cockpit zu Root.

Es war Nacht, als wir ein Stück entfernt von der Siedlung landeten. Ein reger Betrieb herrschte am Schrottplatz. Scheinwerfer erhellten das Gelände. Raumschiffe kamen und gingen. Im Schutz der Dunkelheit versuchten wir uns unbemerkt zu nähern. Doch die Dunkelheit gab mir kein Gefühl der Sicherheit. Der Haftbefehl, den Hurston Dynamics gegen mich ausgestellt hatte, war ein Gewicht, das schwer auf meinem Gemüt lag. Auf Hurston gab es keinen Ort, an dem ich mich frei bewegen konnte. Um sicher zu gehen, dass mich niemand erkannte, zog ich die Horror-Maske an, mit der ich eigentlich die Crew erschrecken wollte.

Spring, Thane und ich blieben in Deckung, während sich der Rest der Crew der Siedlung näherte. Langsam zog die Dämmerung herauf. Der Vorteil der Dunkelheit schmolz dahin wie ein Eisbrocken auf dem heißen Mond Arial. Die Zeit lief uns davon. 

Plötzlich peitschten Schüsse durch die Morgendämmerung. Über Funk hörten wir die Verzweiflung der Crew. Sie waren in ein Feuergefecht verwickelt. Es gab Verletzte, Munitionsmangel. Die Hoffnung auf Erfolg schwand. Dann der Befehl zum Rückzug. Wir konnten nicht in die Siedlung, hatten keinen Kontakt zum Schrott-Baron oder zu den Siedlern. Der Kommunikationscomputer war unerreichbar.

Es gab nur einen Hoffnungsschimmer. Yellowhand Security. Die Truppe von Citko war in der Nähe und bereit uns zu unterstützen. Doch auch sie kämpften mit Problemen. Ein ganzes Stück entfernt von der Siedlung waren sie mit defekten Fahrzeugen gestrandet. Nach einer längeren Suche stießen wir endlich zu ihnen.

Spring und ich hielten uns im Hintergrund, während der Rest die nächsten Schritte plante. Irgendwann kam Kjeld zu uns.

“Wir haben Kontakt zur Siedlung und die Genehmigung, die Siedlung zu betreten. Es gibt aber ein Problem. Wir dürfen nur zu dritt kommen. Zur Sicherheit müssen zwei Söldner dabei sein. Es kann also nur eine weitere Person mitkommen. Zero ist der einzige, der die Daten extrahieren kann. Spring, Du musst uns sagen, was Dein Auftrag ist und was Du am Computer machen sollst. Zero muss das dann für dich erledigen.”

Eine angespannte Ruhe herrschte. Der innere Kampf von Spring war geradezu greifbar. Jetzt musste sie die Informationen preisgeben, die sie mir die ganze Zeit vorenthalten hatte.

Zögerlich kamen die Worte aus ihr heraus. “Zero, gilt das Angebot noch? Banu Messer gegen Informationen?”

“Schlechte Verhandlungsposition hast Du”, dachte ich mir. Wenn sie ihren Auftrag erfüllen wollte, musste sie mir die Informationen geben. Warum sollte ich dafür einen Preis zahlen? Doch ich wollte ihr nicht vor den Kopf stoßen. Irgendwie mochte ich sie.

“Darüber können wir später noch sprechen. Was soll ich am Computer für Dich machen?”

Spring streckte mir einen Datenstick entgegen. “Den musst Du in den Kommunikationscomputer stecken.”

Ich griff nach dem Stick, doch Spring ließ nicht los. “Du musst mir versprechen, das auf jeden Fall zu machen.”

“Versprochen.” Und das meinte ich wirklich so.

*

Berge von Schrott und alten Raumschiffen umringten uns. Zwischen den Haufen alten Metalls ragte ein Kran empor. Sein Greifarm schaukelte sanft im Wind hin und her. Citko, Kjeld und ich standen in der Schrott-Siedlung und verhandelten mit einem der Söldner. Er war ein Hüne von einem Mann. Eine schwere Rüstung bedeckte seinen Körper. Passend zum Schrottplatz hatte sie einen rostig roten Farbton. Ein weiterer Söldner versperrte den Weg zum Computer, der sich in einem Gebäude befand. 

Der Söldner in der rostig roten Rüstung verlangte einen hohen Preis für den Zugang zum Kommunikationscomputer. Nachdem Kjeld und Citko bezahlt hatten, durfte ich zum Terminal. Mit dem Zugangscode hatte ich problemlosen Zugriff auf das System. In der Dateiablage fand ich ein Dokument. Es war ein Bericht von einem Special Agent des MicroTech Bureau of Organized Crime. 

In kurzen Sätzen gab ich Kjeld eine Zusammenfassung vom Inhalt des Dokuments. 

Testpersonen mit Variante X gegen Stufe 3 immunisiert.
Tjarva Ulfur, Mariette Abendroth, Victor Romeo
Aufenthalt in Pyro wird umgebaut.
Testpersonen von Mond auf Planeten verbracht.
Victor Romeo durch Variante Y stabilisiert und gilt als “lebendig”.
Kommunikation zwischen Scorpio und Usagi hinfällig.
Um Herald Route aufzulösen, Deaktivierung Signal vom Kommunikationscomputer in Ivory.
Data Runner soll BD Anhang auf Festplatte installieren. Dieser kann sämtliche Forschungsdaten und Routen Trackings eliminieren. Prozess dauert 6h. 
Data Runner muss sich beeilen und Daten aus dem aktuellen Depot extrahieren.
Neue Kommunikationsbasis wird in nächsten Wochen bestimmt.

Im Anhang befand sich ein Datensalat. Offensichtlich waren es verschlüsselte Tracking Daten. Mit ein paar Hacker-Tricks konnte ich folgende Namen extrahieren:

IVORY HURSTON, RUIN STATION, PYRO

Kjeld reagierte nur kurz und knapp. “Lade es runter und dann weg hier.”

Für eine Sekunde verharrte ich. Da war noch ein Versprechen, das ich gegeben hatte. Der Stick von Spring passte perfekt in den Computer Slot. Es ratterte kurz. Der Bildschirm flackerte und wurde schwarz. Eine letzte Meldung war zu sehen.

Fehler…. Fehler… Dateisystem beschädigt….
0011000 xxx 001110

Scheiße, der Stick hatte das System geröstet. Was zum Teufel hatte Spring für eine Mission? 

“Ok, nichts wie weg hier.” Eine kleine Kopfbewegung genügte, um Citko und Kjeld die Dringlichkeit klar zu machen. 

Ich hoffte nur, dass keiner der Schrottplatz-Söldner bemerkte, dass ich den Computer geschrottet hatte.


Spring wurde gespielt von BaharChan.

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