Log #184 – Der Schrottwächter

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Ich wollte den Quantum-Antrieb meiner Cutter reparieren. Es war nicht so einfach.


Ich saß im Raumanzug auf dem Bett. Auf der Matratze lagen ein Apfel und eine Getränkeflasche. In der Ecke des Bettes lag meine Gesellschaft. Der Ball mit dem aufgeklebten Gesicht. Ein gemütliches Frühstück war das wahrlich nicht. Da es in der engen Cutter keine Küche und keinen Essbereich gab, musste das Bett reichen. Aber es hätte schlimmer kommen können. Immerhin hatte das kleine Raumschiff ein Bad und eine Toilette.  Aber mit dem Komfort meiner Mercury Star Runner konnte die Cutter bei weitem nicht mithalten. Wehmütig dachte ich an meine White-Rabbit. Möge sie in Frieden im Sand von Daymar ruhen. Ich vermisste mein Raumschiff.

Unruhig bewegte ich mich auf der weichen Matratze hin und her. Der Ball kam ins Rollen und prallte gegen meinen Rücken. Amüsiert blickte ich in das grinsende Gesicht. Seit mich die Crew auf Daymar abgesetzt hatte, war er mein ständiger und fröhlicher Begleiter. Ich sollte mir einen Namen für den Ball überlegen. Ob Rudi wohl passen würde?

Die letzten Tage waren ein erfolgreicher Neuanfang. In den Notunterkünften fand ich nicht nur Lebensmittel, sondern auch einiges an Ausrüstung. Im Außenposten Bountiful Harvest Hydroponics fand ich sogar Waffen. Zum Glück hatte ich mich daran erinnert, dass dort öfters Waffen gelagert waren und der Außenposten kein Personal hatte. 

Im Prinzip stand ich nicht schlecht da. Das Nötigste hatte ich. Allerdings konnte ich nicht auf Dauer von dem Leben, was die vier Notunterkünfte auf dem Mond Daymar im Lager hatten. Auf den beiden anderen Crusader-Monden gab es auch Notunterkünfte, die mir eine große Hilfe wären. Allerdings waren die mit meinem defekten Quantum-Abtrieb außer Reichweite. Ich musste meinen Aktionsradius vergrößern. 

Nachdenklich bewegte ich Rudi den Ball in meinen Händen hin und her. Er schaute mich mit unbekümmerten Augen an. Unsere Blicke trafen sich. Als hätte er mir etwas zugeflüstert, kam mir eine Idee. Der Schrottplatz auf Daymar, dort müsste ich Ersatzteile für den Quantum-Antrieb finden. Vorsichtig legte ich Rudi wieder in die Ecke auf das Bett und ging ins Cockpit.

*

Ein starker Wind peitschte den Sand durch die Schrottberge. Die Sandkörner brachten die Metallteile zum Klingen. Wie zur Musik des Sturms schwang der Greifer des Krans hin und her. Nachdem ich die Cutter am Rande des Schrottplatzes gelandet hatte, stöberte ich planlos durch die Ansammlungen alter weggeworfener Teile. Auf den ersten Blick sah es aus wie auf einer Müllhalde. Doch der Schrottplatz war eine Schatzgrube. Man musste nur lange genug suchen. 

Tief verborgen unter Metallteilen fand ich eine alte Kommunikationseinrichtung. Sie war teilweise  verschmort. Doch das Herzstück dieser besonderen Funkanlage war unversehrt. Ein Chip der Nachrichten anonymisierte. Damit konnte man den Absender einer Nachricht verbergen. Dieser Chip war garantiert illegal, doch für mich von unschätzbarem Wert. Schnell hatte ich das Teil ausgebaut und im Raumanzug verstaut. Etwas verstohlen schaute ich über meine Schulter. Als wenn ich Sorge hätte, dass mich jemand beobachten würde.

Da fiel mir ein, dass der Schrottplatz ein beliebter Umschlagplatz für illegale Waren war. Regelmäßig tauchten unfreundliche Gestalten auf. Eine plötzliche innere Unruhe ließ mich schneller suchen. Doch ein passendes Ersatzteil für meinen Quantum-Antrieb zu finden, erwies sich als schwierig.

Mühsam kletterte ich über verbogene Metallstreben und kroch durch rostige Schiffsrümpfe. Es gab so viel zu finden, nur nicht das, was ich brauchte. Fast hätte ich aufgegeben, als ich endlich in den Händen hielt, was ich gesucht hatte. Erleichtert hob ich das Ding in die Höhe und gab einen Schrei der Freude von mir. Plötzlich brüllte jemand hinter mir.

“Hey! Was machst Du da?” 

Meine Erleichterung kollabierte wie ein Kartenhaus. Erschrocken drehte ich mich um. Jemand in einer Rüstung, die aus rostigem Schrott zu bestehen schien, stand mit einer Waffe in der Hand auf einem Gebäude. Wegrennen war keine Option, ich saß in der Falle.

“Ich suche ein Ersatzteil für meinen Quantum-Antrieb”, versuchte ich möglichst selbstsicher zu sagen. Doch das Herz war mir längst in die Hose gerutscht.

“Nicht ohne zu bezahlen”, brüllte der Typ in der Schrott-Rüstung.

“Aber das ist doch alles Schrott.”

“Schrott ist ein wertvoller Rohstoff. Los komm hier hoch. Aber lass Deine Hände dort, wo ich sie sehen kann.”

Mit weichen Knien stieg ich eine Treppe hoch zum oberen Stockwerk des Gebäudes. Kaum oben angekommen, riss mir der Typ das so dringend benötigte Ersatzteil aus der Hand. Bedrohlich hielt er es mir vor das Gesicht und raunte.

“Das hier ist kein Schrott!”

“Mein Quantum-Antrieb ist kaputt….Ich komme nicht weg von diesem..…Mond…..Ich….” 

Die Worte kamen nur stotternd aus meinem Mund. Irgendwie schien das den Typen etwas zu beruhigen.

“OK pass auf. Du kannst das Ding haben. Kein Problem. Aber dafür musst Du mir auch etwas geben. Etwas von gleichem Wert. Und Dir scheint das Teil ja sehr viel wert zu sein.”

Lässig lehnte er sich an eine Wand, verschränkte die Arme vor der Brust und schien mich von oben herab anzusehen. Das Rauschen des Blutes in meinen Ohren übertönte den Sturm, der über dem Schrottplatz tobte. Ich fühlte mich wie im freien Fall.

“Ich habe nichts von Wert” , sagte ich kleinlaut.

Der Typ legte eine Hand auf meine Schulter und sagte mit sanfter Stimme. 

“Wertvolles liegt überall auf dem Mond herum. RMC ist gerade sehr angesagt. Damit kannst Du mich bezahlen.”

Fragend schaute ich den Typen an. 

“RMC? Was ist das?”

“Recycled Material Composite. Abgetragene Schiffshülle. Nehm das Multitool, das an deiner Hüfte hängt. Mach ein Cambio-Lite SRT Attachment und einen Kanister dran. Dann kannst Du loslegen. Wracks liegen genug auf dem Mond.”

“Und damit kann ich Dich bezahlen?”

“10 Kanister und wir sind Quitt.”

Gerade als ich gehen wollte, sah ich etwas in einem Regal, das mir bekannt vorkam.

“Was ist denn das für ein Computerkern?”

“Das ist ein ganz besonderes Schmuckstück. Darüber können wir uns unterhalten, wenn Du die 10 Kanister RMC gebracht hast.”

*

Die Nacht war über den Mond Daymar hereingebrochen. Ich hatte die Cutter in einem Canyon gelandet. Gut versteckt überlegte ich, wie es weitergehen sollte. Ein Cambio-Lite SRT Attachment hatte ich nicht. Kaufen konnte ich es nicht. Aber ich brauchte eines, um das Ersatzteil für den Quantum-Antrieb zu bezahlen. Außerdem ließ mich der Gedanke an den Computerkern nicht los. Ich musste mehr über das Teil erfahren. Doch auch dafür brauchte ich das Attachment. Es war zum Verzweifeln.

Nervös lief ich vor dem Bett auf und ab. Immer wieder schaute ich auf Rudi den Ball. Wo waren seine guten Ideen? Warum schwieg er? Verzweifelt legte ich den Brustpanzer ab, als ich etwas in der Tasche bemerkte. Es war der Chip, um Nachrichten zu anonymisieren. Spöttisch hob ich den Chip in Richtung Rudi.

“Und wie hilft uns das weiter?”

Rudi lächelte. Wie immer. 

“Blödmann.”

Frustriert baute ich den Chip in die Kommunikationseinrichtung der Cutter ein. Aber das hob meine Stimmung nicht. Der Chip hatte nicht genug Leistung, um Funksprüche und Live-Übertragungen zu anonymisieren. Nur statische Textnachrichten an ein fixes statisches Ziel konnten anonym gesendet werden. Schwungvoll pfefferte ich das Werkzeug in den Schrank und ging ins Bett.

Rastlos drehte ich mich von einer Seite auf die andere. Was bringen mir statische Textnachrichten an ein fixes statisches Ziel? Ich will nichts an ein schwarzes Brett senden.  Mit diesem Gedanken fiel ich in einen unruhigen Schlaf.