Log #185 – Tauschgeschäft

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Ich brauchte dringend einige Ausrüstungsgegenstände. Doch ich konnte nicht einfach in einen Laden gehen und einkaufen. Geld hatte ich auch keines. Ich musste einen anderen Weg finden.


Rudi der Ball schlug mit einem schwarzen Brett auf meinen Kopf. Immer und immer wieder. Der Typ vom Schrottplatz stand lachend daneben und rief im Takt der Schläge “RMC. RMC. RMC.” Es war eine Szene wie aus einem Comic. Schlagartig öffnete ich die Augen und erwachte aus meinem Traum. Rudi lag friedlich zu meinen Füßen. Ja klar, das war die Lösung. Im CommRelay der Kantine gab es eine Jobbörse und einen Marktplatz. Es war eine Art schwarzes Brett, auf dem Nachrichten platziert werden konnten. Mit dem Chip vom Schrottplatz sollte es möglich sein, eine anonyme Nachricht zum CommRelay zu senden.

Unter der Dusche überlegte ich, wie ich vorgehen sollte. Ich brauchte ein Cambio-Lite SRT Attachment, um den Wächter vom Schrottplatz bezahlen zu können. Auf dem Marktplatz der Kantine konnte ich einen Suchauftrag platzieren. Nur wie sollte ich das Attachment bezahlen? Geld hatte ich nicht. Außerdem durfte mich der Lieferant bei der Übergabe nicht erkennen. Wohltuend strömte das warme Wasser über meinen Körper. Es ließ mich für einen Moment alles vergessen. Plötzlich kam mir eine Idee.

*

Der Stern Stantons senkte sich gerade hinter den Horizont, als die kleine Cutter in das große dunkle Erdloch hinab schwebte. Das Loch in der Erde war so groß, dass die Cutter darin verloren schien. Mit einem Klick flackerten die Scheinwerfer auf. Vor dem Cockpit erschienen braune Felsformationen. Der Lichtkegel wies mir den Weg. zum Eingang einer Höhle. Nachdem ich die Cutter in dem Erdloch gelandet hatte, ging ich zu Fuß weiter. Ein schmaler Durchgang führte mich in eine große unterirdische Halle.

Es war dunkel und bedrückend. Eine Pflanze mit blauen Blättern wuchs direkt am Ausgang der Höhle. Erinnerungen an Klescher wurden wach. Wenigstens würde ich so den Weg zurück zu meinem Raumschiff finden. Aber würde ich auch Edelsteine in der Höhle finden? Mein Plan war es, Edelsteine in der Höhle abzubauen und diese als Zahlungsmittel zu nutzen. Meine Schritte hallten bedrohlich, als ich tiefer in die Höhle ging. Doch weit kam ich nicht. 

Im Schein meiner Helmlampe tauchte ein kleiner Felsbrocken auf, aus dem rosa Edelsteine herausragten. Hadanite. Ich hatte die wertvollsten Edelsteine gefunden, die es in Stanton gab. Kurz danach war ein weiterer Brocken mit Hadanite und dann noch einer. Ich war auf eine Hadanite Ader gestoßen. Sie enthielt  mehr Edelsteine als ich tragen konnte. Mein Glück konnte ich kaum fassen. Wieder und wieder lief ich zum Raumschiff, um die abgebauten Edelsteine zu verstauen. Ich brauchte dringend einen Rucksack. Noch etwas, das auf der Liste meiner Bestellungen stehen musste.

Nach einer gefühlten Ewigkeit verließ ich die Höhle mit jeder Menge Hadanite. Es war bereits Nacht. Die Sterne leuchteten über dem Erdloch, als ich  mit der Cutter startete. Zufrieden flog ich nach Norden über die schwarzen Konturen der Wüste. Plötzlich sah ich einen flackerten Lichtschein am Boden. Dann noch einen.

Meine Neugierde wurde geweckt. Was war da unten? Ein brennendes Wrack, in dem ich nützliche Gegenstände finden konnte? Sollte ich nachschauen? Oder wäre es besser erst das Hadanite in Sicherheit zu bringen? Ich war hin- und hergerissen zwischen Landen und Weiterfliegen. Das Radar zeigte keine Kontakte an. “Was solls”, dachte ich mir. Wenigstens ein schneller Überflug.

Wäre ich nur weiter geflogen. Der Überflug hatte meine Neugier beflügelt. Anstatt auf Nummer sicher zu gehen, landete ich. Der flackernde Lichtschein hatte sich als Feuer in einer alten verfallenen Siedlung entpuppt. Überreste von Mauern standen wie einsame Zeugen einer alten Geschichte im Sand. Moderne Container und ein Holzturm hauchten dem Ort neues Leben ein. Das Scheinwerferlicht meiner Cutter verwandelte die Siedlung in ein Schauspiel aus Licht und Schatten. Es schien niemand da zu sein. 

Doch leer war der Ort nicht. Überall lagen Kisten. Sie waren teilweise versteckt. Sogar in einer Badewanne fand ich unter einer Metallplatte eine Kiste. Darin waren Lebensmittel, Edelsteine, Rüstungen und Werkzeuge. Irgendjemand schien diesen Ort als Lager zu nutzen. Oder als Umschlagplatz.

Die Siedlung stand auf einem Plateau. Im Tal unter mir waren weitere Überreste von Gebäuden, halb verfallene Lagerhallen, Container und Türme. Und ein provisorischer Landeplatz war mit Positionslichtern markiert. Neben Feuern spendeten auch Laternen etwas Licht. Es schien nicht so, als ob der Ort gänzlich verlassen und vergessen wäre.

Durch das Zielfernrohr des Scharfschützengewehrs schaute ich mir die Siedlung im Tal genauer an. Menschen sah ich keine, aber jede Menge Kisten. Sollte ich runter gehen und schauen, was in den Kisten zu finden war? Ich hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als Schüsse durch die Nacht hallten.

Eine Cutlass befand sich im Anflug und feuerte auf meine Cutter. Panisch rannte ich los. Die Cutlass versuchte aber nicht ernsthaft, mein Schiff zu zerstören. Schnell tauchte sie in das Tal ab und landete. Von dort konnte sie nicht mehr auf meinen Cutter schießen. Fürs erste schien ich sicher zu sein. 

Schnell begann ich, alles Brauchbare einzusammeln. Ich war noch nicht ganz fertig, als ich die Triebwerke der Cutlass hörte. Scheiße! Es war klar, was jetzt passieren würde. Wäre ich doch nur sofort gestartet. Zu meiner Überraschung feuerte die Cutlass nicht. Sie verschwand einfach in den Nachthimmel. 

Erleichtert stand ich inmitten der verfallenen Siedlung. Der Platz hier oben auf dem Plateau schien relativ sicher zu sein. Für den Teil der Siedlung unten im Tal galt das nicht. Ich beschloss, nicht runter zu gehen und mich mit dem zu begnügen, was ich hier oben fand.

Nachdem ich alles in der Cutter verstaut hatte, flog ich los. Mir gefiel der Ort. Er war abgelegen und ein geeigneter Umschlagplatz für geheime Geschäfte. Genau das, was ich gesucht hatte, um das Hadanite gegen die benötigten Ausrüstungsgegenstände zu tauschen. Noch in derselben Nacht platzierte ich ein anonymes Tauschgesuch auf dem Marktplatz der Kantine. Jetzt hieß es warten.

*

Ich war zurück in der verfallenen Siedlung auf dem Plateau. Jemand mit dem Namen Chris Kross hatte sich auf mein Tauschgesuch gemeldet. Er war bereit Hadanite gegen die von mir bestellten Ausrüstungsgegenstände zu tauschen. Ich füllte Hadanite in die Taschen von zwei schweren Torsorüstungen, die ich zuvor gefunden hatte. Beide legte ich direkt neben das Lagerfeuer. Dann schickte ich Chris Kross eine Beschreibung, wie er den Ort finden konnte. Mein Plan war, dass er die Rüstungen mit dem Hadanite als Bezahlung mitnehmen und meine Bestellung neben das Lagerfeuer legen sollte. Um nicht erkannt zu werden, machte ich mich sofort aus dem Staub. Beim Start sah ich noch, wie einige Gascontainer umherflogen.

Lange wartete ich, bis ich endlich eine Nachricht von Chris Kross bekam.

“Also Kollege, hier ist nichts, hier habe ich dir ein paar Fotos mit meiner Helmkamera gemacht. Außer deinem Schlafsack und Schuhen ist hier nichts.”

Es lief mir eiskalt den Rücken runter. Das konnte doch nicht sein. Verarschte der Typ mich, oder waren die Rüstungen wirklich verschwunden? Wie sollte ich jetzt an meine Bestellung kommen? Hinfliegen und doch persönlich tauschen? Hadanite hatte ich noch genug. Nein, das Risiko war mir zu hoch. Ich hatte ja keine Ahnung, wer dieser Chris Kross war und ob er mich in eine Falle locken wollte.

Ich schickte ihm eine Nachricht: “Das kann doch nicht sein. Direkt am Lagerfeuer.”

Seine Antwort kam prompt:

“Ich war da, dort ist nichts, ich habe meine Cutter mit deiner Ware dagelassen, darin findest du auch Kontaktdaten für einen verschlüsselten Kanal. Ich weiß ja nicht wer du bist oder warum du dich versteckst aber ich bin kein Bountyhunter und auch keine Konzernratte. Wenn du nicht zahlungsfähig bist, hättest du es einfach sagen können.”

Wow! Das klang interessant. Dieser Chris schien nicht auf der Seite der Konzerne zu stehen. Oder war das eine Finte, um mich in Sicherheit zu wiegen? Ich zog es vor, nicht aus der Deckung zu kommen. Meine Antwort blieb verhalten.

“Ich will einfach anonym bleiben. Und Finanztransaktionen hinterlassen Spuren. Sollte ich die Ware finden, lass ich Dir die Bezahlung noch zukommen.”

Was jetzt kam, überraschte mich. 

“Verstehe, wem hast du denn an den Karren gepisst? Du kannst dir die Cutter nehmen, wenn du sie brauchst. Wobei ich etwas verwirrt bin, das sind nicht gerade Artikel, die ein neu gewordener ‘Outlaw’ sucht. Keine Waffen Medikamente Nahrung etc.”

“Bin kein Outlaw. Aus Sicht von Hurston Dynamics aber wahrscheinlich schon. Ich versuch nur mein Leben zu leben. Ohne Stress und komplett unter dem Radar bleiben.”

“Ich fliege normalerweise keine Cutter, mein Mechaniker holt mich innerhalb der nächsten 2 Stunden mit meiner 600i ab, also mach dir um mich mal keine sorgen, wenn du Hurston nochmal an den Karren pissen willst kannst du dich bei mir melden sowas muss man unterstützten. Dieser Scheißkonzern hat Finanzen und Schiffe guter Freunde pfänden lassen.”

“Dann wirst Du bestimmt nochmal von mir hören. Werde Dir etwas zukommen lassen.”

Völlig perplex saß ich in meiner Cutter. Wer war dieser Chris? Wenn er mich nicht völlig verarschte, schien er ein interessanter Typ zu sein. Jemand, der auf der gleichen Seite stand wie ich. 

Nachdem ich noch einige Stunden gewartet hatte, flog ich zur verfallenen Siedlung. Und tatsächlich, dort stand eine Cutter mit offener Heckrampe. Meine Scanner zeigten keine Lebenszeichen an. War das Schiff wirklich verlassen? Oder lief ich direkt in eine Falle?

Meine Hände zitterten vor Anspannung. Wenn ich die bestellten Ausrüstungsteile haben wollte, musste ich landen. Ich sah keinen anderen Weg. Sicherheitshalber landete ich so, dass meine Heckrampe direkt hinter der Heckrampe der anderen Cutter war. Vorsichtig ging ich in meinen Frachtraum und schaute hinüber in den Frachtbereich des anderen Raumschiffes. Dort lagen im Dunkeln ein Rucksack und eine Kiste. Genau wie bestellt. Es war zu perfekt, zu verlockend.

Tausend Szenarien gingen mir durch den Kopf, was passieren könnte, wenn ich mein Schiff verlassen und den Rucksack und die Kiste holen würde. Scharfschützen, Sprengfallen, es war kein Szenario mit gutem Ende dabei. Auf der anderen Seite, wenn es stimmte, was Chris Kross geschrieben hatte, dann würde die Sache gut ausgehen. Es gab ein schwarzes und ein weißes Szenario. Doch die Welt war nicht immer schwarz und weiss. Ich holte tief Luft und griff an meinen Gürtel.

Es gab noch einen Weg, ohne mein Raumschiff zu verlassen. Mit dem Traktorstrahl holte ich die Kiste und den Rucksack in meinen Frachtraum. Alles, was ich bestellt hatte, war da. Ohne weitere Umschweife startete ich und verschwand in der Dunkelheit der Nacht.

Chris Kross blieb ein Mysterium für mich. Es war ein graues Szenario. Nicht schwarz und nicht weiß. Auf jeden Fall wollte ich ihn noch bezahlen und herausfinden, wer er war. Die Frage war nur wie.