Log #180- Gestrandet

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Nach der Flucht führte mein weiterer Weg zu Streitigkeiten und ins Chaos.


Es war ein komisches Gefühl. Ich hatte meine Freiheit zurück und dennoch war ich nicht frei. Der Hölle vom Hochsicherheitsgefängnis Klescher war ich zwar entkommen, doch jetzt befand ich mich in der Gefangenschaft meiner neuen Situation. Offiziell war ich tot, das hieß aber nicht, dass ich  tun und lassen konnte, was ich wollte. In Sicherheit war ich nur, solange Hurston Security mich für tot hielt. Niemand durfte also erfahren, dass ich am Leben war. Kein Scanner und keine Kontrolle durfte mich erfassen. Ich musste unter dem Radar bleiben, ganz tief unter dem Radar.

Allerdings wollte ich nicht für den Rest meines Lebens als Eremit in der Wüste leben. Die Notunterkunft, in der ich mich befand, war auch keine Dauerlösung. Um weiterzukommen, musste ich eine Möglichkeit finden, unentdeckt Kontakt zu Personen aufzunehmen, denen ich vertraute. Meine einzige Hoffnung war Brubacker. Über das Notrufsystem sendete ich ihm eine verschlüsselte Nachricht: 

Eine Lok ist sie nicht die alte 38
Doch vorbei muss man an denen die stehen an der Tür
Sie handeln im Auftrag ihres Kommandanten
Den sie auch nennen den Schwarzen……

Diesen Namen trägt auch ein Gebäude für die Not
Ein Freund steht dort und wartet auf Rettung
Darüber eine Station Dir bekannt durch heiße Chips
Den Freund trafst Du dort zum ersten mal

Die Tage vergingen und mit jedem Tag stieg meine Sorge, dass Brubacker nicht entschlüsseln konnte, von wem die Nachricht war und wo ich mich befand. Im Würgegriff von Depressionen saß ich in einer Ecke und wartete. Ich war so in mich gekehrt, dass ich nicht hörte, wie draußen ein Raumschiff landete. Das Geräusch des Druckausgleichs in der Luftschleuse zischte durch das Gebäude. Dann standen zwei Personen in Raumanzügen vor mir. Beide trugen Helme. Eine zielte auf mich.

“Zero, hey Zero! “

Die Stimme kam mir bekannt vor, sie klang aber doch irgendwie fremd.

“Brubacker? Bist Du das?”

“Ja, wer sonst.”

“Gott sei Dank!”

Die zweite Person war Ella, die eine Medgun auf mich richtete.

Brubacker war nicht alleine gekommen. Er hatte die Carrack dabei, die er von Anvil bekommen hatte, mitsamt der ganzen Crew. Kaum an Bord wurde ich von Mr. Aruhso in seiner typischen Art begrüßt.

“Oh, der Cyborg. Ich habe Dich gerochen, bevor ich Dich gesehen habe.” 

Viel hatte sich an Bord nicht geändert. Auch der Hausmeister war noch ganz der Alte. Aber er hatte recht, ich musste dringend unter die Dusche. Nachdem ich die Crew informiert hatte, was mir seit meiner Verhaftung passiert war, ließ ich lange das heiße Duschwasser über meinen Körper laufen und legte mich dann ins Bett. Ein tiefer, unruhiger Schlaf übermannte mich, noch bevor mein Kopf das Kissen berührte.

*

Laute Schritte, Geschrei. Ein Tumult riss mich aus dem Schlaf. Irgendwas war los an Bord. Müde und erschöpft stand ich auf. Durch das Fenster war immer noch die Wüste vom Mond Daymar zu sehen. Weit waren wir nicht gekommen. In der Messe fand ich die Erklärung für den Krach. Der Hausmeister lag bewusstlos auf dem Boden. Brubacker und Husky stritten lautstark.

Die Crew hatte den Plan, in das Hades System zu fliegen. Sie wollten den Geheimnissen des Artefakts folgen, das sie an Bord gefunden hatten. Doch auf Anweisung von Anvil verhinderte der Hausmeister diesen Plan. Husky hatte Mr. Aruhso ausgeknockt und wollte Fakten schaffen. Brubacker war strikt dagegen und außer sich vor Wut.

Als Zaungast der hitzigen Situation stand ich in Unterhose in der Messe. Mit dem Streit der beiden wollte ich nichts zu tun haben. Ich sehnte mich nach Frieden. Außerdem hatte ich ein anderes Problem. Ich brauchte etwas zum Anziehen und einen neuen Raumanzug.  

Im Mannschaftsquartier fand ich ein paar Klamotten. Gerade als ich die Schuhe anziehen wollte, wackelte der Boden. 

“Alle festhalten!”, hallte es über das Intercom

Ein unsanfter Ruck riss mich von den Beinen. Für einen Moment gingen die Lichter aus. 

“Alle in die Messe, pronto!” Brubackers Stimme klang alles andere als amüsiert.

Brubacker, Husky und Ella saßen bereits am Tisch, als ich die Messe betrat. Mr. Aruhso lag noch auf der Krankenstation. Husky hatte tatsächlich nicht locker gelassen. Er wollte einfach in das Hades System fliegen. Allerdings spielte die Carrack nicht mit. Kurz nach dem Start fiel sie zurück auf die Mondoberfläche. Irgendetwas stimmte mit dem Antrieb nicht. Wir waren auf dem Mond Daymar gestrandet. Brubacker war stink sauer.

“Ist euch eigentlich klar, was das bedeuten kann? Das Ende des Projekts, oder meint ihr ernsthaft, das hat keine Konsequenzen?”

Stille, keiner sagte etwas. Dann ergriff ich das Wort.

“Das ist doch nicht dramatisch. Ich hab schon Schlimmeres erlebt. Ach ja, wisst ihr, wo ich an Bord einen Raumanzug finden kann?”

Meine Frage goss Öl ins Feuer. Brubacker explodierte.

“Ja, Zero, alles klar.”

Mein Gott war Brubacker drauf. Auf so eine Stimmung hatte ich keine Lust. Auf dem Weg zur Tür erwiderte ich  “Bru, komm mal wieder runter.”

Abstand von den Streitereien fand ich auf der Brücke. Die Aussicht war fantastisch. Der Zentralstern von Stanton stand tief und warf lange Schatten über den Sand. Plötzlich sah ich eine Staubwolke, die sich vom Schiff entfernte. Es war der Hausmeister, der sich mit dem Rover auf und davon machte. Brubacker versuchte erfolglos, ihn über Funk zum Umkehren zu bewegen. Erst als Ella sich einschaltete, kehrte er um und kam zurück an Bord. Brubacker rief erneut alle in die Messe.

Kaum waren wir da, schnauzte Brubacker den Hausmeister an.

“Mr. Aruhso, haben Sie an dem Schiff etwas manipuliert? Ich muss das jetzt wirklich wissen.”

Der Hausmeister antwortete in seiner typischen ruhigen und doch irgendwie überheblichen Art.

“Mr. Brubacker, das kann schon sein. Ich habe Ihnen und Ihrer Crew nun schon mehrfach angeboten, mich einfach abzusetzen und dann können Sie Ihrer Wege gehen.”

“…aber das wollen wir doch gar nicht…”, Brubacker klang fast verzweifelt.

“Wie auch immer. Wenn Sie mir versprechen, dass Sie mich nicht einfach wieder außer Gefecht setzen und irgendwo entsorgen, baue ich die Entriegelung aus.”

“Hauptsache, wir kommen hier weg”, warf Husky ein.

“…aber klären Sie das erstmal mit Ihrer Crew. Bis dahin bleibt alles so wie es ist.”

Der Hausmeister hatte gesprochen. Und wir saßen fest, gestrandet in der Wüste. Irgendwie konnte ich ihn verstehen. Hursten Security hatte mich außer Gefecht gesetzt und mitsamt meiner White-Rabbit entsorgt. Bei Mr. Aruhso war es zwar nicht ganz das Gleiche, aber doch irgendwie ähnlich.

*

Ruhe war in die Carrack eingekehrt. Die Crew lag schlafend in den Kojen. Das schwache Licht von Millionen Lichtpunkten am nächtlichen Firmament durchflutete die Brücke. Weit war ich nach meiner Flucht aus der unterirdischen Strafanstalt und der Rettung aus der Notunterkunft nicht gekommen. Und der Streit der Crew nervte. Doch im Moment war mir das egal. Hauptsache ich war in Sicherheit und konnte die Sterne sehen. Mit ausgebreiteten Armen stand ich hinter der riesigen Scheibe auf der Brücke der Carrack. Das funkelnde Lichtspiel über mir war eine Wohltat. Wie eine dünne Schicht Sternenstaub, legte sich etwas Zuversicht auf meine gebeutelte Seele.

Die Perspektive von Brubacker….