Log #181 – Ersatzteile

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Raumschiff und Crew hatten einen Tiefpunkt erreicht. Einfach so konnten wir nicht neu durchstarten.


Nicht nur die Carrack war am Boden, die Stimmung an Bord war es auch. Wieder entfernte sich der Rover vom Schiff. Diesmal war es nicht der Hausmeister, sondern Husky, der sich aus dem Staub machte. Die Streitereien der Crew gingen mir mächtig auf die Nerven. Ich sehnte mich nach Ruhe und Frieden. Wäre es doch besser, als Eremit in der Wüste zu leben? Sollte ich mich auch aus dem Staub machen? Mit der Carrack den Mond zu verlassen war auf jeden Fall nicht möglich. Nicht bevor wir Ersatzteile hatten, um den Schaden am Schiff zu beheben.

Brubacker stürmte auf die Brücke.

“Husky, wo willst Du hin? Mach es nicht noch schlimmer, als es ohnehin schon ist. Komm bitte zurück.”

“Nein, ihr hattet Eure Chance.”

Ein kurzes Knacken, dann war Stille im Funk. Der Rover verschwand am Horizont.

Brubacker wandte sich an den Hausmeister.

“Mr. Aruhso, schaffen Sie es vielleicht, das Schiff doch zu starten?” 

“Ich gebe mein Bestes.”

Es dauerte eine Weile, dann hob die Carrack schwerfällig ab. Sie schwankte hin und her, kippte fast zur Seite. Übelkeit breitete sich in meinem Magen aus.

“Richtig in die Höhe bekomme ich sie nicht. Es wäre besser, wenn wir erst den Schaden am Schiff reparieren”, meldete der Hausmeister aus dem Pilotensitz.

“Soll ich vielleicht aussteigen und schieben?” Allmählich nervte mich das anfällige Raumschiff. Einen ganz schönen Schrotthaufen hatte Brubacker von Anvil bekommen.

Sehr langsam flogen wir im Tiefflug über den Sand von Daymar. Erst war die Sandfläche flach wie ein See, dann breiteten sich unter uns tiefe Canyons aus. Vom Rover war weit und breit nichts zu sehen. Als ob die Suche nicht schon schwer genug wäre, senkte sich Stantons Stern hinter den Horizont. Die Sicht wurde immer schlechter.

“Dort drüben”, rief Ella plötzlich.

In der Ferne war auf einem Plateau das Wrack einer Caterpillar zu sehen.

“Vielleicht finden wir dort Ersatzteile.”

“Ich schaffe es nicht über den Canyon. Wir gehen runter”, presste der Hausmeister angestrengt heraus.

Unerwartet sanft landete die Carrack auf einem Plateau. Die Triebwerke verstummten. Wir waren nur wenige Hundert Meter vom Wrack der Caterpillar entfernt. Allerdings lag ein tiefer Canyon zwischen uns und dem Wrack. Die erhofften Ersatzteile waren außer Reichweite. 

Brubacker verließ das Schiff. Der Wahnsinnige versuchte tatsächlich, zu Fuß zur Caterpillar zu kommen. Es war mir völlig schleierhaft, wie er die steilen Hänge des Canyons runter und wieder hoch kommen wollte. Alle Appelle zurück zu kommen ignorierte er.

“Die Platine der Flugkontrolle ist durchgebrannt. Wir brauchen Ersatz. Ohne kommen wir nicht weiter”, stellte Mr. Aruhso knochentrocken fest.

“Die Caterpillar hat einen Serverraum. Da könnten wir was passendes finden.” Ich war schon öfters an Bord einer Caterpillar und wusste genau wo ich suchen musste. Wir mussten nur noch das Wrack erreichen.

Zu meiner Überraschung schaffte es der Hausmeister, die Carrack doch noch in die Luft zu bekommen. Das Wrack der Caterpillar war inzwischen in der Dunkelheit kaum noch zu sehen. Vorsichtig näherten wir uns den Überresten des Transportschiffes. Im Licht der Scheinwerfer schälten sich die zerborstenen Metallteile aus der Schwärze der Nacht. Die Caterpillar war in mehrere Teile zerbrochen. Beim Absturz hatte sie eine tiefe Furche in den Sand gerissen.

Obwohl Ängste und Sorgen mich fest im Griff hatten, ergriff ich die Initiative.

“OK, ich weiß wo ich eine Platine finden kann. Es wäre mir aber recht, wenn jemand mitgeht und mir den Rücken frei hält.” 

“Ich begleite Dich Zero.” Die sanfte Stimme von Ella wirkte wie eine Beruhigungsspritze.

Die Scheinwerfer der Carrack tauchten die Caterpillar in ein unheimliches Spiel aus Licht und Schatten. Metallstreben ragten fingerartig empor und durchbrachen den Lichtschein. Wie ein gestrandeter Wal lag der zerbrochene Schiffsrumpf leblos im Sand. Wir hatten keine Ahnung, was uns in dem Wrack erwarten würde. Dennoch trieb mich ein unerwartetes Gefühl der Sicherheit voran. Es tat gut, eine Aufgabe zu haben, ein klares Ziel zu sehen. Zielstrebig lief ich mit Ella auf das Heck der Caterpillar zu. Nichts konnte mich von meinem Weg abbringen. Dachte ich.

Als wir das Wrack erreichten, blieb ich abrupt stehen. Überall lagen Kisten im Sand verstreut. Teile der Ladung waren aus dem Frachtmodul gefallen. Es waren keine großen Frachtcontainer, sondern kleine Kisten, die ich tragen konnte. Die ich mitnehmen musste.

“Schau mal Kisten. Überall. Die nehmen wir mit.”

“Zero. Wir haben eine Aufgabe. Lass die Kisten liegen.”

Ich hörte die Stimme von Ella nur ganz entfernt. Wie im Bann ging ich zu den Kisten.

“Da ist eine Kiste mit Schmuggelware. Die ist bestimmt sau viel wert.”

“Zero. Lass das!” 

Ella’s Stimme war immer noch sanft, aber trotzdem sehr bestimmt. Sie traf mich wie eine leichte Ohrfeige. Ein Schlag, der mich aus meinem Wahn zurück holte.

“OK. Aber die eine Kiste mit der Schmuggelware nehm ich mit.”

Ella hatte recht. Wir hatten eine Aufgabe. Die Crew verließ sich auf uns. Meine neu gefundene Zielstrebigkeit kehrte zurück. Doch am Zugang zum Heck des Wracks verließ mich der Mut. Ein schwarzes Loch führte in den Rumpf der Caterpillar. Kein Licht war im Inneren. Nichts als Schwärze. Am Körper trug ich nur einen einfachen Raumanzug. Keine Rüstung, keine Waffe. Ich fühlte mich nackt und schutzlos. Unsicher schaute ich zu Ella, die eine Rüstung und eine Waffe hatte.

“Ladies first.”

Ohne zu zögern ging Ella voran. Woher hatte sie nur diesen Mut? Im Schein ihrer Helmlampe fanden wir den Serverraum. Gerade als ich die Platine ausgebaut hatte, hörten wir Schüsse. Der Hausmeister meldete sich von der Carrack.

“Da bekämpfen sich zwei Raumschiffe ein Stück entfernt. Hat nichts mit uns zu tun. Kommt trotzdem schnell zurück.”

Dann war noch eine Stimme im Funk zu hören. 

“Beeilt euch Leute. Mir geht hier langsam die Puste aus.” 

Es war Brubacker. Er steckte mit Sauerstoffmangel im Canyon fest. War ja klar, dass er es nicht durch den Canyon schaffen würde. Jetzt hatten wir noch einen Notfall.

So schnell es ging, rannten wir zur Carrack zurück und tauschten die Platine. Die Hilferufe von Brubacker wurden immer kläglicher. Die Zeit lief uns davon. Schließlich schwebte die Carrack in den Canyon hinunter. Brubacker war mehr bewusstlos als lebendig. Ella versuchte vergebens, ihn mit der Medgun wiederzubeleben. Mit vereinten Kräften schafften wir es schließlich, ihn auf die Krankenstation zu schleifen.

Einige Stunden später war Brubacker wieder auf den Beinen. Auch die Carrack war repariert. Wir konnten die Suche nach Husky wieder aufnehmen. Doch wie sollten wir einen kleinen Rover in der Unendlichkeit der Wüste finden? Husky konnte sonst wo sein. Auch die Scanner spürten nichts auf. Ziellos flogen wir durch die Nacht. Die Canyons machten die Suche nicht gerade einfacher. 

Nach einer Ewigkeit hörten wir eine schwache Stimme im Funk.

“Hey Leute. Ich sehe Euch. Ihr müsst weiter nach links.”

“Husky bist Du das? Du klingst nicht gut.”

“Mir geht es auch nicht gut.”

Kurz darauf nahmen wir Husky und den Rover an Bord. Wir waren wieder komplett und das Schiff mit den Ersatzteilen fit gemacht. Wir konnten unsere Reise starten. Ich hoffte nur, dass jetzt Frieden an Bord einkehren würde.