Log #255 – Unverständniss

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Auf unserer Expedition passierten Dinge, die auf Unverständnis stießen. Eine Probe für unsere Freundschaft.


Ich war gerade aufgestanden und mit einem Dosenkaffee in der Hand auf dem Weg durch den langen Gang zur Messe der Starlancer. Meine nackten Füße machten auf dem Metallboden ein leicht klatschendes Geräusch. Etwas schlaftrunken trat ich durch die Tür zur Messe. Brubacker, Friedrich und Hermieoth schauten mich irritiert an. Schnell stellte sich heraus, dass sie mich nicht anstarrten, weil ich nur eine Unterhose und ein T-Shirt trug. Sie starrten mich wegen dem T-Shirt an, genau genommen wegen dem Schriftzug darauf.

“‘Future Navy Pilot’!? Sowas trägst Du? Geht’s noch Zero?”, fragte Brubacker in einem leicht entsetzten Ton.

“Sagt der, der einen UEE Raumanzug trägt”, antwortete ich.

“Aber Du lehnst das UEE doch ab.”

“Hab ich nach dem Training in der Flugschule während der Invictus Launch Week bekommen. Als Schlafanzug taugt das ganz gut.”

“Du hast was?”

Das Unverständnis von Bru schien immer größer zu werden. Auch die anderen schüttelten irritiert den Kopf.

“Es ist gut zu wissen, wie die Security auf Patroullie agiert. Ich will während eines Schmuggels nicht, dass plötzlich die Security wie ein Valakkar aus dem Nichts auftaucht.”

Friedrich beendete die Diskussion und erläuterte uns den Plan für den heutigen Tag. Er hatte Stellen auf dem Mond ausgekundschaftet, an denen wir unsere Suche nach Materialien, die bei der Lösung der Regen-Krise helfen könnten, fortfahren wollten. Nachdem der erste Tag unserer Expedition unter keinem guten Stern stand, war ich etwas in Sorge und fragte.

“Habt ihr heute Nacht Stimmen gehört? Eine Prophezeiung oder so? Laut der Legende hat der Prophet von Pyro das Ende der Bergbauunternehmen vorhergesagt. Nicht dass uns ähnliches droht.”

“So ein Quatsch. Jetzt zieh dir mal was ordentliches an”, wischte Bru meine Bedenken zur Seite.

Nachdem ich mich umgezogen hatte, flogen wir zum ersten Punkt, den Friedrich ausgekundschaftet hatte. Es war eine Höhle. 

Ich stand am Rand des tiefen Lochs, das sich inmitten der Sandwüste befand. Mit metallischem Stapfen näherte sich von hinten Brubacker in einem ATLS Geo. Hermieoth und Friedrich waren bereits nach unten geklettert. Bru aktivierte den Jetpack des Geos, um auch nach unten zu springen. Allerdings verfehlte er das Loch und landete auf der anderen Seite. Grinsend schaute ich seinen Bemühungen zu. Zu meiner Sicherheit beschloss ich zu warten bis Bru unten war. Dann kletterte ich in das Loch.

Unten erwartete uns eine verzweigte Steinhöhle. Als wir einen schmalen Gang, der für den Geo zu eng war,  passierten, öffnete sich die Höhle zu einer großen Halle. Überall an den Wänden und der Decke wuchsen Pilze, die in einem schwachen Blau leuchteten. Es war ein beeindruckendes Schauspiel, als ob man den Sternenhimmel um sich herum hatte. Fasziniert blickte ich von oben in die dunkle Halle hinunter. Im schwachen Licht der Pilze konnte ich schmale Steinbrücken, Absätze und Galerien erkennen. Ab und zu war das Poltern eines herabfallenden Steins zu hören, das ein hallendes Echo auslöste.

Vorsichtig kletterte ich einen Absatz hinunter und folgte dem schmalen Weg. Rechts war die Wand, links ging es tief in den Abgrund. Nach einigen Metern fand ich einen Durchgang zu einem Seitenarm. Ich ging hinein. Plötzlich machte es mit jedem Schritt „Platsch, platsch, platsch”. Eine Flüssigkeit lief über mein Helmvisier.

“Leute, hier ist es nass”, informierte ich die anderen über den Funk.

Ich durchsuchte den Seitengang und fand einen Stein mit Mineralien. Mit dem Multitool fing ich an den Stein zu bearbeiten. Der gelbe Bergbaulaser penetrierte den Stein, bis er anfing zu glühen. Plötzlich gab es einen lauten Knall. Eine starke Druckwelle schleuderte mich auf den Boden. Stöhnend versuchte ich mich zu bewegen, vergebens. Das Stöhnen im Funk der Anderen war das Letzte, was ich hörte, dann wurde es schwarz vor meinen Augen.

Ein stechender Schmerz und ein Brennen holten mich ins Bewusstsein zurück. Langsam öffnete ich die Augen und sah Hermieoth der sich über mich beugte. Er hatte mir ein Medpen in die Brust gerammt. 

“Ich wurde gegen die Wand geschleudert und hatte kurz das Bewusstsein verloren”, hörte ich seine Stimme noch etwas entfernt. “Bru und Friedrich liegen da drüben auf der schmalen Brücke. Friedrich stürzt gleich ab. Hast Du einen Traktorstrahl? Wir müssen ihn sichern.”

Mühsam rappelte ich mich auf und tauschte den Bergbau-Aufsatz des Multitools gegen den Traktorstrahl. Nachdem wir Friedrich gesichert hatten, behandelten wir ihn und Bru mit der Medgun.

“Was war denn das?”, fragte Brubacker.

“Vermutlich eine Verpuffung. Könnte Wasserstoff sein. Vielleicht produzieren die Pilze den”, vermutete Friedrich.

“Künftig sollte einer im Raumschiff bleiben, um im Notfall helfen zu können”, stellte Hermieoth fest.

“Diese Höhle ist verflucht. Der ganze Mond ist verflucht. Die Prophezeiung des Propheten, sie wird wahr. Wir müssen hier weg”, rief ich und verließ ohne auf die anderen zu warten die Höhle.

Im Raumschiff öffnete ich mir erstmal eine Dose Rust, um mich von dem Schrecken zu erholen. Bis die anderen zurück waren, hatte ich bereits zwei Dosen von dem starken Alkohol intus. 

Plötzlich ertönte eine Alarm. Ich konnte es nicht fassen. Was war denn jetzt wieder los?

“Eine Sonneneruption”, stellte Friedrich fest.

“Bru, fahr die Schiffssysteme herunter. Alle in den Maschinenraum, da haben wir den besten Schutz”, befahl Hermieoth.

Alle rannten wie aufgescheuchte Hühner herum. Ich saß am Tisch und beobachtete mit meinem Rust in der Hand das Treiben.

“Zero los! Wir haben noch 30 Sekunden”, rief Hermieoth.

Langsam stand ich auf und ging zum Maschinenraum.

“Zero, noch 10 Sekunden!”

Kaum hatte sich die Tür des Maschinenraums hinter mir geschlossen, ging das Licht aus und die rote Notfallbeleuchtung fing an zu blinken. Durch die Wirkung der Sonneneruption waren mehrere Sicherungen durchgebrannt. Diese Expedition stand wirklich unter keinem guten Stern. So langsam fing ich wirklich an, an die Untergangs Prophezeiung des Propheten zu glauben.

Nachdem wir die Sicherungen getauscht hatten, beschlossen wir trotz aller Hindernisse, den zweiten Punkt anzufliegen, den Friedrich ausgekundschaftet hatte.

Ich steuerte die Starlancer durch die Nacht und scannte nach Energiesignaturen. Irgendwann zeigten die Sensoren eine Signatur an, mit der ich nicht gerechnet hatte. Sofort landete ich das Schiff. Die Signatur befand sich direkt vor uns. Ich schaltete das Licht an.

“Was ist das?”, fragte Brubacker.

“Junge Valakkare”, antwortete ich voller Begeisterung und rannte zum Fahrstuhl.

Im Schein der Scheinwerfer steckten zwei Sandwürmer die Köpfe aus dem Sand. Trotz der Bedenken der anderen verließ ich das Raumschiff. Doch auch bei ihnen schien die Neugier zu überwiegen und sie folgten mir.

Eine Weile beobachteten wir den Tanz der Valakkare, dann folgte ich der Tradition der Wüstenvölker. Ich näherte mich dem Tier und stellte mich dem Kampf. Diesmal nicht in einem gepanzerten Fahrzeug, sondern ehrenhaft von Angesicht zu Angesicht. Der Valakkar bespuckte mich. Seine ausgespuckte Materie schlug schmerzhaft in meine Rüstung ein. Ich unterdrückte den Schmerz und bewegte mich im Zickzack auf ihn zu. Trotz der Gefahr musste ich mich von vorne nähern, denn dort waren seine verwundbaren Stellen. Der Sandwurm riss sein großes dreiteiliges Maul auf und drohte mit seinen furchteinflößenden Zähnen. Dann traf ihn der Laserstrahl meines Ripper SMG. Der Wurm schien unbeeindruckt, spuckte und drohte weiter. Eine weitere Materie-Ladung des Wurms prasselte gegen meine Rüstung. Ich versuchte auszuweichen und dabei den Laser auf ihn gerichtet zu lassen. Es war ein gemeinsamer Tanz um Leben und Tod.

Nach mehreren Sekunden des Tanzes brach der Valakkar zusammen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht behandelte ich meine Wunden mit der Medgun. Dann ging ich zu dem toten Tier und entfernte seine Reißzähne. Die Verärgerung meiner Freunde versuchte ich zu ignorieren. Sie verstanden nicht welcher Tradition ich folgte.

Doch dann passierte etwas Unerwartetes. Brubacker näherte sich dem zweiten Wurm. Als er direkt vor dem Valakkar stand, stellte der Sandwurm seinen Angriff ein. Wie hypnotisiert stand der Wurm fast regungslos direkt vor Brubacker. Perplex und fasziniert, beobachtete ich das Geschehen. 

“Brubacker hat den Valakkar beschworen”, sagte ich ehrfürchtig.

Hermieoth und Friedrich gesellten sich dazu. Sie posierten neben dem Wurm und machten Fotos. Ich verstand nicht, was da gerade passierte. Dann drehte Brubacker dem Valakkar den Rücken zu und entfernte sich. Sofort spuckte der Wurm auf Brubacker. Mein Zeigefinger krümmte sich und der Laserstrahl meines Ripper SMG durchbohrte den Sandwurm. Nach mehreren Sekunden brach der Valakkar tot zusammen.

Brubacker, Hermieoth und Friedrich fingen an, mich wütend zu beschimpfen. Sie machten mir Vorwürfe, weil ich die Tiere getötet hatte.

“Das musste doch nicht sein!”

“Ich folge der Tradition”, versuchte ich zu erklären.

“Zero, das ist doch gequirlte….”

“Die Wüste nimmt. Die Wüste gibt.”, sagte ich leise und ging zum Valakkar.

Ich nahm eine Handvoll Sand und ließ ihn über den Kopf des Valakkars rieseln. Dabei flüsterte ich.

“Der mächtige Herrscher kehrt zur Wüste zurück und wird ein Teil von ihr.”

Währenddessen hörte ich die Beschimpfungen meiner Freunde. Sie begegneten meiner Wüsten-Tradition mit völligem Unverständnis. Sie konnten nicht nachvollziehen, dass die Wüstenvölker seit Generationen einen Kampf um Territorium und Überleben mit dem Sandwurm führten. Der Sandwurm war Teil ihrer Kultur, er jagte die Menschen, die Menschen jagten ihn. Beide wollten die Wüste bewohnen und beherrschen. Dabei hegten die Wüstenvölker keine Feindseligkeit gegenüber dem Sandwurm, sondern Ehrfurcht und Respekt. Der Sandwurm war das mächtigste Wesen der Wüste und nicht jeder überlebte eine Begegnung mit ihm.

Während ich das Ritual vollzog, kämpfte ich um meine innere Balance. Ich schwankte zwischen Wut auf meine Freunde und Verständnis für ihr Unwissen. Sie konnten nicht nachvollziehen, was ich tat und zeigten keine Toleranz gegenüber meiner Kultur. Das stellte meine Toleranz auf eine harte Probe. Meine Toleranz endete dort, wo sie auf Intoleranz traf.

Die Stimmung war gedrückt, als wir weiterflogen. Auf dem Weg zum Basislager stoppten wir bei einer verlassenen Siedlung. Außer Lebensmittel und Rüstungen der Xenothreat fanden wir nichts. Ich nahm einige Teile mit, was meine Stimmung hob und mich wieder in eine innere Balance brachte. Was machte Freundschaft aus?  Verständnis, Toleranz und Respekt, insbesondere wenn man unterschiedliche Ansichten hatte. Ich hoffte, dass meine Freunde das auch so sahen und sich der Groll gegen mich legte.