Log #254 – Expeditionsstart

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Wir hatten einen holprigen Start in eine Expedition.


Blitze. Lichtverzerrungen. Ein bläulicher Strudel aus Gasen, Licht und Energie nahm Gestalt an. Das Wurmloch öffnete sich. Durch den schmalen Sehschlitz der Starlancer Max schien die Helligkeit viel gebündelter ins Cockpit zu strömen. Ich kniff die Augen zusammen. Dann tauchte ich mit dem Raumschiff in den Strudel ein und folgte dem Tunnel in das Pyro-System.

Es ging los. Eine Expedition ins Ungewisse um Mineralien zu finden, die bei der Lösung der Regen-Krise helfen sollten. Friedrich Winters hatte die Expedition ins Leben gerufen. Nachdem ich mich mit ihm und Hermieoth auf dem Planeten ArcCorp getroffen hatte, starteten die Vorbereitungen. Friedrich hatte auf dem Mond Fairo eine abgelegene Insel ausgekundschaftet, die wir als Ausgangspunkt nutzen wollten. Ich hatte die Citizens for Prosperity kontaktiert, um Unterstützung zu bekommen. Und tatsächlich stellten sie mir erneut die Starlancer Max, ausgestattet mit einer Bergbau Basisausrüstung, Verpflegung und einem ROC Boden-Bergbaufahrzeug zur Verfügung. Zusätzlich hatte ich weitere Fracht an Bord. Im Auftrag der Organisation Overshield brachte ich Hilfsgüter in das Pyro-System.

Der Tunnel des Wurmlochs änderte seine Farbe von hellblau in rotbraun. Pyro kam näher. Ich war bereits im Einflussbereich seines Flare-Sterns. Was würde mich in dem gesetzlosen Sternensystem erwarten? Obwohl wir vereinbart hatten, die Expedition geheim zu halten, hatten wir bereits viel zu viel Aufmerksamkeit. Sorgenvoll dachte ich an die Nachricht, die im CommRelay veröffentlicht worden war.

Moin Fremder,
alle sind in heller Aufregung wegen der Regenkrise und gehen sich für wertvolle Ressourcen und Profite an die Gurgel. Doch vielleicht liegt der Gewinn nicht da wo alle suchen. Ich habe Gerüchte vernommen, dass ein Unternehmer aus Stanton offenbar einen Expeditionstrupp zusammenstellt, der in Pyro etwas lukratives finden soll. Klingt interessant in meinen Ohren. Solltest du mehr über das herausfinden, was dieser Winters und sein Trupp treiben, lass es mich wissen. Erstell im Datacrypt unter dem String „trUeffeltalk“ einen Eintrag mit einer Zeit und einer verschlüsselten Frequenz, unter der du zu erreichen bist und wir werden sehen, ob es was zu holen gibt.
Aber ich rieche Chancen.
gez. Trüffelschwein

Wer war dieses Trüffelschwein? Seine Absichten schienen auf jeden Fall nicht freundlich zu sein? Wartete bereits ein Hinterhalt auf mich? In dem Augenblick spuckte mich das Wurmloch aus.

Braune Gaswolken, ein Meer aus zerfetzten Asteroiden und Bruchstücke alter Raumstationen umgaben mich. Die Starlancer schlängelte sich durch das Trümmerfeld. Nervös schaute ich auf das Radar. Keine Kontakte. Sofort setzte ich den Kurs zur Gaslight Station und aktivierte den Quantum-Antrieb. Mit einem Schlag verschwand die metallisch schimmernde Starlancer aus dem Asteroidenfeld und war im Quantum-Tunnel. Erst jetzt entspannte ich ein wenig und fiel zurück in den Pilotensitz.

*

Tage später befand ich mich im Anflug auf den Mond Fairo. Die Auslieferung der Hilfsgüter von Overshield verlief erstaunlich problemlos. Nachdem dieser Job erledigt war, konnte ich mich ganz auf die Expedition konzentrieren. Wobei es noch eine Sache zu tun gab, bevor wir mit der Suche nach Mineralien starten konnten. Ich hoffte, die anderen würden deshalb nicht zu sehr verärgert sein. Immerhin waren alle wegen dem Trüffelschwein etwas nervös.

Flammen schlängelten sich um die Starlancer, als ich in die Atmosphäre des Mondes eintrat. Seine Luft war atembar und die Temperaturen mild. Deshalb hatte Friedrich den Mond als Ausgangspunkt für unsere Expedition gewählt. Allerdings wusste ich nicht so genau, wo ich hin musste. Es war Nacht und ich konnte kaum irgendwelche Geländemerkmale sehen. Auf der Karte, die Friedrich geschickt hatte, war die Insel eindeutig zu erkennen. Der Blick aus dem Cockpitfenster sah jedoch anders aus. Ich tappte im wahrsten Sinne des Wortes im Dunkeln. Auf gut Glück flog ich einen Punkt an, der mir am ehesten zu passen schien.

Nach einer Weile erfasste ich Radarsignale. Eines davon war die ‘Silver Arrow’, das Raumschiff von Friedrich Winters. Ich war an der richtigen Stelle. Nach der Landung wurde ich freudig begrüßt. Hermieoth und Brubacker waren auch schon eingetroffen. Brubacker lud gerade zwei ATLS GEO Bergbau-Mechs aus, die er mitgebracht hatte.

Während wir uns unterhielten, donnerte plötzlich eine Zeus über das Lager. Alle schauten nervös nach oben.

“Verflucht! Ich dachte, der Ort wäre so weit abgelegen, dass uns hier keiner findet”, sagte Hermieoth.

“Keine Sorge, der gehört zu mir. Das ist Xine. Er will Brubacker treffen”, antwortete ich.

Brubacker schaute mich erbost an.

“Du kannst doch nicht einfach jemanden unseren Standort geben, der nicht zur Expedition gehört.”

“Xine ist vertrauenswürdig und verschwiegen. Ich hab schon oft mit ihm zusammengearbeitet.”

Es war offensichtlich, dass die Gruppe nicht begeistert war. Aber ich hatte einen Deal mit Xine. Er hatte mir etwas besorgt, ich ihm dafür das Treffen mit Brubacker organisiert. Und der Grund, wegen dem Xine mit Bru reden wollte, schien mir keinen längeren Aufschub zu dulden. Wir versammelten uns in der Messe der Starlancer.

“Sie sind schwer zu finden Herr Brubacker”, sagte Xine.

“Aus gutem Grund. Warum wollen Sie mich treffen?”

Xine erzählte, dass er den Auftrag hatte, den Reporter ausfindig zu machen, der den Artikel über den Killer-Satelliten veröffentlicht hatte. Die Sache würde wohl wieder neu hoch kommen. Er hätte ein Video, das einen Killer-Satelliten zeigen würde. Ich kannte das Video. Darauf war ein Satellit zu sehen, der sich im Orbit eines Himmelskörpers befand. Ob es wirklich ein Killer-Satellit war, wusste ich nicht. Ignorieren wollte ich die Sache aber auch nicht. 

Die ganze Situation war merkwürdig. Xine rückte nicht so richtig raus, was er wollte. Er druckste herum, konnte oder wollte seinen Auftraggeber und die Quelle des Videos nicht nennen. Er sagte nur, dass er einer Spur folgte. Auch Brubacker war sehr zurückhaltend. Das ganze Gespräch verlief merkwürdig. Was waren die Absichten von Xine? Ich fragte mich, ob es ein Fehler war, ihn hierher zu bringen und ihm unseren Standort zu offenbaren.

Irgendwann kamen wir auf ENOS zu sprechen. Xine erhielt von uns die Namen Thane McMarshall und Kjeld Stormanson. Das schien ihn zufriedenzustellen. Wir warnten ihn, wie gefährlich die Mächte hinter ENOS seien und dass die Sache noch nicht ausgestanden war. 

“Sei vorsichtig Xine”, mahnte ich. “Vielleicht will Dein Auftraggeber die Personen ausfindig machen, die den ganzen Skandal aufgedeckt haben und sich rächen.”

“Macht euch mal nicht in die Hose”, erwiderte Xine.

Da platzte Friedrich der Kraken.

“´Herr Xine, ich erwarte von ihnen mehr Respekt. So kann man nicht mit Menschen reden, die sich in der Sache engagiert, sich in Gefahr gebracht und den Skandal aufgedeckt haben.”

Die Situation drohte aus der Balance zu geraten. Ich hatte uns die Sache eingebrockt, jetzt musste ich uns auch wieder aus dem ganzen raus bringen.

„Vielleicht sollten wir die Gelegenheit nutzen und unsere Ausrüstung prüfen”, warf ich ein. ”Wenn irgendetwas fehlt, kann Xine uns das besorgen. Darin ist er echt gut. Er hat mir schon alles mögliche organisiert und Geschäfte für mich abgewickelt, ohne dass ich in Erscheinung treten musste. Verdammt hilfreich wenn jemand wie Ray Keaton der Geschäftspartner ist. Und Ray hat nie erfahren, dass er indirekt mit mir Geschäfte gemacht hat.“

Gemeinsam machten wir im Frachtraum eine Bestandsaufnahme. Wir hatten alles, was wir brauchten. Xine konnte oder wollte nicht bleiben und flog ab. Wir waren unter uns.

“Also mir ist überhaupt nicht wohl dabei, wenn jemand unseren Standort kennt, der nicht bei der Expedition dabei ist”, sagte Friedrich abschließend. 

Auch mir war nicht ganz wohl bei der Sache. Ich vertraute Xine, aber meine Freunde konnte ich nicht von seiner Verlässlichkeit überzeugen. Und so ganz klar war mir auch nicht, welchen Weg Xine beschritt. Ein fader Beigeschmack blieb.

“Fährst Du den ROC Zero?”

Die Worte von Friedrich rissen mich aus meinen Gedanken. Er hatte uns auf die Fahrzeuge aufgeteilt und wir fingen an, den Mond zu untersuchen.

Schnell fanden wir das erste Cluster mit Mineralien. Die Untersuchung ergab allerdings, dass es sich um Beradom handelte. Es war keines der Mineralien, die für die Forschung benötigt wurden. Friedrich, Brubacker und Hermieoth suchten weiter, während ich das Cluster mit dem ROC abbaute. Beradom mochte nicht das wertvollste Mineral sein, dennoch konnte es dazu beitragen, die Expedition zu finanzieren.

Einen nach dem anderen der 19 Steine fing ich an mit dem Laser zu bearbeiten. Andere mochten diese Beschäftigung eintönig finden, ich fand es entspannend. Im Funk hörte ich die anderen sprechen. Ich schwieg und gab mich ganz meiner Situation hin. Es war geradezu meditativ, dem Summen des Lasers zu lauschen, zu sehen, wie die Steine zerbrachen und die Mineralien vom Traktorstrahl aufgesaugt wurden.

Während ich arbeitete, verfärbte die Morgendämmerung den schwarzen Nachthimmel rosa. Der Gasriese Pyro V stieg wie eine gigantische matte rosa Scheibe hinter dem Horizont auf, gefolgt vom Stern Pyros, der im Vergleich winzig wirkte. Es war ein atemberaubender Anblick. Wir waren ewig weit weg vom Zentralstern, von Stanton, von der Zivilisation. Und genau so fühlte es sich an. Es war genau das, was ich suchte. Die Abgeschiedenheit auf fremden Welten. Ein Leben in den Grenzgebieten.

Nachdem ich alle Steine abgebaut hatte, fuhr ich zu den anderen. Sie hatten noch Obsidian gefunden, allerdings war der Felsen für den ROC zu massiv. Wir beschlossen, zu unseren Schiffen zurückzukehren. Friedrich und Brubacker waren im Cyclon viel schneller als ich mit dem ROC. Hermieoth mit dem Hoverbike sowieso. 

Der ROC holperte quälend über den unebenen Untergrund. Er kämpfte sich mühsam durch den roten Sand, über Steine und Grasbüschel und schüttelte mich dabei unangenehm durch. Mit der Zeit fing mir der Rücken an weh zu tun. Der Ausblick entschädigte jedoch alle Qualen. Ich schaute auf das Meer hinaus und hatte das Gefühl, in die Ewigkeit zu blicken. Das rosa Meer verschmolz am Horizont mit dem rosa Himmel. Es war ein nahtloser Übergang, der die Grenze zwischen oben und unten aufhob.

Irgendwann stand ich vor einem kleinen See. Genau auf der anderen Seite waren unsere Raumschiffe geparkt. Es war nicht weit, ich hätte fast einen Stein auf die andere Seite werfen können. Und das Wasser sah auch nicht tief aus. Dagegen war der Weg außenrum ziemlich lang. Ich war müde, durchgeschüttelt, der Rücken tat mir weh. In der Werbung des Greycat MTC hatten sie gezeigt wie er durch Wasser fuhr. Warum sollte der Greycat ROC das nicht können, dachte ich mir. Also beschloss ich, den direkten Weg durch das Wasser zu nehmen.

Langsam steuerte ich den ROC über das Ufer. Die großen Ballonreifen tasteten sich in das Wasser, verdrängten es und tauchten tiefer ein. Es sah gut aus. Die Reifen waren nur bis zur Hälfte im Wasser, der ROC bewegte sich stetig vorwärts. Eine kleine Bugwelle schwappte vor dem Fahrzeug. Plötzlich gab es einen lauten Knall. 

Als ich die Augen wieder öffnete, lag der ROC neben mir auf dem Kopf. Ein Rad war abgerissen und der Frachtbehälter lag daneben. Ich selber lag zwei Meter entfernt im seichten Wasser. Vermutlich war die Energiezelle undicht und explodierte. Das Brackwasser hatte ihr wohl nicht gut getan.

Hermieoth sammelte mich mit seiner Asgard ein. Aus der Seitenluke konnte ich mit dem Traktorstrahl den Frachtbehälter mit den Mineralien darin retten. Wenigstens etwas. Der ROC selbst war verloren. Jetzt blieben uns noch die beiden GEOs und die Hand-Bergbau-Laser.

*

Spät in der Nacht, als alle im Bett waren und schliefen, ging ich nochmal raus. Ein braungelber Gas-Schleier zog sich über den nächtlichen Himmel und spiegelte sich im Wasser des Sees, an dem unsere Raumschiffe standen. Friedrich hatte eine tollen Platz ausgesucht. Er hatte wirklich ein Gespür für schöne Orte. Vermutlich eine Eigenschaft, die er als Chef von Nordlicht Aviation brauchte und die zum Erfolg seiner Scenic Cruises führte.

Ich sog den Moment in mich ein. Es war wirklich ein krasser Gegensatz. Pyro war so wunderschön und zugleich so gefährlich. Ein System der Gegensätze, ein System, das von den meisten falsch verstanden wurde. Ja, es war gesetzlos, aber trotzdem gab es hier Menschen, die in Frieden und Freiheit leben wollten. Freie Völker, für die es sich lohnte, zu kämpfen.