Log #234 – Der Weg der Wüste

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Auf der Suche nach mir selbst streifte ich durch die Wüste. Auf dem Weg lagen Erkenntnisse und Gefahren.


So viel war passiert, so viele Skandale hatten wir aufgedeckt. Den Killersatelliten-Skandal, ENOS, den Skandal um die ersten Siedler in Stanton. Und was hatte sich geändert? Nichts. Alles ging weiter wie bisher. Das UEE kümmerte es nicht, die Megakonzerne scheffelten weiter Geld auf Kosten der einfachen Leute, die Nine Tails wurden immer mehr zur Plage und die freien Völker versuchten irgendwie zu überleben. Und zu guter Letzt hatte mich Crusader Industries auch noch zum Sonderermittler gemacht

War ich noch auf dem richtigen Weg? Maria hatte mir einmal gesagt, dass es wichtig sei, seinen eigenen Ursprung zu kennen, die Quelle, der man entsprang. Nur so würde man zu sich selbst und zu der Kraft, die einen über sich hinauswachsen lässt, finden. Ich kam aus der Wüste und wuchs im Wrack eines abgestürzten Raumschiffs auf. Also zurück zu den Wurzeln.

Es waren diese Gedanken, die mich hierher brachten, in die Wüste auf dem Mond Daymar. Einsam saß ich auf einem hohen Sandhügel und blickte in die Ferne. Bis zum Horizont und darüber hinaus gab es nur das ewige Sandmeer. Dazwischen einige Dünen, Felsen und große Monolithen aus Sandstein. Die Wüste brachte mir Klarheit. Ihre einfachen Regeln zum Überleben ließen keinen Platz für Unnötiges, sie fokussierten die Gedanken auf das Wesentliche. Wiederverwerten, was andere wegwerfen. Nichts verschwenden. Die Geschenke annehmen, die die Wüste gab. Die Toten ehren, indem man dankbar annahm, was sie den Lebenden zum Überleben hinterließen. 

So sollte es sein, bis ich herausgefunden hatte wie mein Weg aussehen würde. Mehr rutschend als laufend ging ich den Sandhügel hinunter und stieg in meine Vulture. Die nächsten Tage, Wochen, wie lange es auch immer brauchen würde, wollte ich an Bord leben und durch die Wüste streifen. Die Triebwerke des kleinen Bergungsschiffes ließen die Sandkörner erzittern. Dann erhob sich der Aasgeier in die Lüfte und das Meer aus Sand glitt unter mir vorbei.

Auf Daymar gab es genug Gelegenheiten. Wracks von Raumschiffen, verlassene Siedlungen, die von den Nine Tails als Unterschlupf und Lager genutzt wurden. Und zur Not gab es Notfallunterkünfte, in denen man immer etwas zum Essen und Trinken finden konnte. 

So streifte ich durch die Wüste. Wie ein Geist tauchte ich an einer Stelle auf, nahm mit, was ich verwerten konnte und flog wieder davon, bis ich in der Ferne eins wurde mit dem Sand und in der Ewigkeit der Wüste verschwand.

Eines Abends stand ich auf der Metallplattform neben dem Cockpit der Vulture und schaute mir den Sonnenuntergang an. Als der Stern Stantons hinter dem Horizont verschwunden war, passierte etwas Magisches. Die Sandkörner hörten auf zu glitzern. Ein kräftiger Wind wirbelte den Sand auf und dann fingen die Sterne an zu glitzern. Es war, als ob der Wind das Glitzern vom Boden in den Himmel trug.

Es war der Augenblick, in dem mir klar wurde, wie mein erfolgreicher Weg aussah. Wie ich bisher überlebt hatte. Ich blieb meist unter dem Radar und tauchte nur auf, wenn es sich lohnte und wenn ich durch die Zusammenarbeit mit Freunden die Stärke hatte, um im Konzert der Mächtigen nicht zermalmt zu werden. Dabei bewahrte ich immer meine Unabhängigkeit und Freiheit.

Während ich in die Nacht hinaus starrte, erinnerte ich mich an die Geschichten aus meiner Kindheit über die Sandwürmer. Der Valakkar war ein mächtiges Geschöpf der Wüste. Er lebte unter dem Sand, war meist nicht zu sehen und tauchte nur auf, wenn es sich lohnte, wenn es etwas zu holen gab. Auch ich war ein Geschöpf der Wüste, auch ich blieb unter dem Radar und tauchte nur auf, wenn es sich lohnte. War das mein Weg? Der Weg des Valakkar? Ein Leben als Scavanger? Wiederverwerten, was andere wegwarfen? 

Mit diesem Gedanken streifte ich weiter durch die Wüste auf dem Mond Daymar, bis ich eines Tages in der Nähe des Schrottplatzes eine schwache Signatur entdeckte. Als ich näher kam, sah ich zwei grüne Frachtcontainer im Sand liegen. Der Scanner zeigte an, dass darin Gasping Weevil Eggs waren. Diese Eier eines kleinen Käfers waren im UEE verboten, extrem schwer zu kriegen und teuer. Dieser Fund war der Jackpot.

Sofort fuhr ich das Fahrwerk aus und landete neben den beiden Containern, die ein Stück voneinander entfernt lagen. Als ich die Heckrampe öffnete, blickte ich direkt auf den grünen 4 SCU Container. Mit dem Hand-Traktor-Strahl bugsierte ich den Container in meinen Frachtraum. Die Vulture hatte wirklich keinen großen Frachtraum und der Container füllte den wenigen Platz schon gut aus. 

Ich überlegte, ob ich den anderen Container auch noch holen oder besser verschwinden sollte, bevor jemand anderes kam und die Fracht für sich beanspruchte. Der Schrottplatz auf Daymar war ein gefährliches Pflaster. Und es musste einen Grund geben, warum die Container hier lagen. Einen Grund, der mit der Anwendung von Gewalt zusammenhing. 

Dummerweise hatte die Gier gesiegt. Ich ging zurück in den Sand und suchte den zweiten Container. Stantons Stern stand schon tief, genau in der Richtung, in der der Container lag. Gegen das grelle Licht konnte ich kaum etwas sehen. Mit zusammengekniffenen Augen versuchte ich, Felsen und Container zu unterscheiden. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich etwas erkennen konnte, das einen rechten Winkel hatte. Ich richtete den Traktorstrahl aus und aktivierte ihn. Langsam schwebte der Container auf mich zu.

Der zweite Container war größer als der erste. Es war offensichtlich, dass dieser nicht in den Frachtraum der Vulture passen würde. Es wäre sinnvoll gewesen sofort zu gehen, doch ich wollte es probieren. Der erste Versuch musste scheitern. Ich hatte keine Chance den Container zusätzlich zum ersten in den Frachtraum zu bekommen. 

Geblendet von Gier unternahm ich einen zweiten Versuch. Vielleicht würde ja der zweite ohne den ersten passen. Er war größer und damit gewinnbringender. Mit einem Rums landete der erste Container wieder im Sand. Eine kleine Staubwolke wirbelte dabei auf. Dann steuerte ich vorsichtig den zweiten Container in den Frachtraum. Plötzlich hörte ich einen lauten metallenen Schlag. Der Container war vorne im Frachtraum gegen die Wand gekracht. 

Ich schaltete den Traktorstrahl ab und schaute mir das Ergebnis an. Der Container schaute hinten aus dem Frachtraum raus. So konnte ich die Heckrampe nicht schließen. Also alles wieder zurück auf Anfang. Der große Container landete wieder im Sand und der kleinere im Frachtraum.

Schließlich schloss ich schweißgebadet die Heckrampe und wollte mich mit der kleineren Beute davonmachen. Gerade als ich die Leiter in der Vulture nach oben kletterte, hörte ich ein Trommeln. Es klang wie wenn hunderte von Steinen auf die Hülle prallten. Unter diesem ohrenbetäubenden Lärm stürmte ich ins Cockpit. Entsetzt schaute ich auf die Anzeigen. Die Schilde waren bereits kurz davor zu kollabieren und die Hülle nahm ersten Schaden.

In Windeseile aktivierte ich die Triebwerke, startete und schoss mit vollem Boost knapp über den Boden. Auf dem Radar wurde ein feindliches Schiff angezeigt. Die Heckkamera zeigte einen Jäger, der die Verfolgung aufnahm und mir wütende Kugeln hinterher schickte.

Panik stieg in mir auf. Durch meinen Blitzstart hatte ich etwas Abstand gewonnen, aber wie sollte ich heil aus der Sache raus kommen? Gegen einen Jäger war ich machtlos. Einen Kampf konnte ich nicht gewinnen, ein Rennen auch nicht. Meine einzige Chance war die Flucht in den Quantum-Tunnel. Aber die Erfolgsaussicht war sehr gering.

Die hohe G-Belastung drückte mich tief in den Sitz, als ich den Steuerknüppel nach hinten riss. Der braune Sand verschwand aus meinem Blickfeld und nur noch der Himmel war zu sehen. Inzwischen waren meine Schilde komplett kollabiert. Immer wieder blitze die Statusanzeige der Hülle rot auf. Der Jäger landete mehrere Treffer. Dann aktivierte ich den NAV-Modus. Meine Geschwindigkeit stieg weiter und schnell war ich aus der Atmosphäre heraus. Allerdings dauerte die Kalibrierung auf den nächstgelegenen NAV-Punkt eine gefühlte Ewigkeit. Dabei leuchtete die Hüllenanzeige immer wieder rot auf. Dann zeigte der Quantum Antrieb in grüner Schrift “READY” an. Der Quantum-Tunnel verschluckte mich.

Nach einigen Zick Zack Sprüngen erreichte ich schließlich die Piratenstation Grim Hex im Asteroidengürtel des Mondes Yela. Ich hoffte hier die Gasping Weevil Eggs verkaufen zu können. Allerdings wurde meine Hoffnung schnell enttäuscht. Es gab nur drei Schrottplätze, bei denen der Verkauf möglich war. Einer davon war der auf Daymar, doch dorthin konnte ich jetzt unmöglich zurück.

Ich war gerade noch mit heiler Haut aus der Sache raus gekommen. Die Gier wäre mir fast zum Verhängnis geworden und das nicht zum ersten Mal. Ich musste mich auf das Besinnen, was mein Überleben sicherte. In dem Moment erinnerte ich mich an meine Parallelen zum Valakkar. Auch er war verwundbar, wenn er zu lange an der Oberfläche blieb und einer Übermacht gegenüber stand. 

“Mach es wie der Valakkar”, sagte ich zu mir selber. “Bleib unter dem Radar, tauche nur auf, wenn es sich lohnt und tauche so schnell wie möglich wieder ab.”

Um mich immer an diese Regel zu erinnern und um mir immer bewusst zu sein, dass ich genau wie der Valakkar, ein Geschöpf der Wüste war, ließ ich mir einen Valakkar seitlich auf den Kopf und den Hals tätowieren. Die Gesetze der Wüste waren mein Ursprung und mein Weg.

Anschließend ging ich in die old38 Bar und schaute ob jemand da war den ich kannte. Jemand, der mir vielleicht helfen konnte, die Gasping Weevil Eggs zu verkaufen. Und ich hatte auch noch einige Schiffskomponenten zu verkaufen, die ich in der Wüste gefunden hatte.