Log #200 – Zu gierig

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Die Gier nach mehr wurde schnell zu einem großen Problem.


Ich war geradezu entzückt. Und das lag nicht an dem Raumschiff, mit dem ich durch den Asteroidengürtel von Yela flog. Sondern an der überaus wertvollen Fracht in meinem Laderaum. Den Tipp hatte ich von dem Typen aus dem Admin Office in Grim Hex. Er hatte mir die Koordinaten einer gestrandeten A2 Hercules verkauft, bei der die Ladung wertvoller sein sollte als das Material der Hülle. 

“Die Vulture brauchst Du nicht. Hol Dir nur die Frachtcontainer und verschwinde, bevor die Besitzer auftauchen. Die Zeit rennt” , hatte er zu mir gesagt.

Der Zeitmangel war nur ein Hacken an der Sache. Der begrenzte Frachtraum meiner Vulture war das größere Problem. Zum Glück gab es dafür eine Lösung. Der Typ aus dem Admin Office vermittelte mir eine Drake Corsair, die ich ausleihen konnte.

Die Corsair war ein durchdachtes Schiff. Die Einzelkabinen für die Crew waren geradezu Luxus für ein Drake Schiff. Eine ganz gute Sicht aus dem Cockpit gab es auch. Zudem ein Gemeinschaftsraum mit Küche. Und es gab mehrere Zugänge in das Schiff. Es gab eine Luftschleuse mit Waffenkammer. Ein Fahrstuhl, der sogar bis auf das Dach führte und eine Rampe in den Frachtraum. Der war geräumig genug, dass auch ein Ursa Rover darin Platz fand. 

Eigentlich alles, was man brauchte. Aber irgendwie war mir die Corsair zu düster. Und das lag nicht nur an der dunklen Beleuchtung im Inneren. Das ganze Schiff strahlte etwas Böses aus. Während mein Blick über die Instrumententafel streifte, wurde mir bewusst, wie sehr ich meine White Rabbit vermisste. Ich hatte immer noch nichts von den Aktivisten auf Hurston gehört. Nicht mal, ob sie eine Spur zu meiner Mercury Star Runner hatten.

Aber für den Moment war die Corsair vielleicht genau das richtige Schiff. Genau richtig, um die Unmengen an Quantanium und Maze zu schützen, die ich aus der A2 Hercules geborgen hatte. Es war nicht einfach gewesen, die Frachtcontainer in die Corsair zu bekommen. Die Hercules hatte mehr geladen, als eigentlich in die Corsair passte. Der Ladevorgang war ein verzwicktes Puzzle und ich musste jeden Winkel des Laderaums ausnutzen.

Ein Knacken im Funk riss mich aus meinen Gedanken. Es war die Flugkontrolle der Piratenstation Grim Hex. Der Ort, an dem ich meine Fracht verkaufen wollte.

30 Minuten später stand ich im Admin Office. Der Verkauf war einfacher als gedacht. Ich konnte die gesamte Ladung für über eine Million Credits verkaufen. Ein Gewinn, der meine kühnsten Erwartungen übertraf. Ich hatte das Gefühl zu schweben, unbesiegbar zu sein. In einem Anflug von Gier fragte ich den Typen vom Admin Office:

“Weisst Du, ob es noch mehr gestrandete Hercules Frachter gibt? Hast Du weitere Koordinaten?”

“Ja, ich hab sogar zwei”, antwortete der Typ gleichgültig. “Hey, aber keine Garantie, dass die was an Bord haben. Geschweige denn irgendwas wertvolles. Dein Risiko, der Preis bleibt der gleiche. 30.000 pro Schiff, wie immer.”

Ich schlug ein und machte mich sofort mit der Corsair auf den Weg. 

Die erste Hercules hatte neben jede Menge Eisen und Tungsten, etwas E’tam und Neon geladen. Das deckte kaum meine Kosten. Die Drogen nahm ich mit, den Rest ließ ich zurück. Anders sah es bei der zweiten Hercules aus. Die war voll mit Slam. Das war zwar nicht so wertvoll wie Maze, aber besser als nichts. Nachdem ich alles in die Corsair umgeladen hatte, kehrte ich mit brechend vollem Laderaum zurück nach Grim Hex.

*

“Das E’tam und Neon nehm ich. Vom Slam nur ein SCU.”

Entsetzt schaute ich den Typen vom Admin Office an.

“Willst Du mich verarschen? Mehr nicht? Der Frachtraum der Corsair ist voll mit Slam. Was soll ich damit machen?”

“Das ist nicht mein Problem. Es wird aber zu Deinem Problem, wenn Du das Zeug nicht los wirst. Ich erwarte, dass Du die Corsair mit leerem Frachtraum zurückgibst. Und zwar innerhalb von einem Tag. Hast Du das verstanden?”

Ratlos verließ ich das Admin Office. Ein Rauschen in den Ohren war alles, was ich hörte, als ich langsam zu den Fahrstühlen ging. Wie in Trance drückte ich auf den Knopf mit der Aufschrift “Lobby”. Mit einem lauten Ächzen und Knarzen fuhr der Fahrstuhl nach oben. Das Tor des Aufzuges öffnete sich mit lautem Stöhnen. Beim Aussteigen rempelte ich jemanden an. Keiner von uns nahm davon Notiz. Meine Gedanken kreisten um das Slam. Was sollte ich damit machen? Einfach im Weltall entsorgen? Nein, ich konnte doch nicht so viel Geld rauswerfen. Außerdem waren meine Unkosten noch nicht gedeckt. Wohin dann? Der Schwarzmarkt auf der Raumstation Beautiful Glen Station nahm auch nur geringe Mengen. Es blieben nur die Schrottplätze. Treffpunkt von jeder Menge gewaltbereitem Gesindel. Typen, die Dir Deine Ladung aus den toten Händen reißen wollten. Ganz wohl war mir bei dem Gedanken nicht. Aber ich hatte eine Drake Corsair, was sollte mir schon passieren.

*

Der Stern von Stanton senkte sich gerade hinter den Horizont, als ich die Corsair im Sand von Daymar aufsetzte. Die letzten Strahlen erhellten die Schuttberge des Schrottplatzes. Sanft wankte der Greifarm des großen Kranes hin und her. Es schien ruhig zu sein. So ruhig, dass mir das Knirschen meiner Stiefel im Sand wie lautes Gebrüll vorkam. Ohne Zwischenfälle erreichte ich das Terminal im Hauptgebäude. In diesem Augenblick verschwand Stantons Stern und ich stand im Dunkeln. Eine Dunkelheit, die zugleich Schutz und Gefahr war. Die einzige Lichtquelle war das Terminal, das verräterisch mein Gesicht beleuchtete. Und es hatte keine guten Nachrichten für mich. Es gab keinen Bedarf für Slam auf Daymar. Null, nichts, absolut gar nichts wollte es mir abkaufen.

Auf dem Rückweg in den Orbit kam mir die Idee, in das Planetensystem Microtech zu fliegen. Microtech war weit draußen. Weit weg von den inneren Planeten. Schmuggler machten sich nur ungern auf die lange Reise. Vielleicht war dort der Bedarf für Slam größer. Zumal das Partyvolk in New Babbage einen hohen Bedarf an Drogen hatte.

*

Es war dunkel, als ich beim Schrottplatz des Microtech Mondes Euterpe landete. Im Fahrstuhl der Corsair zog ich den Hebel um nach unten zu fahren. Ein Ruck ging durch die Kabine, als sie sich nach oben in Bewegung setzte. Mist, das war der falsche Hebel. Unvermittelt stand ich auf dem Dach des Raumschiffes. Zu meinen Füßen lag der Schrottplatz. Ein Teil war hell erleuchtet von den Scheinwerfern der Corsair. Ich sah schrottreife Hubs, verbogene Metallteile und durchlöcherte Stahlplatten. Am Rande des Lichtkegels stand im Halbdunkeln das Hauptgebäude. Die erleuchtete Treppe führte zu einem schwarzen Loch das ins Innere führte. Wie angewurzelt stand ich da und starrte auf das undurchdringliche Schwarz.

Plötzlich war etwas Helles in dem Schwarz zu sehen. Jemand in einem weißen Raumanzug erschien. Eine weiße Figur im Nichts der Schwärze. So plötzlich wie sie erschien, verschwand sie wieder in der Dunkelheit des Gebäudes. Im selben Augenblick löste sich eine Gestalt hinter einem Schrotthaufen. Leichtfüßig rannte sie zum Gebäude, die Treppe hinauf und verschwand ebenfalls im Inneren.

Ein kalter Schauer lief mir den Rücken herunter. Wer waren die Typen? Lauerten die mir auf? Und woher kamen sie? Bei der Landung hatte das Radar kein anderes Raumschiff angezeigt. Hatten die Typen sich herbringen lassen, um einen Hinterhalt zu legen? Die Sache war mir zu unheimlich. Mit vollem Nachbrenner startete ich und verließ den Mond.

Und jetzt? Mein Frachtraum war immer noch voll mit Slam. Es gab noch zwei weitere Schrottplätze. Einer beim Planeten ArcCorp und einer auf dem Planeten Hurston. Hurston lag auf dem Weg. Hurston war aber auch der Ort, an dem man mich tot sehen wollte. Sollte ich es riskieren, auf Hurston zu landen? Der Schrottplatz war ein ganzes Stück entfernt von der Hauptstadt Lorville. Und es war kein Ort, an dem rechtschaffene sich versammelten. Außerdem lief mir die Zeit davon. Ich musste die Corsair zurückbringen, mit leerem Frachtraum. Ein Entscheidungskampf tobte in meiner Brust.

*

Die Corsair tauchte hinab durch rot braun schimmernde Wolken. Das warme Licht des aufgehenden Sterns verstärkte das dreckige Antlitz der verschmutzten Luft. Langsam kam die braune Planetenoberfläche näher. Immer deutlicher waren Schrottteile zu sehen. Eine Müllhalde, die sich bis zum Horizont erstreckte. Direkt voraus war eine Konzentration an Schrottteilen. Der Schrottplatz des Planeten Hurston.

Während des Anflugs zeigte das Radar einen Punkt. Ich dachte mir nichts dabei. Wahrscheinlich ein Schrotthändler, der seinen Müll loswerden wollte. Je näher der Schrottplatz kam, desto mehr wuchsen die Schrotthaufen zu großen Bergen heran. Zwischen zweien befand sich eine geeignete Landefläche. Kurz vor dem Aufsetzen drehte ich die Corsair in Richtung des Radar Kontaktes. Was ich durch die Cockpitscheibe sah, ließ mich erstarren.

Rote und blaue Blinklichter strahlten mir entgegen. Ein gnadenloser Hagel aus roten Laserblitzen hämmerten auf die Corsair ein und ließen die Schilde blau glühen. Eine Cutlass Blue kam schnell näher. Instinktiv drückte ich den Schubhebel nach vorne. Wie zwei wütende  Raubtiere rasten wir aufeinander zu. Nach nur Bruchteilen einer Sekunde donnerte das Security Schiff wenige Zentimeter an meinem Cockpit vorbei. Doch genau so schnell hatte es gewendet und hing mir im Nacken. Ohne Unterlass feuerte die Cutlass auf mich. Ich legte alle Energie auf die hinteren  Schilde und suchte mein Heil in der Flucht.

Meine einzige Chance war ein Quantum Sprung. Allerdings musste ich dafür die obere Atmosphäre erreichen. Steil stieg die Corsair nach oben. Das Schiff bebte unter dem lauten Brüllen der Triebwerke. Ich startete den Quantum Antrieb und schaute nach dem nächsten Sprungpunkt. Noch war ich nicht hoch genug. Nur noch wenige Sekunden, dann hätte ich es geschafft. 

Der Pilot der Cutlass musste meinen Plan durchschaut haben. Mit seinem Quantum Dampener unterband er den Aufbau des Quantum Tunnels. Ich konnte nicht springen. Aus lauter Verzweiflung versuchte ich schnell abzutauchen. Doch die Corsair war zu träge, um die wendige Cutlass Blue abzuschütteln. Egal welches Manöver ich flog, die Cutlass blieb hinter mir und feuerte und feuerte. Langsam gaben die Schilde der Corsair nach. Dann gab es einen lauten Knall. Die gesamte Energie im Schiff fiel aus. Wie ein Stein fiel die Corsair in die Tiefe.

Die Freude nicht explodiert zu sein, hielt nicht lange. Rasent schnell kam der Boden näher. Genau wie der Sturz war auch mein Schicksal unaufhaltsam. Ich schloss die Augen und wartete. Der ohrenbetäubende Lärm berstender Steine und gestressten Stahls flutete das Cockpit. Unsanft wurde ich auf dem Pilotensitz durchgeschüttelt. Dann war es plötzlich still. Ich hatte den Absturz überlebt. Die Corsair allerdings war tot. Nur das Tageslicht erhellte das sonst dunkle Cockpit ein wenig. 

Plötzlich hörte ich die Cutlass. Panisch öffnete ich die Gurte und verließ die Corsair über die Luftschleuse. Einige Meter neben dem Schiff fand ich unter riesigen, gebogenen Stahlkonstruktionen Deckung. Durch einen Spalt schaute ich aus meinem Versteck. Wie ein gestrandeter Wal lag die Corsair mit abgebrochenen Flügel auf dem Bauch. Sie hatte nichts Böses mehr an sich. Die Cutlass schwebte suchend über der Absturzstelle.

Der Pilot der Cutlass schien nach mir ausschau zu halten. Vorsichtig bewegte ich mich unter dem Schutz der Stahlkonstruktion weiter weg von der Corsair. Als die Cutlass in die entgegengesetzte Richtung schaute rannte ich zu einem anderen Wrackstück. Immer in Deckung bleibend, entfernte ich mich von der Absturzstelle. Verstecke gab es genug in dieser endlosen Schrotthalde. Irgendwann fand ich ein altes Abwasserrohr, in dem ich mich verstecken konnte. Lange saß ich dort und hatte viel Zeit zum Nachdenken. Warum nur war ich so gierig gewesen. Ich hätte das Slam einfach im Weltall entsorgen sollen.

*

Einen Tag später tauchte ein Raumschiff auf. Es war jemand aus Grim Hex. Über einen Peilsender an Bord der Corsair hatten sie mich gefunden. Die Stimmung war nicht gut. Der Besitzer der Corsair wollte eine Entschädigung. Geld wollte er aber nicht. Ich stand bei jemandem in Grim Hex in der Schuld. Das konnte noch unangenehm werden. Irgendwann würde jemand einen Gefallen einfordern.