Ein krankes Spiel stellte die bisherigen irren Ereignisse in den Schatten.
“Das ist jetzt nicht Euer Ernst. Auf gar keinen Fall!”
Geschockt schaute ich zuerst die Crew an, dann zum wiederholten mal die Nachricht.
Hallo,
mein Name ist Miles Eckhardt. Ich betreibe eine kleine PMC in Loreville. Ihr seid also die “Crew”. Glaubt ihr man kann etwas so besonderes einfach unbemerkt im Sande versenken. Da irrt ihr Euch und ich habe ein paar Infos die für Euch vielleicht interessant wären. Aber erst müsst ihr etwas für mich tun. Hier stapeln sich ein paar Aufträge und ihr könntet ja mal unter Beweis stellen, dass ihr als Crew und mit eurem Schiff mal einfach einen Job hinbekommt. Dann helfe ich euch auch weiter. Eine Hand wäscht die andere. Aber genug der Worte. Trefft mich in der Bar in Loreville. Sprecht dort aber nicht von der Kiste. Macht euren Job und dann sehen wir weiter. OK?
“Und woher weiß der Typ von uns? Kennt der etwa unsere Namen? Das kann doch nicht wahr sein! Ich will nicht wieder von diesen Hurston Typen eingebuchtet werden.”
Erbost sprang ich auf und lief wie ein nervöses Tier in der Messe auf und ab. Die Crew diskutierte. Schließlich flogen Brubacker, Ella und Husky mit dem Tochterschiff nach Lorville. Hermieoth und ich blieben mit der Carrack im Weltall.
Es fühlte sich an, als würde jemand hinter mir stehen, mich die ganze Zeit beobachten. Den Atem der Hurston Familie, die mit ihren Klauen nach mir griff, konnte ich deutlich spüren. Um mich etwas zu beruhigen, fing ich an, das Schiff zu durchsuchen. Ich hatte zwar keine Ahnung, wonach ich suchte, aber ich wollte nicht nur rumsitzen und warten.
Im Maschinenraum öffnete ich die Klappe zur Lebenserhaltung. Und da war etwas, das da nicht hin gehörte. Eine Gasflasche. Sie sah aus wie eine Wasserflasche. Und sie war an die Lüftungsanlage angeschlossen. Nachdem ich die Flasche demontiert hatte, hielt ich sie verwundert in der Hand. Vorsichtig drehte ich den blauen Behälter hin und her, als ich plötzlich eine Stimme hinter mir hörte.
“Was machst Du da Zero?”
Wie auf frischer Tat ertappt, zuckte ich zusammen.
“Äh ja, also die Gasflasche hier…Sie war an die Lüftungsanlage angeschlossen.”
“Was ist in der Gasflasche drin?”
Ich war mir nicht sicher, ob mich Hermieoth verdächtigte oder ob er mir glaubte, dass ich das Ding gefunden hatte.
“Ich hab keine Ahnung.”
“Hast Du einen luftdichten Anzug und einen Helm an Bord? Wir sollten auf Nummer sicher gehen.”
Es schien so, als ob Hermieoth mich nicht verdächtigte. Nachdem wir uns Raumanzüge angezogen hatten, brachten wir die Gasflasche in die bordeigene Werkstatt. Allerdings gab es dort keine Geräte, die uns irgendwie weiterhelfen konnten.
“Vielleicht können die Scanner in der Krankenstation das Gas analysieren”, schlug ich mit nervöser Stimme vor.
Doch auch das brachte uns nicht weiter. Keiner von uns konnte die Scanner bedienen. Wir brauchten Ella, unsere Krankenschwester. Dummerweise waren Ella und die anderen noch nicht zurück aus Lorville.
Hermieoth schien langsam auch etwas nervös zu werden.
“Wir sollten uns bewaffnen und das ganze Schiff durchsuchen. Nicht dass wir einen blinden Passagier an Bord haben.”
Hermieoth hatte recht. Die ganze Sache stinkte zum Himmel. Wir konnten nicht vorsichtig genug sein. Ausgestattet mit Rüstungen und Waffen fingen wir an, jeden Winkel der Carrack zu durchsuchen. Als der Rest der Crew zurück an Bord war, halfen sie uns bei der Suche.
Als erstes fand Hermieoth mehrere Mikrofone. Dann fand ich einen Sender. Ein ausgeklügeltes kleines Gerät, das durch den Quantum-Tunnel senden konnte, über sehr große Distanzen. Das brachte das Fass zum Überlaufen. Wir wurden überwacht, die ganze Zeit. Irgendjemand spielte ein ganz mieses Spiel mit uns.
Während ich noch versuchte, Wut und Panik im Zaum zu halten, hörten wir plötzlich Brubacker über Funk. Er sagte noch etwas von Rauch aus der Lüftung, dann hustete er schwer. Anscheinend bekam er keine Luft und konnte sich nicht bewegen. Ella war als erstes bei ihm und zog ihn aus dem Gefahrenbereich.
Als wir alle in der Messe versammelt waren, legte Hermieoth das Mikrofon und ich den Sender auf den Tisch. Es war Hermieoth der als erstes einen ungeheuerlichen Verdacht aussprach.
“Kann es sein, dass wir Teilnehmer einer unfreiwilligen Sitcom sind, nach dem Motto: Idioten im All, um die Zuhörerzahlen ein wenig in die Höhe zu treiben?”
Brubacker winkte ab und verließ den Raum. Toller Kapitän. Anstatt die Situation in den Griff zu bekommen, verschwand er einfach. Doch nicht lange. Nur eine Minute später tauchte er wieder auf. Der Schreck stand ihm ins Gesicht geschrieben.
“Der Teddybär in meinem Quartier. Die Augen. Das sind Kameras. Wir werden nicht nur abgehört, wir werden auch gefilmt. Leute, ich glaube in der Tat auch, wir werden hier auf die Rolle geschoben.”
Na toll. So viel zu “ich bleibe unentdeckt, unter dem Radar”. Irgendwie war klar, dass eine Radiosendung Aufmerksamkeit erregen würde. Allerdings hatte Brubacker versichert, dass die Ausstrahlung der Sendung erst später erfolgte. Bisher war ich davon ausgegangen, dass ich bis dahin längst untergetaucht sein würde. Ich musste hier weg, so schnell wie möglich.
“Wissen wir was in der Gasflasche ist?”, fragte Husky.
“Nein. Ich kann mit den Geräten in der Krankenstation den Inhalt nicht analysieren”, antwortete Ella.
“Auf Yela ist eine Forschungsstation. Die haben bestimmt bessere Geräte”, ergänzte ich.
“Dann ist das unser nächstes Ziel – Husky….”. Der Befehl von Brubacker kam ohne Verzögerung.
Eigentlich wollte ich so schnell wie möglich nach Daymar. Aber ich wollte auch wissen, wer dieses kranke Spiel mit uns spielte. Sollte es tatsächlich der Radiosender sein? Nur um die Einschaltquoten zu erhöhen? Überraschen würde es mich nicht. Stanton war ein krankes, geldgieriges und korruptes Sternensystem.
Kurze Zeit später erreichten wir den Außenposten auf dem Mond Yela. Miles Eckhardt hatte seinen Auftrag inzwischen zurückgezogen. Doch das interessierte niemanden. Wir wollten nur wissen, was in der Gasflasche war.
Die Anzeige auf dem Analysegerät machte uns fassungslos. Es war ein Halluzinogen. In den vergangenen Wochen wurde es über die Lüftungsanlage in der ganzen Carrack verteilt. Es war kein Wunder, dass wir Erscheinungen und Halluzinationen hatten. Und wir hatten das Artefakt verdächtigt. Was war das für ein irrer Radiosender?
Ich hatte die Schnauze gestrichen voll von dem ganzen Crew Projekt. Meine Hoffnung, dass die Carrack und die Crew ein Start in ein neues Leben sein könnte, hatte sich endgültig zerschlagen. Meinen Neuanfang konnte ich nur selbst in die Hand nehmen.
“Bringt mich bitte nach Daymar, ich will jetzt weg von hier.”
“Machen wir – und es tut mir echt leid, Zero….”. Brubacker schien tatsächlich Reue zu zeigen.
Der Flug nach Daymar war nur ein Katzensprung. Nachdem die Carrack am Wolf Point Aid Shelter gelandet war, verließ ich sofort das Schiff. Gerade als ich vor der Luftschleuse des Außenpostens stand, hörte ich Husky über Funk schreien.
“Die Selbstzerstörung hat sich von selbst aktiviert. Alle raus, sofort!”
Nur zwei Sekunden später gab es einen hellen Blitz, gefolgt von einem lauten Knall, dann wurde es dunkel um mich.
*
Etwas benommen öffnete ich die Augen. Wie eine Torte, die gegen eine Wand geworfen wurde, lag ich verkrümmt auf der Treppe vor der Luftschleuse des Außenpostens – Kopf nach unten mit dem Rücken an der Brüstung. Neben dem Gebäude lagen die Trümmer der explodierten Carrack. Die Wucht der Explosion hatte mich gegen die Brüstung der Treppe geschleudert. Ella, Brubacker, Husky und Hermieoth hatten es nicht mehr aus dem Schiff geschafft.
In der einsetzenden Dämmerung sammelte ich ein, was nicht völlig zerstört worden war. Danach ging ich in den Außenposten und versuchte mir bewusst zu werden, was gerade passiert war.
Die Perspektive von Brubacker: https://sternenwanderer.org/jahr-2953#S10