Log #188 – Irrenhaus

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Beim Versuch, das Artefakt zu vergraben, passierten irre Dinge.


“Zero! Wo ist die Sandhöhle?”

Die Nachricht von Brubacker war nicht wie das Aufwachen aus einem Albtraum, es war die Erinnerung an einen Albtraum. Den Irrsinn mit dem Artefakt hatte ich schon völlig verdrängt. Eigentlich wollte ich mich um die heruntergekommene Drake Vulture auf dem Schrottplatz kümmern, aber ich hatte ein Versprechen gegeben. Ein etwas verzweifeltes Stöhnen entwich aus meinen Lungen, als ich Brubacker antwortete. Künftig sollte ich vorsichtiger sein, was ich verspreche.

Einige Stunden später holte die Crew mich mit der Carrack am Wolf Point Aid Shelter ab. Vom Co-Piloten Sitz aus dirigierte ich Husky zur Sandhöhle. Dort wollten wir das Artefakt vergraben. Es war höchste Zeit, dass dieses unheimliche, Unheil bringende Ding tief im Sand verschwand.

Und das Unheil ging direkt am Eingang zur Höhle weiter. Wir standen am Rand des Sandlochs  und schauten hinab in die Tiefe. Die Wände des Lochs sahen aus wie Blätterteig. Der Sand war im Laufe der Zeit zu mehreren Schichten zusammengepresst worden.

“Wie sollen wir da runterkommen?”, fragte Ella.

Gerade als ich antworten wollte, kam Hermieoth mit der Kiste an, in der das Artefakt war. 

“Habt Ihr das Raumschiff da oben gesehen? War das schon da, als wir gelandet sind?”

Verwundert schaute ich hoch zum Rand des Kraters, in dem die Höhle lag. Tatsächlich, da stand ein Raumjäger und der war eben noch nicht da. Es ging wieder los mit Erscheinungen und Halluzinationen.

“Lass uns die Kiste jetzt endlich loswerden und dann verschwinden”, sagte Husky.

Wir stiegen hinab und tauchten immer tiefer ein in eine Welt voller bizarrer Sandformationen. Es war ein wunderschönes Schauspiel, das die Natur vollbringen konnte, wenn der Mensch sich nicht einmischte. An manchen Stellen fiel von oben Tageslicht herein und erleuchtete große Hallen mit gewaltigen Säulen aus gepresstem Sand. Der Anblick faszinierte mich und ergriff mich. Fast vergaß ich meine Angst vor Höhlen.

Irgendwann erreichten wir eine Stelle, an der es in einen Abgrund ohne sichtbaren Boden ging. Wir mussten klettern. Der von Sand bedeckte Fels war rutschig, was nicht ohne Folgen blieb. 

Plötzlich gellte ein Schrei durch die Höhle. Ella war abgerutscht und in den Abgrund gestürzt. Husky wollte ihr zur Hilfe eilen und stürzte direkt hinterher. Etwas Sand rieselte noch in die Tiefe. Dann war von beiden nichts mehr zu sehen und zu hören.

“Scheiße! Was jetzt?” 

Brubacker stand ratlos an der Klippe. Hermieoth und ich waren genauso geschockt und planlos. Es gab keine Möglichkeit, die beiden aus der Tiefe zu retten.

Plötzlich knisterte es im Funk. Erst meldete sich Husky, dann Ella. Beide waren auf der Carrack. Wie war das möglich? War das wieder eine Halluzination? Das Gespräch der beiden war auf jeden Fall nicht normal, es war völlig irre.

“Das ist mein Körper.”

“Nein, das ist meiner.”

“Nein! Auf dem Bett in der Krankenstation liegt definitiv mein Körper.”

So ging das die ganze Zeit weiter. Die Diskussion der beiden wurde immer absurder. Verwirrt schaute ich zu Brubacker und Hermieoth.

“Bei den Imprints ist offenbar irgendwas nicht glatt gelaufen”, versuchte Brubacker die Situation zu erklären. “Lasst uns hier abhauen, bevor noch mehr passiert.”

Ach ja, diese Imprint Technologie. Ella und Husky waren nach ihrem Ableben in der Höhle auf der Krankenstation der Carrack in einem neuen Körper aufgewacht oder auferstanden oder was auch immer. Mir war diese außerirdische Technologie unheimlich.

Nachdem Hermieoth die Kiste mit dem Artefakt in einer dunklen Ecke der Höhle vergraben hatte, gingen wir zurück zur Carrack. Auf der Rampe des Raumschiffes fanden wir Husky. Es sah so aus, als ob er versuchte etwas die Rampe runter zu ziehen.

“Ich muss meinen leblosen Körper von Bord bringen”, stöhnte er.

Aber da war nichts. Husky war alleine auf der Rampe. Er zog etwas imaginäres durch die Gegend, das anscheinend nur er sehen konnte. Im Raumschiff trafen wir Ella. Sie taumelte wie ein Geist durch die Gegend  und jammerte immer wieder: 

“Ich habe alles verloren.”

Hermieoth versuchte Ella zu beruhigen und Brubacker rannte planlos durch das Schiff. Was war das für ein Irrenhaus? Sollte der Wahnsinn nicht aufhören, sobald das Artefakt weg war? Wie ein Depp stand ich reglos im Gang vor der Messe als Brubacker plötzlich rief:

“Schnell, kommt her. Husky hat sich weggeschossen.”

In der Messe fand ich Husky am Boden liegend mit einer Medgun in der Hand. Er hatte sich eine Überdosis Medikamente gegeben und war bewusstlos. Brubacker stand daneben und zog ihm den Fluganzug aus. Was auch immer das helfen sollte. Jetzt brauchten wir die Krankenschwester Ella und keinen planlosen Schreiberling, der mit dem Posten eines Kapitäns überfordert war. Doch Ella geisterte immer noch wie eine Irre durch das Schiff. Sie war keine Hilfe. Und ich fragte mich, wo ich da wieder hineingeraten war. Immer wieder befand ich mich in Situationen, die nicht normal waren.

In meiner eigenen Verzweiflung versuchte ich Husky mit der Medgun ein Gegenmittel zu geben. Doch ich konnte mit dem Ding nicht umgehen. Irgendwie funktionierte es nicht. Schließlich hatte Hermieoth die rettende Idee. Er brachte Husky auf die Krankenstation und aktivierte die Automatik des OP-Bettes.

“Hermieoth, ab ans Steuer, bring uns hier weg! Vielleicht hört der Wahnsinn dann auf”, bellte Brubacker in einem ungewohnten Befehlston.

Geradezu mit Überlichtgeschwindigkeit rannte Hermieoth zur Brücke und brachte uns in den Orbit vom Mond Daymar. Brubacker und ich setzten uns erschöpft in die Messe. Schweigend saßen wir uns am Tisch gegenüber. Keiner von uns wusste, wie es weitergehen sollte. Ob die Halluzinationen jetzt aufhören würden. Eine Sache war für mich allerdings mehr als klar. Ich konnte etwas Starkes vertragen. Dummerweise gab es an Bord von diesem Irrenhaus kein Whiskey-Cola.

Die Perspektive von Brubacker: https://sternenwanderer.org/jahr-2953#S8