Log #187 – Der Computerkern

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Ein spezieller Computerkern erregte meine Aufmerksamkeit. Doch um mehr zu erfahren, musste ich einen dubiosen Auftrag erledigen.


Endlich hatte ich sie. Die zehn Kanister RMC, um das Ersatzteil für meinen Quantum-Antrieb zu bezahlen. Im Hauptgebäude des Schrottplatzes auf dem Mond Daymar übergab ich sie dem Schrott-Wächter. Draußen vor dem Fenster wirbelte der Wind den Sand zwischen den Schrottteilen umher. Der Typ vom Schrottplatz zögerte nicht lange. Zielsicher griff er in das Regal und holte das benötigte Teil heraus. Doch da war noch etwas in dem Regal, für das ich mich brennend interessierte. Es war mir bereits bei meinem letzten Besuch aufgefallen.

“Was ist das für ein Computerkern, der da im Regal liegt?”

Ich wusste genau, was das für ein Computer war. Es war ein Krypto-Hochleistungs-Prozessor. Ideal, um sich in fremde Systeme zu hacken und verschlüsselte Daten zu entschlüsseln. Es war ein extrem seltenes Computersystem. Früher hatte ich so einen Computer gehabt. Er war verbaut in….. Wehmut ergriff mich.

Die Stimme des Schrott-Typen riss mich aus meinen Erinnerungen.

“Du hattest beim letzten Mal schon Interesse gezeigt. Das ist ein echtes Wundergerät.”

“Woher hast Du es?” Ungeduld stieg in mir hoch. Ich musste wissen, ob dieser Computer der war, für den ich ihn hielt.

“Jemand kam mit einer Mercury Star Runner vorbei, gar nicht lange her. Er…..”, der Schrott-Mensch zögerte. “Moment mal. Ich habe den Eindruck, du bist mehr an der Herkunft als an dem Gerät selbst interessiert.”

Verdammt nochmal. Konnte der Typ nicht einfach sagen, was er wusste?

“Ich schlag Dir einen Deal vor”, fuhr der Schrottler schnippisch fort. “Du besorgst mir etwas. Nur ein paar Kisten, nichts dramatisches. Dann erzähle ich Dir alles, was ich über den Computer weiß.”

Genervt verdrehte ich die Augen. “OK. Wo sind die Kisten?”

“Im Orbit vom Mond Yela. Reparier erstmal Deinen Quantum-Antrieb. Den brauchst Du. Sobald ich die genauen Koordinaten habe, geb ich Dir Bescheid.”

*

Gerade als ich den Quantum-Antrieb repariert hatte, hörte ich die schweren Schritte des Schrott-Typen im Sand. Eilig kam er angerannt. 

Etwas außer Atem japste er: “Du musst los. Sofort!”

Betont unbeeindruckt von seiner Eile antwortete ich: “Moment. Ich muss die Serviceklappe noch zuschrauben.”

“Keine Zeit. Die Sicherheitskräfte werden in 30 Minuten beim Wrack sein. Du musst die Ladung vorher bergen. Hier sind die Koordinaten.”

Was zum Teufel? Sicherheitskräfte? Wovon sprach der Typ? Ich dachte, es wäre ein einfacher Transportauftrag. Schlagartig war ich voller Adrenalin. Die Serviceklappe hing noch halb herunter, als ich im Cockpit verschwand und startete.

Ich war erst wenige Kilometer vom Schrottplatz entfernt, als ein Punkt auf meinem Radar erschien. Im Tiefflug versuchte ich einer Entdeckung zu entgehen. Links und rechts  rauschten die Sanddünen am Cockpitfenster vorbei. Doch der Punkt kam näher, er kam schnell näher. Dann knackte es im Funk. Im Rauschen der atmosphärischen Störungen war eine finstere Stimme zu hören.

“Ich bin autorisiert, Ihr Fahrzeug zu scannen. Stoppen Sie!”

Ich wusste nicht, ob ich erleichtert oder entsetzt sein sollte. Das Gute war, es war kein Pirat und kein Kopfgeldjäger. Das Schlechte war, es war Crusader Security. Das war immer noch besser als Hurston Security, trotzdem konnte meine Existenz jetzt auffliegen. Die Sekunden verstrichen wie Stunden. Nicht einen Atemzug hatte ich gemacht, bis es wieder im Funk knackte.

“OK. Scheint alles in Ordnung zu sein. Sie können weiter fliegen.”

Explosionsartig kam die ganze angestaute Luft aus meiner Lunge. Nochmal Glück gehabt.

Zehn Minuten später erreichte ich die Koordinaten im Asteroidengürtel vom Mond Yela. Die langgezogenen Streifen der Sterne im Quantum-Tunnel wichen einem Meer von Asteroiden. Kaum war ich aus dem Quantum-Tunnel raus, erschien ein Kontakt auf dem Radar. Das musste mein Ziel sein. Vorsichtig flog ich darauf zu. Die Sicht war extrem schlecht. Es war stockdunkel auf der vom Stern Stantons abgewandten Seite des Mondes. Die Asteroiden waren nur Schatten in der Schwärze des Weltalls.

Als ich nur noch wenige Meter von meinem Ziel entfernt sein musste, glitt meine Hand über das Armaturenbrett und betätigte den Schalter für die Außenscheinwerfer. Es dauerte eine Sekunde, dann flackerten die hellen Scheinwerfer auf. Im Lichtschein erschien eine Freelancer Max. Ein Transportschiff, das in einem schlechten Zustand war. Die Farbe war teilweise von der Hülle abgeblättert. Die orangefarbene Außenhaut war durchsetzt von dunklen Flecken. 

Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet mir, ich hatte noch 15 Minuten, bis die Sicherheitskräfte auftauchen würden. Wenn sie nicht früher kamen. Welches Geheimnis verbarg dieses Raumschiff? Und warum war der Typ vom Schrottplatz an der Ladung interessiert? 

Die Antwort bekam ich nur kurze Zeit später. Im Frachtraum der Freelancer fand ich mehrere Container mit Drogen. Und einen Container mit irgendwelchen Eiern. Ich hatte keine Ahnung, was das für Zeug war. Mein Instinkt sagte mir aber, es war wertvoll. Und möglicherweise genauso illegal wie die Drogen. Jetzt war klar, warum ich die Ladung bergen musste, bevor die Sicherheitskräfte eintrafen.

Nur mit Mühe konnte ich meinen Drang unterdrücken, im Cockpit nach Hinweisen zu suchen, was mit dem Schiff passiert war. Die Zeit lief mir davon. Eilig brachte ich die Kisten mit dem Traktorstrahl in den Frachtraum meiner kleinen Cutter. Die ganze Aktion dauerte nur fünf Minuten. Dann verschwand ich wieder in der Dunkelheit zwischen den Asteroiden. Zurück blieb ein rostiges, leer geräumtes Transportschiff.

Wenig später erreichte ich den Mond Daymar. Schnell tauchte ich hinab in die dünne Atmosphäre. Entspannt genoss ich den Blick auf die große Wüste. Meine Gedanken kreisten um den Computerkern. Wenn meine Vermutung richtig war, wäre der Computerkern eine Spur. Eine Spur in die Vergangenheit. Während dem Flug zum Schrottplatz fiel mir plötzlich die Sicherheitskontrolle bei meinem Abflug ein. Verflucht, wenn ich mit meiner Ladung in eine Kontrolle geraten würde, dann wäre ich geliefert. 

Nervosität verdrängte meine Entspannung. Unruhig schaute ich auf das Radar. Bisher war kein Kontakt zu sehen. Mehr unbewusst als gewollt schob ich den Schubhebel immer weiter nach vorne. Mein Unterbewusstsein wollte so schnell wie möglich am Schrottplatz sein und die Ladung loswerden. Die Sandstrukturen der Wüste flogen immer schneller am Cockpitfenster vorbei.

Ohne Zwischenfälle erreichte ich schließlich den Schrottplatz. Doch vom Schrott-Wächter war keine Spur zu sehen. Wo war er? War der Sicherheitsdienst, der mich kontrolliert hatte, auf dem Schrottplatz und hatte ihn verhaftet? Unruhig schaute ich mich um, ob irgendjemand hinter den Schrottteilen lauerte. Alles schien ruhig zu sein. Nur das Windrad quietschte leise im Wind.

Im Hauptgebäude fand ich eine Nachricht vom Schrott-Wächter. Ich sollte die Kisten ausladen und im Terminal einchecken. Kaum hatte ich die Ladung im Terminal eingetragen, tauchte eine Botschaft auf dem Bildschirm auf.

Der Lieferant des Computerkerns kam mit einer Mercury Star Runner aus Whistlers Crypt. Das ist eine kleine, nicht markierte Siedlung auf Daymer. Falls Du dorthin willst, im Anhang ist eine Wegbeschreibung. Aber sei gewarnt. Die Bewohner reagieren nicht sehr freundlich auf Besucher. Er wollte den Computer auf jeden Fall loswerden. Das Ding war ihm wohl zu heiß. Wohin er weitergeflogen ist, weiss ich nicht, Er schien aber noch mehr Sachen zu haben, die er verscherbeln wollte. Falls Du ihn finden willst, folge dem Schrott.

Folge dem Schrott. Der Typ war lustig. Diese Schrott-Typen waren nicht gerade aufgeschlossen. Man musste schon dazugehören, um Informationen zu bekommen. Und Informationen über die Mercury Star Runner und die Herkunft des Computerkerns brauchte ich. Immer mehr erhärtete sich mein Verdacht, dass dieser Computerkern aus meiner White-Rabbit war. Der Computer war zu speziell, um ihn am freien Markt zu verkaufen. Vermutlich hatte der Typ ihn deshalb an einen Schrottplatz verscherbelt, der keine Fragen stellte. Ich musste mehr in Erfahrung bringen.

Folge dem Schrott. Sonst hieß es folge dem Geld. Schrott ist eine wertvolle Ressource, hatte der Schrott-Wächter bei unserer ersten Begegnung gesagt. Ich musste tiefer in die Schrott-Szene eintauchen, um mehr zu erfahren. Irgendwie musste ich dazu gehören. Nur wie? Nachdenklich schweifte mein Blick über den Schrottplatz. Dann sah ich heruntergekommene Drake Vulture zwischen den Trümmern stehen. Die Vulture war ein kleines Bergungsschiff. Es konnte den Schrott von Wracks verwerten. Mir kam eine Idee.