Log #154 – Verlorene Fracht

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Ich bekam den Auftrag verlorene Fracht aus einem Wrack zu bergen. Irgendetwas stimmte nicht. Tat sich hier eine Chance oder eine Gefahr auf?


Auf dem Flug zum Wrack schaute ich mir die Nachricht der Aktivisten von Lorville noch mal an.

Zero, Deine Speziallieferung ist komplett unter den Arbeitern verteilt. Wir brauchen dringend Nachschub. So schnell wie möglich.Und da ist noch etwas. Ein Geschäftsmann aus Lorville hat seine Ladung verloren. Er benötigt jemand diskretes der ihm hilft. Melde Dich mal bei ihm. Die Kontaktdaten sind im Anhang.

Die Unterstützung der Aktivisten von Lorville fing an mich zu stressen. Ich dachte mit meiner letzten Lieferung hätte ich erst mal Ruhe gehabt. Die Menge war ja nicht gerade gering gewesen. Doch jetzt wollten die schon wieder etwas. Das war ein Problem für mich. Hermieoth war im Sol System. Er konnte mir nicht helfen. Und ohne seine großes Schiff war ich nicht in der Lage größere Mengen nach Lorville zu schmuggeln. 

Mit diesem Problem konnte ich mich aber erst später beschäftigen. Jetzt musste ich die verlorene Ladung des Geschäftsmanns bergen. Irgendetwas kam mir bei der Sache komisch vor. Seine mahnenden Worte hatte ich immer noch im Ohr.

“Wenn Du mit meiner Fracht zurück bist in Lorville. Lasse alles in Deinem Schiff. Beauftrage die Hangar Crew nicht Dein Schiff zu entladen. Gehe nicht zum Zoll. Komme direkt zu mir. Ich kümmere mich um alles.”

Was war das für eine Fracht die ich bergen sollte? Und warum sollte ich sie im Schiff lassen? Irgendetwas stinkte bis zum Himmel. Zeit über diese Fragen zu grübeln blieb mir jedoch nicht. Das Wrack tauchte vor mir auf. Langsam nahm es vor dem Hintergrund der gelben Atmosphäre von Aberdeen Formen an. Es war eine Caterpillar die im Orbit des Mondes ihre letzte Ruhestätte gefunden hatte. Das Transportschiff war in mehrere Teile zerbrochen. Überall schwebten Trümmer. Die Annäherung erforderte meine höchste Konzentration. Immerhin befanden wir uns auf der Tagseite und die Sicht war gut.

Nachdem meine Cutlass positioniert war und ich die seitlichen Fracht Tore geöffnet hatte verharrte ich für eine Weile. Chaos und Zerstörung war zu sehen. Die Bruchstücke der Caterpillar waren überall verstreut.  Ein leicht verzweifeltes Stöhnen hallte durch meinen Helm. Es würde eine Weile dauern in diesem Labyrinth aus Trümmerteilen die Ladung einzusammeln. Es half nichts, ich hatte einen Job zu erledigen. Mit einem beherzten Schritt trat ich hinaus in die Schwerelosigkeit des Weltalls.

Die großen Frachtcontainer waren aufgebrochen und leergeräumt worden. Wer auch immer das Schiff angegriffen hatte war nun im Besitz der Fracht. Doch vereinzelt konnte ich im Trümmerfeld noch Teile der Ladung finden. Es war wie die Suche nach Ostereiern. Keine Hinweise, keine Markierung, keine Blinklichter machten auf die verbliebenen Frachtkisten aufmerksam. Sie fügten sich nahtlos zwischen die Wrackteile ein. Sie wurden eins mit dem Wrack.

Im Inneren der zerstörten Caterpillar war die Suche noch schwieriger. Es war dunkel. Nur der Lichtkegel meiner Helmlampe erhellte kleine Ausschnitte der Geheimnisse des Wracks. Langsam tastete sich der helle Punkt an den Wänden entlang um plötzlich zu erstarren. Mein Puls schnellte in die Höhe pumpte das von  Adrenalin überflutete Blut durch meinen Körper. Im Durchgang zum nächsten Frachtmodul war eine Gestalt aufgetaucht. Die Rüstung war braun, der Helm sah aus wie eine Fratze aus der Hölle. Wer war das? Ein Pirat? Schnell riss ich meine Hände hoch, zielte auf die Gestalt. Doch ich hatte keine Waffe in der Hand, nur mein Multitool mit dem Traktorstrahl.

Mit einem kurzen Impuls aus den Steuerdüsen des EVA Anzugs versuchte ich aus der Gefahrenzone zu kommen. Der Impuls war zu kräftig. Mit Wucht krachte ich gegen die Wand des Frachtraums. Ein stechender Schmerz zuckte durch meine Schulter. Hektisch atmend kam ich zum Stillstand. Die Gestalt war immer noch im Durchgang. Bewegungslos verharrte sie in der gleichen Position. Langsam schaffte ich es meinen Atem zu beruhigen. Die Körperhaltung der Gestalt war seltsam, fast als wenn sie sich zum schlafen zusammengerollt hätte. Erst als ich näher war erkannte ich was es mit dem vermeintlichen Piraten auf sich hatte. Es war ein Besatzungsmitglied. Das Visier des Helms war zersplittert, das Gesicht durch Kälte und Vakuum des Weltalls verunstaltet.

Nachdem ich alles was ich finden konnte eingesammelt hatte kehrte ich nach Lorville zurück. Im Central Business District traf ich mich mit dem Geschäftsmann. Er sah nicht aus wie einer der vielen Schnösel im noblen Viertel von Lorville. Kein Anzug, keine Krawatte. Dezent schwarz gekleidet stand er mit einer Irokesen Frisur vor mir.

“Hast Du die meine Fracht?”

“Das was davon übrig ist. Viel ist es nicht. Befindet sich wie gewünscht noch alles an Bord meines Schiffes.” 

Während ich sprach wurde mir bewusst, dass ich ganz schön leichtsinnig war. Sollte in den Kisten etwas illegales sein war ich dem Typ ausgeliefert. Er musste nur Hurston Security alarmieren und ich stand mit heruntergelassener Hose da. Es schien als ob er meine aufkeimenden Bedenken bemerkt hatte.

“Keine Sorge. Meine Leute werden die Fracht holen. Niemand wird davon erfahren.”

“Wie”, fragte ich erstaunt.

“Ich steuere die Frachtabfertigung im Tease Spaceport. Wohin die ankommende Fracht geht und ob sie kontrolliert wird steht unter meiner Kontrolle.”

“Du kannst Waren einfach so in die Stadt bringen lassen ohne das es jemand erfährt?”

Innerlich triumphierte ich. Der Kerl  konnte die Tore für den Schmuggel weit für mich öffnen. Es gäbe keine Notwendigkeit mehr über Umwege die Ware in die Stadt zu bringen. Mit der Hilfe von diesem Typ wäre es möglich einfach im Teasa Spaceport zu landen und ihn den Rest machen zu lassen. Sofern er mitmachen würde. Mit gedämpfter Stimme versuchte ich die Chancen auszuloten.

“Könnten wir so etwas wie heute öfters machen? Vielleicht mit Fracht die ich mitbringe?”

Seine Stimme verhärtete sich. “Vorsicht! Ich genieße Ansehen und Vertrauen in Lorville. Du begibst Dich auf einen gefährlichen Weg. Ich kann und werde nicht einfach irgendwelche Sachen hier durchschleusen.”

Wollte er nicht gerade selber Waren ohne Zollkontrolle in die Stadt bringen? Hatte ich mich getäuscht? War das eine Falle? Der Typ drehte den Kopf und schaute zu den Sicherheitsleuten. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Dann wurde mir heiß, Schweißperlen liefen mir von der Stirn. Der Typ nickte den Wachen zu.