Log #150 – Medizinischer Notstand

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Auf einigen Raumstationen herrschte ein Notstand. Die Lieferung von Hilfsgütern war riskant.


Nach den Angriffen der Nine Tails herrschte auf einigen Raumstationen immer noch der Notstand. Es gab erhebliche Schäden, medizinische Güter wurden dringend benötigt. Ich beschloss zu helfen und machte mich mit meiner Star Runner auf den Weg. Zum Glück hatte ich den richtigen Riecher. Beim Außenposten auf dem Mond Clio hatten sie noch genug Vorräte. So viel wie möglich packte ich den Frachtraum der Star Runner. Bis unter die Decke stapelten sich 114 Frachteinheiten mit medizinischem Bedarf. Da hatte ich ein ordentliches Vermögen geladen. Meine White-Rabbit wäre der Jackpot für jeden Piraten. Bevor ich die Frachtrampe schloß ließ ich sorgenvoll meinen Blick über den Außenposten streifen. Hatte irgendjemand den Ladevorgang beobachtet und gab jetzt für ein paar Credits einen Tipp an Piraten? Den raffgierigen Glücksrittern im Stanton System wäre alles zuzutrauen. 

Vor dem Start schaute ich auf der Starmap welche Raumstation am nächsten lag. Mit der teuren Fracht wollte ich möglichst wenig Zeit im nicht überwachten Raum verbringen. Meine White-Rabbit war schnell, aber Schnelligkeit alleine bot nicht genug Schutz. Die Ladung musste ich so schnell wie möglich los werden. Die großen Angriffe der Nine Tails waren zwar vorbei, doch einzelne Gruppen trieben immer noch ihr Unwesen. Je kürzer mein Flug dauerte desto besser.

Das Glück war auf meiner Seite und ich erreichte ohne Zwischenfälle den Lagrange Point an dem sich die Raumstation befand. Als die Lichter des Sicherheitsperimeters zwischen den Asteroiden erschienen fühlte ich mich zutiefst erleichtert. Es war als ob eine schwere Last von mir abfiel. Langsam nahm auch die Station in den bräunlichen Gaswolken Konturen an. Es waren noch wenige Kilometer durch Nebel und Asteroiden bis zu meinem Ziel. Wenige Kilometer auf denen noch viele Gefahren lauern konnten.

Kurz bevor ich die Station erreichte war ein Knacken im Funk zu hören. Dann ein Rauschen. Schließlich eine Stimme.

“Landen Sie auf Pad 05. Vorsicht beim Anflug. Trümmerteile schweben rund um die Station.”

Einige Minuten später traf ich mich mit einem Verwalter der Raumstation. Mit einem Lächeln erwartete er mich auf dem Aussichtsdeck. Als ich bei ihm war nahm er meine Hände und schüttelte sie intensiv.

“Vielen Dank für die Lieferung. Das können wir sehr gut gebrauchen. Wir haben immer noch mit den Folgen des Angriffs zu kämpfen.”

“Gerne. Ich helfe wo ich kann. Wenn es schon die Konzerne und das UEE nicht machen.”  Meine Abneigung gegen die Mächtigen im Stanton System war deutlich zu merken. Es war aber nicht nur Abneigung die aus mir sprach, auch Erleichterung die teure Fracht ohne Schwierigkeiten abliefern zu können.

“Ich kann Ihnen aber nur 10 Frachteinheiten abnehmen.”

Entgeistert schaute ich den Verwalter an. “Wie 10? Ich habe 114! Was ist mit dem Rest? Ich dachte Ihr habt eine medizinische Notlage.” 

“Ja schon, aber wir haben nicht genug Lagerfläche. Einige Lagerräume sind zerstört. Und überall liegt Schrott rum.” Der Verwalter fuchtelte verzweifelt mit seinen Armen hin und her.

Immer noch schnappte ich nach Luft. War der Typ sich eigentlich bewusst wie viel Geld ich in die Fracht investiert hatte. Einfach darauf sitzen bleiben war keine Option. Unsicher verlagerte ich mein Gewicht von einem Bein auf das andere. Ich wusste auch nicht warum ich mir so viele Gedanken wegen dem Geld machte, den Leuten zu helfen war mir eigentlich wichtiger.

“Was soll ich mit dem Rest machen? Ich kann das Zeug doch nicht wieder mitnehmen.” Den Rest meines Satzes schluckte ich runter. Die hohen Kosten für den Einkauf erwähnte ich nicht. Oder hätte ich es doch sagen sollen? Den Eindruck von Profitgier wollte ich nicht erwecken. Meine Hilfsbereitschaft war ernst gemeint. Aber auch ich musste von etwas leben und hatte kaum etwas zu verschenken.

“Es gibt noch mehr Stationen die dringenden Bedarf für medizinische Güter haben. Die wären froh über eine Lieferung.”

“Na ja, das wäre eine Option”, stammelte ich leise vor mich hin. 

In Gedanken war ich bereits bei den Gefahren die auf mich zukamen. Wenn ich mit der teuren Ladung wieder raus in den Weltraum flog ging ich das Risiko ein bei einem Piratenangriff  alles zu verlieren. Es war verrückt. Sonst schmuggelte ich verbotene Güter und setzte mich dem Risiko aus von der Security erwischt zu werden. Und jetzt machte ich mir Sorgen wegen ein paar Piraten. Oder hatte ich Angst das Geld zu verlieren? Mein Gott, Geld war doch irrelevant. Es ging um die Hilfe für Menschen in Not. Das war wichtiger.

“Wenn Sie etwas Platz im Frachtraum haben, würde es uns unheimlich helfen wenn Sie etwas von dem Schott mitnehmen.” 

In der Stimme von dem Verwalter schwang so viel Hoffnung und Dankbarkeit mit, dass ich nicht in der Lage war etwas dagegen zu sagen. In einem kurzen Versuch des Widerstandes hob ich die Arme, nur um sie mit einem Seufzer wieder fallen zu lassen.

“Ja klar. Kein Problem.”

Einige Stunden später erreichte ich den Lagrange Point der nächsten Raumstation. Mit einem lauten Knall kam ich aus dem Quantum Tunnel. Der Stern von Stanton scheinte mir direkt ins Gesicht und blendete mich. Nur schemenhaft konnte ich die Asteroiden in den grünlichen Gaswolken erkennen. Langsam gewöhnten sich meine Augen an das helle Licht. Dann sah ich eine schwache Energiesignatur zu meiner Linken. Und noch eine direkt vor mir. Auf dem Radar wurde nichts angezeigt. “Wahrscheinlich Erze in einem Asteroiden”, dachte ich zuerst. Angestrengt kniff ich die Augen zusammen und schaute in den grünen Nebel. Da war etwas. Etwas Schwarzes. Für einen Asteroiden war es zu klein. Die Form erinnerte mich an etwas. Plötzlich bewegte es sich. Es kam auf mich zu, wurde größer. 

“Scheiße”, brüllte ich in meinen Helm. “Eine Cutlass Black.”

Mehr aus Reflex als bewußt gab ich vollen Schub. Es waren noch einige Sekunden bis mein Quantum Antrieb abgekühlt war. Erst dann konnte ich den rettenden Sprung zur Raumstation machen. Die Falle der Piraten drohte zu zuschnappen. Plötzlich zog ein Schatten über mein hell erleuchtetes Cockpit. Ein Asteroid rauschte direkt über meinen Kopf hinweg. Es gab ein fürchterlich kratzendes Geräusch das mir die Haare zu Berge stehen ließ. Der Asteroid musste über die Hülle geschrammt sein. Dann war der Quantum Antrieb abgekühlt und kalibrierte den nächsten Sprung. Vor Anspannung presste ich mit aller Kraft die Zähne zusammen und hielt die Luft an. Die angestaute Luft zerriss mir fast die Lungen. Warum dauerte das so lange? Dann das erlösende Zeichen. Der Quantum Antrieb war bereit. Meine Hand krachte mit Wucht auf den Knopf. Die Lichtpunkte der Sterne zogen sich in die Länge, ein Knall und die Star Runner war zur Raumstation gesprungen. Erleichtert sackte ich im Pilotensitz zusammen.

Auf der Station fand ich die gleiche Situation vor wie bei der letzten. Es konnte nur ein Teil meiner Fracht abgenommen werden. Dafür gab es jede Menge Schrott den ich mitnehmen sollte. Erschöpft stand ich am Geländer der Galerie. Es war ruhig. Nur vereinzelt standen und saßen Leute herum. Die Stimmung war betrübt. Niemand lachte. Im fahlen Licht der Beleuchtung wirkte alles grau und blass. Selbst der Baum auf der unteren Ebene sah leblos und künstlich aus. 

Dann musste ich an die Arbeiter in Lorville denken. Und an den undankbaren Typ vom Widerstand dem ich die Schmuggelware übergeben hatte. Rechtfertige Verzweiflung in eine helfende Hand zu spucken? Aber er hatte recht. Die kleinen Mengen die ich nach Lorville geschmuggelt hatte waren nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Damit wurde das Leben der Arbeiter kaum besser. Ich musste einen Weg finden größere Mengen in die Stadt zu schmuggeln.