Log #257 – Nacht und Tag

with Keine Kommentare

Dunkle Schatten lagen über unserer Expedition.


Pike und ich waren zurück von Sunset Mesa, wo wir den ROC und die Starlancer repariert hatten und befanden uns im Anflug auf das Basislager auf dem Mond Ignis. Auf der Funkfrequenz des Lagers hörten wir ein wildes Durcheinander. Aufgeregte Stimmen redeten hektisch durcheinander. Etwas Schlimmes musste passiert sein. Als wir nur noch wenige hundert Meter vom Landeplatz entfernt waren, sah ich es. Die „Silver Arrow”, die 600i von Friedrich, war völlig zerstört und in zwei Teile zerbrochen. Kaum waren wir gelandet, rief Hermieoth.

“Friedrich hat die Energieeinstellungen verändert. Dann ist das Schiff explodiert. Wir wissen nicht, ob er noch im Wrack ist oder raus geschleudert wurde. Helft uns suchen.”

Wir schwärmten aus und suchten überall, fanden jedoch keine Spur von Friedrich.

“Dieser Mond ist verflucht”, hörte ich jemand im Funk sagen.

“Nicht nur dieser Mond, die ganze Mission”, antwortete ich.

“Für alles, was passiert ist, gibt es bestimmt eine naturwissenschaftliche Erklärung”, betonte Alaska.

“Für die Einzelereignisse vielleicht”, erwiderte ich. “Aber für die Summe der Ereignisse? Ich sag Euch ….”

“Sag’s nicht”, fiel mir Brubacker ins Wort.

“Es stimmt”, fing ich an zu erläutern. “Legenden sind keine Fakten, aber sie entspringen auch nicht nur der Phantasie, sondern haben einen wahren Kern. Ihr müsst nicht an die Prophezeiung des Propheten glauben, aber tut gut daran, die Zeichen zu sehen. Wir haben nichts gefunden außer Zerstörung und beinahe den Tod. Einer unter uns hat Feuer gesehen und der Valakaar hat sich uns gezeigt. Pyro will nicht, dass wir hier graben.”

Stille. Niemand sagte etwas. Plötzlich gab es ein Rauschen im Funk. Dann eine Stimme. Leise, wie wenn sie weit weg wäre.

“Hallo? Hallo! Könnt ihr mich hören? Friedrich hier. Ich hab die Explosion überlebt. Bin aber noch eingesperrt. Diese eine Tür muss ich noch aufkriegen, dann bin ich frei.”

Erleichterung machte sich breit.

“Dann können wir ja retten, was noch zu retten ist”, sagte ich mit einem Stöhnen und fing an die Waffen vom Wrack der 600i zu entfernen.

Zu meiner Überraschung kam mir Pike zu Hilfe und die anderen beschimpften mich nicht als Leichenfledderer. Mit einem Lächeln beobachtete ich, wie Pike die Waffen in die Starlancer lud und fachmännisch sicherte. Ich war beeindruckt. Pike schien die Regeln der Wüste zu achten. Die Wüste nimmt. Die Wüste gibt. Und wenn sie dir etwas gibt, solltest du es nicht ignorieren. Ich musste den Kontakt zu Pike halten. Möglicherweise war er ein geeigneter Partner für Plündertouren.

Nachdem Friedrich frei war und wir ihn medizinisch versorgt hatten, beschlossen wir, auf den Mond Adir zu fliegen. Während die anderen direkt Prophet’s Peak auf Adir anflogen, machten Pike und ich noch einen Abstecher nach Kabir’s Post um Lebensmittel zu besorgen. Brubacker hatte erzählt, dass es dort einen Shop gab. 

Nachdem wir alles hatten, was wir brauchten, flogen wir auch nach Prophet’s Peak. Die Siedlung lag auf der Nachtseite des Mondes. Es war stockdunkel. Nicht ein einziger Grauton war zu sehen, nur absolute Schwärze. Angespannt starrte ich in die farblose Leere. Irgendwann war ein rotes Positionslicht zu erkennen. Einsam und alleine, ein kleiner Fixstern, der den Weg wies. 

Ich sendete einen Ping. Die Scannerwelle lief über die Mondoberfläche und zeigte kurz die Konturen der Oberfläche. Erschrocken riss ich die Augen auf.

“Mist! Da ist noch ein Bergkamm zwischen uns und der Siedlung.”

Zeitgleich zog ich das Steuerrad nach hinten und gab vollen Schub auf die VTOL Triebwerke. Behäbig verlangsamte die Starlancer den Sinkflug und schrammte knapp über den Bergkamm. Dann kamen die Lichter der Siedlung in Sicht.

Sie war klein und lag an einem Berghang. Auf dem einzigen Landeplatz stand die Zeus von Brubacker. Die Landschaft war zerklüftet, durchzogen von Hängen, Felsen und Absätzen. Im Licht der Landescheinwerfer fand ich etwas erhöht auf einem Absatz eine Möglichkeit zu landen.

Kaum waren wir gelandet und aus den Pilotensitzen aufgestanden hörten wir Brubacker im Funk schreien.

“Der Idiot beschießt meine Zeus. Er hört nicht auf zu schießen.”

“Das ist eine Golem. Unglaublich. Dieses kleine Bergbauschiff feuert mit ihrem Bergbaulaser auf die Zeus. Weiß die was sie tut?”, sagte Hermieoth.

Pike und ich schauten uns kurz an und sprangen in die beiden Sitze hinter dem Piloten und dem Copiloten-Sitz. Kaum saß ich im Sitz, aktivierte ich den Bildschirm des ferngesteuerten Geschützturms. Pike tat das gleiche.

Auf dem Bildschirm sah ich den von Sternen und braunen Gasnebeln durchzogenen Nachthimmel. Der Zielcomputer hatte die Golem rot markiert. Laser-Salven jagten dem feindlichen Schiff hinterher. Hermieoth vertrieb sie mit seiner Asgard.

Das konnte doch nicht wahr sein. Wir hatten einfach kein Glück. Steine mit Mineralien und Raumschiffe explodierten, wir hatten Ausrüstung verloren und jetzt wurden wir auch noch angegriffen. Diese Mission war wirklich verflucht. Pyro wollte nicht, dass wir gruben.

“Leute, es ist zu gefährlich hier. Lasst uns weit weg von der Siedlung ein neues Basislager aufbauen. Dann können wir ja nochmal herkommen”, schlug ich vor.

Die anderen stimmten zu und Friedrich empfahl einen Platz am Boden eines langen, tiefen Grabens, der sich über den Mond erstreckte. Wir machten uns auf den Weg in den Orbit, um von dort unser neues Ziel anzufliegen.

Auch der Graben lag auf der Nachtseite. Wieder flog ich auf eine schwarze Leere zu. Ich konnte absolut nichts erkennen. Keinen Graben, keine Gelände-Konturen, nur formloses Schwarz. Hermieoth und Friedrich übernahmen in der Asgard von Hermieoth die Führung. Allerdings konnte ich auch das Raumschiff von Hermieoth nicht erkennen. Ich folgte nur dem Radarsignal. Es war ein Flug ins Ungewisse. Vielleicht ein Flug in die nächste Katastrophe.

Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis wir in die dünne Atmosphäre des Mondes eintraten und der Bordcomputer den Höhenmesser anzeigte. Es war ein beängstigendes Gefühl. Die Zahlen des Höhenmessers liefen so schnell rückwärts, dass ich sie nicht erkennen konnte und durch den schmalen Sehschlitz der Starlancer war nur Schwärze zu sehen. Es fühlte sich an wie ein Fall in die Unendlichkeit, wie der Sturz in ein schwarzes Loch. Nur war das hier kein Loch, sondern ein Mond und der unsichtbare Boden kam mit unglaublicher Geschwindigkeit näher. Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn, meine Hände umklammerten das Steuerrad immer fester. Weder Pike noch ich sagten etwas.

“Etwas nach Norden drehen, genau auf den Graben zu”, hörte ich Friedrichs ruhige Stimme im Funk.

“Ich sehe keinen Graben. Ich sehe absolut nichts”, antwortete ich betont ruhig und hoffte, dass niemand meine aufkommende Panik bemerkte.

Der Marker von Hermieoths Schiff wanderte in meinem Blickfeld nach oben und links. Ich zog und drehte das Steuerrad der Starlancer. Langsam wanderte der Marker der Asgard wieder in die Mitte meines Blickfelds. Dann sah ich es plötzlich.

Gegen den dunklen Nachthimmel zeichneten sich zwei schwarze Bergrücken ab, die sich lange nach Norden erstreckten. Dazwischen war nichts, dort musste der Graben liegen. Alles andere lag nach wie vor verborgen hinter einer undurchsichtigen schwarzen Wand. Wir folgten dem vermeintlichen Graben und gingen immer tiefer. Nervös schaute ich auf die Höhenanzeige. 

1.000m, 500m, 300m, 200m.

Ich konnte immer noch nichts erkennen. 

100m, 50m, 10m, 0m, -50m, -100m. 

Das Radarsignal von Hermieoths Raumschiff war immer noch ein ganzes Stück vor mir. Es war verwirrend. Schließlich sah ich, wie die Landescheinwerfer von Hermieoths Schiff den Boden anstrahlten. Dann tauchte auch im Lichtkegel meiner Landescheinwerfer ein dunkler Boden auf, der einen Großteil des Lichtes verschlang. Wir hatten es geschafft und setzten sicher auf. Mit einem Schlag entwich die ganze Anspannung aus meinen Lungen.

Wir waren in einer Schattenwelt angekommen. Dunkelgrauer Staub und schwarze Felsen aus Obsidian bedeckten den Boden. Außerhalb des Lichtkegels der Landescheinwerfer war es rabenschwarz. Nur hinter den Bergen war am Horizont ein flammend oranger Schimmer zu sehen.

“Die Sonne geht gleich auf. Lasst uns auf den Hügel gehen und das Spektakel von dort beobachten”, schlug Hermieoth vor.

Wir eilten auf den Hügel. Schon auf dem Weg nach oben wurde das Farbenspiel aus orange, grün und gelb immer intensiver. Die Obsidianfelsen und die Berggipfel begrüßten den neuen Tag mit einem orange roten Leuchten. Schließlich erhob sich majestätisch der Stern Pyros hinter den Bergen und offenbarte mit seinem Licht, in welch atemberaubend schöner Landschaft wir uns befanden. Gefesselt von diesem Schauspiel standen wir auf dem Hügel und hatten alle Sorgen vergessen. Die Nacht wurde vom Tag vertrieben und mit ihr die Schrecken der Dunkelheit. Hoffnung keimte, dass mit dem Licht neues Glück kam.

Schließlich kehrten wir zur Starlancer zurück, um die nächsten Schritte zu planen. Kaum waren wir an Bord, klagte Brubacker über starke Bauchschmerzen und Übelkeit. Er vermutete eine Suppe als Ursache, die er in Kabir’s Post gegessen hatte, der Ort an dem Pike und ich waren um Lebensmittel zu besorgen.

“Leute, ich brauche ein Klo, ganz schnell”, sagte er verkrampft.

“Ich bringe dich zu einem”, sagte ich und führte Brubacker zu einem der Quartiere.

“Aber nicht Quartier vier”, rief uns Pike hinterher.

Brubacker war schlagartig sehr schwach auf den Beinen. Ich stützte ihn, brachte ihn in das Bad einer der Quartiere und schloss die Tür. Trotz der geschlossenen Tür, waren die unangenehmen Geräusche aus dem Bad deutlich zu hören. Brubacker stöhnte. Ich öffnete die Tür einen Spalt, streckte den Kopf rein und fragte.

“Brauchst du Hilfe?”

“Nein, geht schon. Lass uns zu den anderen zurück gehen.”

In der Messe stießen wir auf eine intensive Diskussion über das weitere Vorgehen. Ich hörte eine Weile desinteressiert zu, dann sagte ich:

“Behandelt erstmal Brubacker auf der Medic Piscis. Und ich lege mich auch erstmal ins Bett. Ich fühle mich ganz komisch und im Bauch rumort es so komisch. Ist bestimmt schnell wieder weg.”

Alle bis auf Pike verließen die Messe. 

“Schon interessant. So wie ich das mitbekommen habe, hängen die Probleme der Expedition meistens mit Brubacker zusammen”, sagte er und verließ ebenfalls die Messe.

Ich hatte keine Kraft mir darüber Gedanken zu machen, legte mich ins Bett und fiel in einen unruhigen Schlaf.