Log #237 – Großkampfschiffe

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Informationen zu den Slicers führten zu einer Überraschung und einem großen Gefecht.


Brubacker schien ziemlich durch den Wind zu sein. Um wieder auf den Damm zu kommen, setzen wir uns mit einem Dosenkaffee im Food Court an einen Tisch. Ein Baum und etwas Grünzeug standen in der Mitte des Tisches. Es war eine willkommene Abwechslung in der metallischen Atmosphäre der Raumstationen. Friedrich saß mir mit einem Smoothie gegenüber. Ich wollte gerade anfangen von den Informationen zu erzählen, die ich von den Dusters in Dunboro bekommen hatte, als Brubacker meinen Kaffee nahm und sich einen kräftigen Schluck gönnte.

“Bru, ey, das kann ja wohl echt nicht sein.”

“Wie meinen? Oh, ich hole dir einen neuen.”

Als Brubacker mit einem neuen Kaffee zurück war, fing ich an zu erzählen.

“Also, ich habe einen Bericht über den Disput von zwei einflussreichen Dusters in Dunboro. In dem Bericht steht, dass sich Charlie Blackblade und Philipp uneins waren über den Umgang mit der Prosa, dem Schiff von MTA Hoffmann, und die Frage, wie sie als Fraktion zu den Slicers stehen sollten. Der erster Maat der Prosa hat vor wenigen Tagen in Dunboro Ersatzteile für das Schiff angefordert. Spannend ist, dass die Prosa Kommunikationsdaten besitzt, die direkt mit den Slicers in Verbindung stehen. Philipp plant die Prosa zu entern, die Daten zu stehlen und der Civilian Defence Force oder anderen Söldnern zu verkaufen. Charlie war strikt dagegen. Keiner von beiden ist ein Freund der Slicers. Die Dusters verfolgen ihre eigenen Ziele. Philipp ging es schlicht ums Geld, Charlie wollte keine Aufmerksamkeit und sah in der Verbindung von Hoffmanns Crew zu den Slicers ein unkalkulierbares Risiko. Auf jeden Fall könnten die Daten auch für uns interessant sein. Vielleicht enthalten sie Informationen über die Crew der Beluga. Außerdem könnte Friedrich die Daten an die Civilian Defence Force geben. Vielleicht wird dem Terror dann endlich ein Ende gesetzt.”

“Aha. Was ist das nun wieder für ein Schiff?”, fragte Brubacker.

“Eine Polaris”, antwortete ich.

Die Augen von Brubacker weiteten sich.

“Das Beste ist”, fuhr ich fort. “Ich habe einen Funkspruch von einem Trader abgehört. Er hat von einem Geisterschiff im Orbit des Planeten Hurston mit dem Namen Prosa berichtet. Wir kennen also die Koordinaten der Polaris.”

“Vielleicht sollten wir sie uns mal genauer anschauen”, schlug Friedrich vor.

“Könnte aber auch eine Falle sein”, entgegnete Brubacker.

Friedrich überlegte kurz, dann sagte er.

“Wenn es ein Geisterschiff ist, könnte das Risiko überschaubar sein. Wir könnten die Medical Piscis nehmen, uns als Rettungs-Team ausgeben und Hilfe anbieten.”

Wir beschlossen den Plan von Friedrich umzusetzen.

Während des Flugs zu den Koordinaten der Prosa berichtete Friedrich, dass Cora, seine Sicherheitschefin, ihren Job bei “Nordlicht Aviation” hingeschmissen hatte. Wohl auch, weil sie für keine Sicherheit mehr bei den Cruises garantieren könne. Außerdem hatte sie der Tod von Francis, der Kapitänin der Beluga, aus der Bahn geworfen. 

“Die beiden waren befreundet. Ihretwegen war Cora nach Stanton gekommen”, sagte Friedrich mit trauriger Stimme.

Die Angriffe der Slicers trafen Friedrich und sein Unternehmen hart. Er war in einer ganz anderen Situation als ich. Für mich bedeuten sie Profit, wenn ich die Überreste nach den Angriffen zu Geld machte. Für Friedrich bedeuteten sie kein Profit, keine Geschäfte, sie waren eine Gefahr für sein Unternehmen. Das Ganze machte mich überraschend nachdenklich.

Brubacker riss mich aus meinen Gedanken.

“Schaut mal die News auf SSN/CATV. Eine Idris Fregatte ist mitsamt Begleitschiffen in Stanton aufgetaucht. Die Flotte zieht marodierend durch das System und greift jeden wahllos an. Wir haben keine Zeit mehr. Die Slicers fahren alle Geschütze auf.”

Nur wenige Minuten später erreichten wir die Position der Polaris. Bewegungslos lag das große Kriegsschiff in der Dunkelheit des Alls. Friedrich funkte das vermeintliche Geisterschiff an. Es gab keine Reaktion. Dann sahen wir, dass der Hangar der Polaris offen war. Friedrich setzte zur Landung an.

Nur Sekunden später stand ich beeindruckt in dem großen Hangar der Polaris. Über mir war das bläuliche Schimmern eines Atmosphären-Schildes zu sehen, dahinter leuchteten die Sterne. An allen vier Seiten des Hangars befanden sich große Tore, auf denen “Hangar 01” stand. 

Das Schiff schien wirklich verlassen zu sein, zumindest gab es kein Begrüßungskomitee. Wir beschlossen das Schiff zu durchsuchen und nahmen das erstbeste Tor. Es führte uns in einen Gang, der nach links und rechts weg ging. Direkt vor uns war eine weitere Tür, darüber stand “Brig”. Wir gingen hinein und trauten unseren Augen nicht.

In den beiden Zellen waren Gefangene. In der einen stand Kjeld Stormanson, der Kommandant von TYR. In der anderen zwei seiner Söldner, Raff und Batou. Sie hatten Zivilkleidung an, Batou trug nur eine Hose. Auf dem Boden lag ein Toter, den wir nicht identifizieren konnten. Wir befreiten die drei.

“Was ist passiert? Wo ist die Mannschaft?”, fragte Friedrich.

“Wissen wir nicht.”

“Wie seid ihr hergekommen?”

“Keine Ahnung. Wir haben Bier getrunken auf Everus Harbor und sind dann hier aufgewacht.“

“Habt ihr jemanden an Bord gesehen?”, fragte Kjeld.

“Nein, wir sind gerade erst mit einer Piscis im Hangar angekommen. Die Brig war zufällig der erste Raum, den wir durchsucht haben.”

“Habt ihr Waffen? Dann durchsuchen wir erstmal das Schiff.”

Wir gaben unsere Waffen an die Jungs von TYR und ließen sie vorgehen. Professionell durchkämmten die Söldner das Schiff. Friedrich gliederte sich in den Suchtrupp ein. In dem alten Kerl steckte mehr, als man beim ersten Blick glaubte. Bru und ich hielten uns im Hintergrund.

Es war unheimlich. Das Schiff war zwar verlassen, aber alle Systeme waren hochgefahren und funktionierten. Als wir die Brücke erreichten, eröffnete sich uns ein magischer Moment. Eine riesige Glaskuppel überspannte die Brücke. Der Blick ins All mit seinen Milliarden von Lichtpunkten war gigantisch. Ehrfürchtig nahm Brubacker auf dem Stuhl des Kapitäns Platz. Es schien ihm fast zu gefallen.

Während Brubacker seinen kurzen Moment als Kapitän einer Polaris genoss, durchsuchte ich die Bordcomputer. Die Daten gaben so einiges Preis. Die Prosa und ihr Kapitän Hoffmann stammten aus dem Pyro-System. Den häufigsten Funkkontakt gab es mit der Flugkontrolle der Siedlung Jackson’s Swap. Zudem zeigten die Kommunikationsprotokolle, dass Hoffmann Kontakt mit der Versipellis Sica, einer radikalen Splittergruppe der Nine Tails, hatte. Über sie war er in den Menschenhandel involviert. Erinnerungen an ENOS wurden wach. Sollte die Crew der Beluga nach Pyro gebracht werden, um an illegalen ENOS Experimenten teilzunehmen? 

Schließlich fand ich auch Informationen über die Slicers und die Position der Idris, die im Stanton System wütete. Außerdem die Bestätigung, dass die Polaris geentert wurde. Vermutlich von Philipp. 

Ich berichtete Kjeld von meinen Informationen aus Dunboro und dem Streit zwischen den beiden Dusters Charlie und Philipp.

Plötzlich räusperte sich Brubacker.

“Leute, kann es sein, dass wir hier gerade etwas den Fokus verlieren? Herrgott, Piraten wollen Stanton übernehmen. Was interessiert uns da, warum die sich intern streiten?”

Ein Streit brach darüber aus, was wir als nächstes tun sollten. Mit den Daten verschwinden? Mit der Polaris die Idris angreifen? Bru war strikt gegen einen Angriff. Ich versuchte einen Mittelweg zu finden.

“Die Prosa und ihre Mannschaft waren doch mit den Slicers verbündet. Also sollten wir uns mit diesem Schiff ohne Probleme der Idris nähern können. Wenn wir auf fünf Kilometer ran sind, kann ich eine Datenverbindung herstellen. Ich kopiere so viele Daten wie möglich von der Idris und dann hauen wir wieder ab. Wir geben die Daten der Advocacy und der Civilian Defence Force und Friedrich, mit etwas Glück erfahren wir auch mehr über die Crew der Beluga.”

Wir stimmten ab. Alle außer Bru entschieden sich für die Durchführung meines Planes. Dann teilte Kjeld uns auf verschiedene Positionen ein und wir flogen zur Position der Idris.

Als wir aus dem Quantum-Tunnel kamen, sahen wir schon aus großer Entfernung die riesige Fregatte. Mehrere Schiffe umkreisten sie wie die Fliegen einen Quasi Grazer. Raff brachte uns näher heran. Zunächst war alles ruhig, doch dann brach die Hölle los.

Ein Gewitter aus Laser Blitzen donnerte auf die Polaris ein. Raff rief in den Funk.

“Ich bringe uns weiter weg. Nehmt zuerst die Begleitjäger aufs Korn. Batou auf mein Zeichen feuerst Du zwei Torpedos ab.”

Wir eröffneten mit unseren Geschützen das Feuer auf die Jäger. Es war hektisch, es war anstrengend. Der Schweiß lief mir in Strömen den Rücken herunter. Die Jäger flogen so schnell an mir vorbei, dass ich kaum einen traf. Wie wild bewegte sich mein Geschützturm von oben nach unten und von links nach rechts. Ich fing an die Orientierung zu verlieren. Die anderen waren erfolgreicher und irgendwann war nur noch die Idris und wir übrig.

Doch sie erwies sich als ein harter Broken. Nicht nur dass der Pilot hervorragende Ausweichmanöver flog, auch die automatischen Abwehrtürme der Idris waren extrem effektiv. Nur ein einziger unserer Torpedos traf das feindliche Schiff, alle anderen wurden abgefangen.

Im Bordfunk ging es dabei hektisch zu.

“Konzentriert das Feuer auf das Heck. Die Schilde der Idris geben nach. Die Hülle am Heck hat auch schon Schaden genommen und die Heckklappe ist offen.”

“Da fliegen Hoverbikes rum.”

“Scheiss auf die Hoverbikes. Unsere Front hat schweren Schaden genommen. Unsere ballistische Kanone ist defekt.”

Zum Glück hatten wir Raff am Steuer. Gekonnt wich er der verheerenden Rail-Gun der Idris aus. Immer wieder brachte er uns auf Abstand, damit sich unsere Schilde aufladen konnten. Doch in der Zeit luden sich auch die Schilde der Idris auf. 

Es war ein ewiges Hin und Her. Annäherung, bekämpfen, Rückzug um die Schilde aufzuladen. Wir hatten keine Torpedos mehr und mit den Lasergeschützen konnten wir der starken Panzerung der Idris nicht viel anhaben. Es schien aussichtslos.

Doch plötzlich schwiegen die Waffen der Idris. Verblüfft sagte Raff.

“Die Idris hat ihre Kennung geändert. Sieht so aus, als ob sie geentert wurde.”

“Zero, konntest Du die Daten runter laden?”, fragte Kjeld.

“Nein, das hat nicht geklappt.”

“OK, dann nichts wie weg hier, bevor die Idris es sich anders überlegt.”

Schweisgebadet verließ ich den Geschützturm. Nach einigen wackligen Schritten hielt ich mich an der Wand fest. Der Boden schien sich zu bewegen, die Wände drehten sich um mich. Dann entleerte sich mein Mageninhalt über meine Klamotten.

Nur in Unterhose betrat ich den Hangar.

“Nass geschwitzt?”, fragte Friedrich etwas zynisch.

“Auch. Und voll gekotzt”, antwortete ich kleinlaut.

In dem Augenblick kam Kjeld in den Hangar.

“Unten im Frachtraum sind Container mit Ausrüstung.”

Ratlos kehrten Brubacker Friedrich und ich mit der Piscis nach Everus Harbor zurück. War’s das? Stellten die Slicers jetzt den Kampf ein? Und war die Crew der Beluga hoffnungslos verloren? Ich wusste nur eines, ich brauchte erstmal eine Whiskey-Cola.

*

Einige Tage später erhielten wir eine Nachricht von Kjeld. Er und seine Leute hatten die Prosa intensiv untersucht und ausgeschlachtet. Dabei hatten sie herausgefunden, dass die Prosa tatsächlich überfallen und die Crew aus der Luftschleuse geworfen wurde. Da die Kameras defekt waren, war eine eindeutige Identifizierung der Personen nicht möglich. Auch fanden sie heraus, dass die Prosa im Orbit des Planeten Monox im Pyro-System in einer improvisierten Werft gebaut und für illegale Einsätze genutzt wurde. Kapitän Hoffmann hatte einen Deal mit den Slicers. Er sollte Unterstützungskräfte der Civilian Defence Force jagen und lahmlegen. Dafür entführte Hoffmann Führungskräfte und Söldner, darunter auch Kjeld und seine Leute. Auch die Zusammenarbeit mit der Versipellis Sica konnte Kjeld bestätigen.

Wegen schlechter Erfahrungen mit Hurston Security bat uns Kjeld seinen Namen und den von TYR aus allen Ermittlungen und Berichten heraus zu halten.

Die Perspektive von Brubacker: https://sternenwanderer.org/jahr-2954#S26