In der Hoffnung, die vermisste Crew der Beluga zu finden, folgten wir den Spuren zu einer Basis der Slicers.
Nach der Bergung der Beluga hatten Friedrich und Brubacker auf Notrufe reagiert. Stanton brannte. Die Slicers griffen überall an und sorgten für Chaos. Viel ausrichten konnten die beiden allerdings nicht. Auch die Advocacy war erfolglos, genaugenommen tatenlos, vom UEE ganz zu schweigen. Die feinen hohen Herren überließen die gefährliche Drecksarbeit Mal wieder den Zivilisten. Es war zum kotzen. Auch von der vermissten Mannschaft der Beluga gab es noch keine Spur. Ich traf mich mit Friedrich und Brubacker um unsere Informationen zusammenzutragen.
Bru hatte in der Zwischenzeit mit einem Typen namens Dusty Kordes gesprochen. Er war Inhaber des Explorer Unternehmens Uniexcorp. Dusty hatte herausgefunden, dass die Slicers durch einen geheimen temporären Sprungpunkt in das Stanton System gekommen waren. Allerdings hatte sich die Advocacy nicht für seine Entdeckung interessiert. In Stanton angekommen, nutzen die Slicers gekaperte Schiffe von Zivilisten für ihre Angriffe.
“Das erklärt, warum bei den Angriffen so viele unterschiedliche Schiffstypen verwendet werden”, schlussfolgerte Friedrich.
“Haben wir sonst noch was?”, fragte Brubacker.
“Ich habe einige Kontakte spielen lassen”, antwortete Friedrich. “Ich hab die Flugbewegungen von Schiffen im Raum Hurston bekommen.”
“Die können wir ja Mal mit den Daten abgleichen, die ich aus den Bordcomputern der Beluga gesichert habe”, ergänzte ich.
Der Datenabgleich brachte eine Constellation Phönix zutage, die beim Angriff auf die Beluga beteiligt und in der Nähe von Lorville vom Radar verschwunden war. Wir beschlossen, zum Ort des letzten Kontaktes zu fliegen und zu schauen, ob wir mehr herausfinden konnten. Vielleicht würden wir auf eine Spur zur vermissten Crew stoßen.
Es war stockdunkle Nacht, als Friedrich die Medical Piscis landete. In einigen Kilometern Entfernung leuchteten schwach die Lichter von Lorville. Ansonsten war absolut gar nichts zu sehen, nicht einmal die eigene Hand vor Augen.
“Es ist hinter dem Hügel”, sagte Friedrich.
Völlig blind liefen wir den Hügel hinauf. Immer wieder stolperten wir über Wurzeln, Schrott und Müll. Aus Angst entdeckt zu werden, trauten wir uns nicht, die Helmlampen einzuschalten. Als wir oben auf dem Hügel angekommen waren, erkannten wir, wie gut unsere Entscheidung war. Links von uns befand sich in 250 Meter Entfernung ein Wachturm. Ich nahm mein Scharfschützen Gewehr und legte an. Durch das Zielfernrohr konnte ich im Licht des Turmes sieben Wachen zählen. Was sollte ich tun? Sie ausschalten? Sie waren eine Gefahr, da wir uns in ihrer direkten Feuerlinie befanden. Auf der anderen Seite wussten sie nicht, dass wir hier waren und so sollte es auch bleiben.
Wir hatten noch einen Job zu erledigen. Wir wollten Informationen, keinen Krieg. Und die Informationen lagen direkt vor uns. Unten im Tal stand die Constellation Phönix. Wie ein Fremdkörper wirkte das hell beleuchtete Luxusschiff in der Dunkelheit. Allerdings lag zwischen uns und dem Schiff eine alte Siedlung. Sie war schwach beleuchtet. Zwischen den verfallenen Mauern standen Container und Fässer.
Zuerst richtete ich mein Gewehr auf die Phönix. Durch die seitlichen Fenster konnte ich direkt in das Schiff schauen. Ich sah Stühle, einen Tisch, eine Bar, aber keine Menschen. Dann schwenkte ich meinen Blick auf die Siedlung. Leise sagte ich zu Brubacker und Friedrich.
“Direkt voraus sehe ich im Licht der Laterne eine Person. Weiter rechts sind weitere verfallene Gebäude. Dort kann ich niemanden sehen. Es ist allerdings sehr dunkel. Geht ihr runter und checkt die Lage. Ich gebe Euch von hier oben Feuerschutz.”
Friedrich und Brubacker stiegen den Hügel hinunter. Nach nur fünf Metern hatte sie die Dunkelheit verschluckt. Verzweifelt versuchte ich, Blickkontakt zu halten, doch ich sah nur Schwärze. Dann bemerkte ich eine Bewegung bei den Gebäuden, die im Dunkeln lagen. Angestrengt schaute ich durch das Zielfernrohr. Zuerst sah ich eine Person, die über eine Mauer kletterte. Dann eine zweite, die hinterher stolperte.
Es waren Friedrich und Brubacker. Über Funk meldeten sie, dass sie einen erschossenen Duster gefunden hatten. Dann bewegten sie sich zwischen den Mauern hindurch zu dem Typen, der im Licht stand. Durch das Zielfernrohr beobachtete ich, wie sie ihn von zwei Seiten mit den Waffen bedrohten. Er schien nicht beeindruckt zu sein. Dann schoss Friedrich in die Luft. Keine Reaktion. Friedrich feuerte ein paar Schüsse direkt vor seine Füße. Plötzlich ging alles ganz schnell. Der Typ griff nach seiner Waffe, doch bevor er anlegen konnte, erschoss Friedrich ihn.
Plötzlich fielen mir die Wachen links von uns bei dem Turm ein. In einer schnellen Bewegungen schwenkte ich das Gewehr. Durch das Zielfernrohr schien alles zu wackeln und von links nach rechts zu wanken. Erst als ich das Gewehr wieder ruhig halten konnte, hatte ich ein klares Bild. Die Wachen standen entspannt herum. Es schien sie nicht zu interessieren, was unten im Tal passierte. Oder sie hatten es nicht bemerkt.
Auf jeden Fall schien die Lage ruhig und unter Kontrolle zu sein. Ich folgte den anderen nach unten. Als ich den Typen erreichte, den Friedrich erschossen hatte, durchsuchte ich ihn. In seiner Rüstung fand ich ein Datenpad mit einer Nachricht. Das musste ich den anderen unbedingt zeigen.
Als ich Brubacker und Friedrich erreichte, versuchten sie in die Phönix zu kommen. Doch sie war verschlossen. Ich zeigte ihnen das Datenpad mit der Nachricht.
Ich weiß, dass Ihr langsam nervös werdet, weil Ihr Euch bei den Dusters verstecken müsst, aber denkt daran, was auf dem Spiel steht. Jeder muss seinen Teil dazu beitragen, dass es klappt. Eure Befehle bleiben die gleichen. Bleibt standhaft und haltet Euch jederzeit einsatzbereit. Was Eure Frage betrifft, so sind einige der Abwurfzonen in Eurer Nähe bereits geräumt worden, andere wurden noch nicht gefunden. Ich habe dies bei der Routenplanung der Jagdgruppen berücksichtigt. Mit etwas Glück habt Ihr bald wieder die Möglichkeit, in das Geschehen einzugreifen.
Auf dem Datenpad fanden wir zudem die Standortdaten einer Basis der Slicers auf dem Mond Caliope.
“Dann hat sich also ein Slicers bei den Dusters versteckt. Aber von der Crew der Beluga keine Spur. Wir sollten zur Basis auf Caliope. Vielleicht finden wir dort etwas.”
Auf dem Weg zurück zur Piscis hören wir plötzlich den erstickten Schrei von Friedrich.
“Fancis….”
Er war mitten in der Dunkelheit über die Leiche der Kapitänin der Beluga gestolpert.
“Sie muss versucht haben zu fliehen, dann haben sie sie kaltblütig erschossen.”
Wir nahmen den toten Körper von Francis mit und legten sie auf das Krankenbett der Piscis. Schweigend standen wir neben dem Bett und schauten auf den Leichnam.
“Sie ist tot”, sagte Friedrich sichtlich erschüttert. ”Sie hatte gerade erst begonnen, Fracht zu fliegen und wollte Geld für ihren ersten Imprint zurücklegen.”
“Tut mir sehr leid”, sagte Brubacker leise.
Dann brach es aus Friedrich heraus.
“Wir müssen das stoppen!”
Während des Fluges nach Caliope sagte keiner von uns ein Wort. Und die Stimmung wurde auch nicht besser als wir ankamen. Caliope war ein unwirklicher Mond mit einer tiefen und dichten Wolkendecke. Die einzigen Farben waren Variationen von Schwarz und Grau. Selbst bei Tag war die Sicht extrem schlecht. Es war Nacht. Die Sicht tendierte gegen null.
Wir landeten die Piscis ein Stück von der Basis entfernt. Ein Stück zu weit entfernt, wie wir bald herausfanden. Während Brubacker und ich weiter zu Fuß zur Basis gingen, ging Friedrich zurück zur Piscis, um sie näher an die Basis heran zu holen. Um unentdeckt zu bleiben, wollten wir sie aber nicht direkt bei der Basis landen.
Die Dunkelheit, sie war bedrückend. Aber sie war auch von Vorteil. Wie Geister bewegten wir uns durch die schwarze Felsenlandschaft. Das Knirschen unserer Stiefel wurde sofort vom Wind verweht. Irgendwann kamen die hellen Lichter der Basis in Sicht.
Durch das Zielfernrohr überprüfte ich das Gelände. Die einzige Bewegung, die ich ausmachen konnte, war der graue Staub, der vom Wind zwischen den Containern und Installationen getragen wurde. Kein Wunder, wer würde schon freiwillig in dieser Umgebung Wache stehen. Außerdem war die Basis so gut versteckt, dass sie niemand zufällig finden konnte.
Vorsichtig näherten wir uns dem Gebäude. Direkt vor dem Eingang stand ein URSA Rover.
“Hey mit dem Rover können wir Friedrich holen. Ohne ihn gehe ich nicht in die Basis.”
“Zero nicht, wir schrecken noch jemanden auf.”
Wen sollten wir schon aufschrecken? Den Staub? Ich ignorierte die Warnung von Brubacker und setzte mich auf den Fahrersitz. Brubacker nahm kopfschüttelnd neben mir Platz. Im minimalen Sichtfeld der Scheinwerfer fuhren wir zurück zu Friedrich. Die Navigation zwischen schwarzen Felsen durch die schwarze Nacht war schwierig. Friedrich konnte ich erst sehen, als er direkt vor uns stand. Mit blockierenden Reifen kamen wir in einer Staubwolke zum Stehen.
Zurück in der Basis fuhren wir mit dem Aufzug nach unten. Ohne die Unterstützung erfahrener Kämpfer war unser Unterfangen Wahnsinn. Aber was blieb uns anderes übrig? Mit gezogenen Waffen wagten wir einen Schritt nach dem anderen in die unbekannte unterirdische Anlage. Mir lief der Schweiß von der Stirn.
Wir bogen um eine Ecke und fanden einen großen Raum vor. In der Mitte war der Boden offen, so dass man auf die Etage unter uns sehen konnte. Darüber führte ein Metallsteg. Links und rechts führte ein Gang um den offenen Boden herum in den hinteren Teil des Raumes. In den Gängen links und rechts standen rote Gasbehälter, auf denen ein Schild vor dem explosiven Inhalt warnte.
“Was ist das denn?”
“Schieß da bloß nicht drauf, Bru!”
Uns wurde schnell klar, dass dies tatsächlich eine Operationsbasis der Slicers war. Hier bereiteten sie offenbar etwas vor. Es war der Beweis, dass etwas Großes im Gange war, dass die Slicers mit ihren Angriffen noch nicht am Ende waren. Noch bevor wir uns zurückziehen konnten, sah uns der erste Slicers.
Mein Überlebensinstinkt übernahm die Kontrolle, legte das Gewehr an und schoss. Der Slicers fiel zu Boden. Brubacker und Friedrich rückten auf der rechten Seite vor. Ich hielt erstmal die Stellung. Dann sah ich, wie mehrere Slicers auf der linken Seite in meine Richtung kamen. Bru und Friedrich waren schon zu weit weg, um mir zu helfen. Alleine hatte ich keine Chance, es waren einfach zu viele.
Ich wollte gerade in Panik davonrennen, als ich auf die roten Gascontainer blickte. Für einen Bruchteil einer Sekunde überlegte ich, dann drückte ich ab. Eine furchtbar laute Explosion zerfetzte die Luft in der Anlage. Langsam schaute ich aus meiner Deckung auf den Ground Zero der Explosion.
“Was war das?”
“Die roten Gasdinger sind hoch gegangen und mit ihnen die Slicers”, antwortete ich. “Oh schaut mal, einige haben S71 Gewehre. Die lassen sich gut verkaufen.”
Nachdem wir keine weiteren Slicers und keine Spur der Crew von der Beluga gefunden hatten, sprengten wir die anderen Gascontainer und flogen zurück nach Hurston.
Wir wussten, dass wir allein und ohne weitere Informationen nichts gegen die Bedrohung durch die Slicer unternehmen konnten. Wir hatten auch keine Informationen über die vermisste Besatzung. Wir standen mit leeren Händen da. Ich beschloss, zu den Dusters zu fliegen, die ich kannte. Vielleicht würde ich von ihnen mehr erfahren. Immerhin hatten sich die Slicers bei den Dusters versteckt.
Die Perspektive von Brubacker: https://sternenwanderer.org/jahr-2954#S26