Log #205 – Crusader Kurier

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Crusader Industries versetzte mich in eine spezielle Einheit, in der ich als Kurier arbeitete. Es bot sich eine spezielle Gelegenheit.


Das Büro des Managers sah erfrischend aus. Es stand in krassem Gegensatz zu dem sterilen Raum der Facility Managerin, die mich in meine Arbeit als Müllsammler eingewiesen hatte. Auf dem Schreibtisch standen verschiedene Figuren und eine Sammlung von Sturmwal-Plüschtieren in allen Größen und Farben. An den Wänden hingen gerahmte Bilder von Raumschiffen, die Crusader Industries herstellte. Nur ein Bild passte nicht so recht ins Konzept. Es war ein Graffiti mit einem stilisierten Vogel.

Der Manager saß hinter seinem Schreibtisch und strahlte mich an. Er trug ein etwas zerknittertes blaues Hemd mit einer Krawatte. Auf seiner linken Brust strahlte in Gold das Logo von Crusader Industries.

“Willkommen bei F.E.L. – Wir sind die Abteilung für Forschung, Entwicklung und Logistik bei Crusader Industries. Müll müssen Sie jetzt nicht mehr einsammeln. Sie werden dem Kurierdienst zugeteilt. Die Arbeit erfolgt im Schichtbetrieb. Sie sind eine Woche draußen mit dem Raumschiff unterwegs und schlafen auch an Bord. Dann haben Sie drei Tage frei. Danach beginnt die nächste Schicht. Die komplette Ausrüstung wird ihnen gestellt. In Hangar 1 wartet ihr Raumschiff. Viel Erfolg. Wenn irgendetwas ist, melden Sie sich bei mir.”

Sprachlos verließ ich das Büro und ging zum Raumhafen. Das war ein schneller Aufstieg. Gerade noch ganz unten als Müllsammler angefangen, bekam ich jetzt schon einen neuen Job und ein Raumschiff.

Neugierig betrat ich den Hangar. Als erstes fielen mir die beiden gigantischen Triebwerke des Raumschiffes auf. Das halbe Heck bestand nur aus acht Antriebsdüsen. Vier zu jeder Seite der Heckrampe. Dann kam noch etwas Flügel, mehr konnte ich nicht sehen. Ich lief seitlich an dem flachen, schnittigen Raumschiff vorbei. Die Crusader C1 Spirit strahlte Eleganz, Agilität und Geschwindigkeit aus. Sie war ganz in den Farben von Crusader Industries gehalten, Weiss mit blauen Stellen auf der Seite, auf denen C1 Spirit stand.

Der Innenraum erinnerte mich an meine Mercury Star Runner. Ein langer Gang mit zwei runden Türen verband den Frachtraum mit dem vorderen Teil des Raumschiffes. Dort waren der Wohnbereich und das Cockpit vereint. Mein Blick blieb am Küchenblock hängen. Hinter zwei Glastüren standen mehrere Flaschen mit Säften und Obst, richtig frisches Obst. Auf dem Küchenblock waren Wasserflaschen und Müsliriegel. 

Ich war sprachlos. Crusader Industries ging mit seinen Angestellten wirklich anders um als Hurston Dynamics.

Nachdem ich im Pilotensitz Platz genommen hatte, startete ich die Triebwerke. Ein sonores Brummen versetzte das Schiff in ein leichtes Vibrieren. Ein Knacken im Funk kündigte die Startfreigabe von der Flugsicherung an. Im selben Moment öffneten sich die Hangartore und gaben den Blick frei auf die schwebende Stadt in den rosa Wolken des Gasriesen Crusader.

Mit aktivierten VTOL Triebwerken gab ich Schub. Eigentlich nur ein wenig, aber die Spirit reagierte sofort und machte einen gewaltigen Satz nach oben. Ein furchtbarer Krach dröhnte durch den Hangar, als ich gegen die Decke knallte. Instinktiv zog ich den Kopf ein. Verdammt, das war kein guter Start, auch nicht in meinen neuen Job.

Schließlich schwebte ich hinaus in eine ereignislose Schicht, bei der ich eilige Lieferungen zwischen den verschiedenen Außenposten des Crusader Planetensystems hin und her flog.

*

Nach einer Woche kehrte ich nach Orison zurück. Sicher landete ich die vom Start ramponierte Spirit im Hangar. Für einige Sekunden stand ich an der geöffneten Heckrampe und schaute hinunter zu dem Techniker, der mich bereits erwartete. Er sah ungehalten aus. Kein Wunder, er musste innerhalb der nächsten drei Tage die Spirit wieder auf Vordermann bringen.

Kaum war ich die Rampe hinunter gelaufen, raunte er mich an: “Der Boss will Dich sehen. Du sollst in sein Büro kommen. Jetzt! Sofort!”

Kommentarlos ließ ich den Techniker stehen und ging auf direktem Weg zum Manager. Mit einem Kloß im Hals öffnete ich die Tür zu seinem Büro. Als er mich sah, legte er die Stirn in Falten und meinte in strengem Ton: 

“Das war ein holpriger Start.”

Sekunden vergingen. Sekunden, in denen sich Schweißperlen auf meiner Stirn bildeten. Dann fuhr er in lockerem Ton fort.

“Nicht so schlimm. Wir alle stolpern mal. Und an den enormen Schub der Spirit muss man sich erstmal gewöhnen.”

Nach einer weiteren Pause ergänzte der Manager:

“Ich werde sie versetzen. Wir haben bei F.E.L. eine Spezialeinheit für besondere Aufgaben. Sie werden weiter mit der Spirit unterwegs sein. Aber sie bekommen eine angepasste Ausrüstung.”

Sprachlos stand ich mit offenem Mund vor dem Schreibtisch des Managers. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, was Hurston Dynamics mit einem Arbeiter machte, dem so ein Missgeschick passierte wie mir beim Start. Der Manager lächelte mich an und trillerte:

“Na los. Erholen Sie sich die nächsten drei Tage. Orison hat genug Annehmlichkeiten zu bieten.”

*

Nach drei entspannten Tagen in der Wolkenstadt ging ich wieder zum Raumhafen, um meinen Dienst anzutreten. Kurz vor dem Kontrollpunkt des Zolls lag eine leere Flasche auf dem Boden. Kopfschüttelnd hob ich sie auf und warf sie in den direkt daneben stehenden Mülleimer. Grinsend ging ich weiter. Mein vorheriger Dienst als Müllsammler hatte wohl eine nachhaltige Wirkung auf mich.

An Bord der Spirit lag eine mittelschwere Rüstung und ein schwerer Helm bereit. Daneben lag eine LH86 Pistole mit Visier und mehreren Magazinen. Fragend schaute ich die Ausrüstung an. Was zum Teufel waren das für besondere Aufgaben, die ich jetzt hatte?

Die Antwort fand ich im Bordcomputer. Es war ein Lieferauftrag. Eigentlich sah es nach einem ganz normalen Kurierdienst aus, wie bisher auch. Nur diesmal musste ich die Pakete nicht in einem Außenposten, sondern in einem Sicherheitsbunker abholen. Was waren das für Pakete, die unter hohen Sicherheitsvorkehrungen gelagert und von einer Spezialeinheit transportiert wurden? Und warum bekam ich für den Job eine Rüstung mit höherem Schutzniveau gestellt? Ich hatte ein ganz mieses Gefühl bei der Sache.

Nachdem ich vor dem Bunker gelandet war, stand ich für eine Weile vor dem Waffenschrank der Spirit. Hinter der Glastür hing ein P4 Sturmgewehr von Behring mit Zieloptik und Kompensator, um den Rückstoß zu dämpfen. Fragend schaute ich die Waffe an. “Brauche ich Dich?” Kalt schaute sie zurück, ohne eine Antwort zu geben. Schließlich ging ich zum Bunker, ohne das P4. Ich war als Kurier hier, nicht als Söldner.

Im Bunker herrschte geschäftige Ruhe. Techniker und Wachleute von Crusader Security liefen umher. Niemand sprach. Es war ein Bunker, wie ich ihn schon oft gesehen und gehasst hatte. Er war verwinkelt, hatte zwei Ebenen und überall standen Paletten mit Kisten herum. Es dauerte eine Weile, bis ich die Kisten fand, die ich holen sollte.

Gerade als ich die zweite Kiste zum Aufzug trug, hörte ich Schüsse. Schreie hallten durch den Bunker. Dann wieder Schüsse. Erschrocken ließ ich die Kiste fallen, zog meine Pistole und ging hinter einem Kistenstapel in Deckung. Erneut knatterte ein Schnellfeuergewehr. Dann war es ruhig. 

Nach einigen Sekunden angespannter Ruhe hörte ich Schritte. Schwere Schritte. Jemand in einer Kampfrüstung kam in meine Richtung. Die Schritte wurden lauter, kamen näher. Jeden Augenblick musste jemand um die Ecke kommen, jemand, den ich nicht sehen konnte. Ich hob die Pistole und zielte auf einen Punkt im Raum, an dem gleich jemand sein würde.

Plötzlich stand er vor mir, der Kämpfer in schwerer Rüstung und ich war unfähg abzudrücken. Zum Glück. Auf seinem blauen Brustpanzer stand Crusader Security. Mit einem Schlag kam die ganze angespannte Luft aus mir heraus. Langsam senkte ich die Waffe.

“Alles unter Kontrolle”, sagte der Wachmann und ergänzte: “Wir haben in letzter Zeit vermehrt Probleme mit den Nine Tails.”

Während er sprach, schaute der Wachmann die ganze Zeit auf meine Pistole. Ich hielt sie ihm unter die Nase und sagte:

“Meine Dienstpistole. Stimmt damit etwas nicht?”

“Ist das alles? Mehr haben sie Dir nicht gegeben?”

Kopfschütteln zeigte er auf eine rote Kiste.

“Da ist eine Waffenkiste. Bedien Dich. Die stehen allen Crusader Angestellten zur Verfügung. Auch in den anderen Bunkern.”

Dann stapfte er davon. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht, als ich in die Kiste schaute. Darin lagen mehrere S71 Sturmgewehre, auch eine Sonderedition in rot. Das S71 war auf dem freien Markt nicht erhältlich. Ich war zwar kein großer Waffenfan, aber ich wusste, wer schon öfters nach S71 Gewehren gefragt hatte. Ray Keaton. Vielleicht würde er seinen Groll gegen mich ablegen, wenn ich ihm die S71 Gewehre günstig verkaufte. Mit etwas Glück bot sich hier die Gelegenheit, die Probleme mit Ray aus der Welt zu schaffen.