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“Die Rhino Laser Repeater sind ja dann doch noch gut in Grim Hex angekommen.”

Die Frauenstimme drang erst leise, dann immer deutlicher in mein Bewusstsein. Langsam wie ein Hangartor öffneten sich meine Augenlider. Schwaches, rötlich schimmerndes Licht traf auf meine Netzhaut und formte ein verschwommenes Bild meiner Umgebung. Erst als ich meine Augen mit den Handflächen massierte, wurde mein Blick scharf. Wie ein schiefer Sack fand ich mich halb liegend, halb sitzend auf einem roten Sofa wieder, umgeben von leeren Bierflaschen der Marke Schmolz. Neben mir saß eine mir unbekannte Frau. Stöhnend richtete ich mich auf. 

“Wer ist angekommen?”

“Die Rhino Laser Repeater aus dem Frachtraum der gestrandeten Hercules. Dank der Drogen, die Du mitgebracht hast, konnten wir eine schnelle Bergung der Waffen organisieren, bevor der Abschleppdienst die Hercules mitgenommen hat.”

Stück für Stück setzten sich die Puzzleteile meiner Erinnerung zusammen. Gemeinsam mit Brubacker und Hermieoth hatte ich eine Hammerhead ausgeschlachtet. Doch unser Transportschiff vom Typ Hercules kam mit den geborgenen Laser Repeatern nicht in Grim Hex an. Deswegen stand ich mit leeren Händen da, ohne Informationen über den Verbleib meiner White Rabbit, die ich im Tausch gegen die Waffen erhalten sollte. Nach dem Mißerfolg hatten Brubacker, Hermieoth und ich ein paar Bier auf der Renn- und Wett-Ebene von Grim Hex getrunken. Das letzte Bier musste schlecht gewesen sein. Ich befand mich in einem ziemlich verkaterten Zustand immer noch am Ort unseres Besäufnisses. 

“Und wer bist Du?”

“Mein Name ist Diana Vess. Ich mache so einiges. Unter anderem kooperiere ich mit Scutter. Ich vergebe Aufträge um Waffen zu organisieren die dann auch Scutter für den Weiterverkauf in seinem Laden bekommt.”

So schwer mir das Denken auch fiel, eine Sache war trotzdem sofort offensichtlich. Schlagartig war ich hellwach.

“Moment mal. Wenn Scutter die Laser Repeater von der Hammerhead bekommen hat, dann sollte ich doch auch die Informationen bekommen, die er mir versprochen hat. Ich hab den Eindruck, Du weißt auch, wie gebrauchte Waffen oder Schiffskomponenten nach Grim Hex kommen und hier verhökert werden.”

“Klar weiss ich das. Aber warum sollte ich dir das bei unserer ersten Begegnung erzählen? Zeig mir erstmal, was für ein Scavanger Du bist. Wenn Du einen guten Job machst, dann können wir ins Geschäft kommen.”

Müde ließ ich mich in die Rückenlehne des Sofas fallen. Jeder wusste was. Doch jede Information hatte ihren Preis. Bei Diana schien ich nicht weiter zu kommen. Der Schlüssel war Scutter. Allerdings würde er sich auf den Standpunkt stellen, dass er die Laser Repeater nicht von mir bekommen hatte, also würde ich auch keine Informationen von ihm bekommen. Doch ich war mir ziemlich sicher was er wollte und ich wusste genau wo ich Waren für seinen Laden besorgen konnte. Es sollte doch mit dem Teufel zugehen, wenn ich nicht mit Scutter ins Geschäft kommen würde. Wenn ich von ihm nicht doch noch die Informationen erhalten sollte.

*

Nach meiner Flucht aus Klescher hatte ich ein Lager mit Rüstungen und Handfeuerwaffen angelegt, die ich im Laufe der Zeit an verschiedenen Orten gesammelt hatte. Auch seltene und am freien Markt nicht erwerbbare Teile waren darunter. Ich stand im Laden von Scutter und bot ihm Waren aus meinem Lager an. Meine Stimme explodierte fast.

“Willst Du mich verarschen? 17 Credits für ein Arrowhead Scharfschützengewehr? Sieben  für ein Custodian SMG? Und für die Rüstungen gibst Du mir gar kein Geld?”

“Hey geh mir nicht auf den Sack. Geh drauf ein oder lass es. Die Nachfrage bestimmt den Preis. Nachgefragt sind P4 Gewehre.”

Verärgert verließ ich Scutters Laden, ohne ihm etwas verkauft zu haben. So einfach kam ich mit ihm doch nicht ins Geschäft. Wenig später landete ich in einer Senke auf der Nachtseite des Mondes Daymar. Eine ganze Weile stand ich im Cockpit und beobachtete, wie sich hinter einem Berg der Gasriese Crusader erhob. Ich musste einen Weg finden, Scutter zum Reden zu bringen. Mit den P4-Gewehren sollte es klappen. Allerdings würde ich mehr als ein P4 brauchen. Viel mehr als eines. Aber wo sollte ich die herbekommen? Crusader strebte hinauf zu den vielen kleinen Lichtpunkten am Firmament. Eine Erleuchtung brachte er mir nicht. Ich ging erstmal schlafen.

*

Die Fernsicht von der Düne war gigantisch. Still lag die Wüste von Daymar zu meinen Füßen. Nur vereinzelt ragten Dünen aus der flachen Ebene, die sich bis zum Horizont erstreckte. In den letzten Tagen hatte ich den Mond Daymar durchstreift und nach Waren Ausschau gehalten, die für Scutter von Wert sein könnten. Hier und da fand ich Rüstungen, Waffen und Container von abgestürzten Raumschiffen, aber keine P4-Gewehre. Die P4 war eine der Lieblingswaffen der Nine Tails. Deshalb konnte Scutter sie auf Grim Hex gut verkaufen. Ich hatte eine Idee, wo ich welche herbekommen könnte. Aber ich war mir nicht sicher, ob mein Plan eine gute Idee war. Minutenlang stand ich auf der Düne und schaute in die Ferne, ließ meine Gedanken schweifen und versuchte zu einer Entscheidung zu kommen. Schließlich kehrte ich zu meiner Vulture zurück. An Bord des Raumschiffes wechselte ich einen Blick mit Rudi dem Ball. Auch er schien von meiner Idee nicht viel zu halten. Aber ich sah keine Alternative. Ich musste das Risiko eingehen, wenn ich Scutter gesprächig machen wollte.

Kurze Zeit später landete ich bei der verfallenen Siedlung, die ich schon öfter besucht hatte. Von der erhöhten Position des Plateaus blickte ich durch das Zielfernrohr auf die Siedlung unten im Tal. Meine Vermutung war richtig. Zwischen den Überresten der verfallenen Gebäude patrouillierten Nine Tails. Ich senkte das Scharfschützengewehr und atmete tief durch. Wollte ich das wirklich tun? Zwei Stimmen stritten sich in meinem Kopf. Dann schob ich die Zweifel beiseite, legte das Gewehr an und schoss. 

Anschließend ging ich zur Siedlung. Je näher ich den verfallenen Gebäuden im Tal kam, desto deutlicher war das Rattern eines Generators zu hören. Ich konnte nur hoffen, dass die Nine Tails mit P4-Gewehren ausgerüstet waren und ich alle erwischt hatte. Bei einer Begegnung mit einem Lebenden, wäre ich ziemlich hilflos gewesen. Statt einer Waffe hielt ich ein Multitool in der Hand. Vor mir schwebte ein 1 SCU Container, der vom Traktorstrahl meines Multitools gehalten wurde. Der Container tanzte durch die Luft, während ich über verfallene Mauern stolperte.

Viel zu unvorsichtig näherte ich mich einem improvisierten Lager bei einigen Mauerresten. Zwischen Kisten, Metallplatten und Gasbehältern lagen mehrere reglose Nine Tails. Der Wind wehte eine dünne Sanddecke über die Körper. Nachdem ich meinen Container abgestellt hatte, begann ich zu suchen. Der erste Nine Tail hatte eine Schrotflinte. Das war nicht das, was ich suchte. Ich drehte den zweiten Nine Tail um. Unter ihm lag ein P4-Gewehr. Der dritte Nine Tail hatte auch ein P4. Schließlich fand ich unter einer Metallplatte ein ganzes Lager mit  P4-Gewehren. Jackpot! Insgesamt waren es 10 Gewehre. Euphorisch begann ich, die Waffen in meinen Container zu packen. Dabei musste ich mehrmals hin und her laufen und über einen der Nine Tails steigen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ihn das störte. Wahrscheinlich war er längst irgendwo in einem neuen Körper regeneriert. 

Mit den letzten beiden Waffen stieg ich erneut über den Nine Tail, als ich plötzlich einen stechenden Schmerz im Fuß spürte. Ein lauter schmerzverzerrter Schrei dröhnte durch meinen Helm. Ein Messer steckte in meinem Stiefel. Der Nine Tail unter mir bewegte sich. Dann konnte ich mein eigenes Gewicht nicht mehr halten. Wie ein Presslufthammer knallte mein Knie auf den Bauch des Nine Tails. Er quittierte es mit einem kurzen Stöhnen. Kniend versuchte ich das P4 zu erreichen, das an meinem Rucksack hing. Der Nine Tail drehte sich zur Seite. Meine Hand griff ins Leere. Die Drehung des Nine Tails drückte mein Knie zur Seite und brachte meinen Oberkörper aus dem Gleichgewicht. Ich schlug hart auf dem sandigen Boden auf. Auf dem Rücken liegend erreichte ich schließlich das P4 und schoss zwischen meinen Knien hindurch. Der Nine Tail bewegte sich nicht mehr.

Stöhnend kam ich langsam wieder auf die Beine. Was für eine Scheiße. Das Messer steckte immer noch in meinem Stiefel. Humpelnd erreichte ich schließlich meine Vulture. Nachdem ich den Container mit den P4 Gewehren verstaut hatte, flog ich nach Grim Hex.

*

Ich war überrascht, Scutter gab mir pro Gewehr 1100 Credits. Doch das Geld war mir nicht wichtig, ich wollte Informationen. Die Stimmung von Scutter schien ausnahmsweise mal nicht genervt zu sein. Ich versuchte es.

“Und wie läuft das jetzt hier mit den gebrauchten Sachen, die vorher jemand anderes gehört hatten?”

Scutter schien gesprächig zu sein.

“Die gehen in mein Netzwerk. Die Scheiße läuft echt gut. Handfeuerwaffen und Rüstungen verkaufe ich direkt in meinem Laden. Schiffswaffen und Schiffskomponenten werden über Dumpers Depot verkauft.”

“Und wie kommt das Zeug hier her?”, hackte ich nach.

“Wenn ich bestimmte beschissene Waffen brauche, oder jemand eine scheiß Bestellung hat, die ich nicht bedienen kann, geb ich Diana Vess bescheid. Die schickt dann irgendwelche Idioten los das Zeug zu besorgen. Die macht aber nur in Waffen.”

“Und Schiffskomponenten?”

“Der Dreck wird eher selten gehandelt. Waffen sind das gute Zeug.”

Wollte er mir nichts über den Schildgenerator aus meiner White Rabbit sagen oder wusste er wirklich nichts. Ich ließ nicht locker.

“Und kannst Du mir sagen, woher der Aspis Schildgenerator gekommen ist, der seit kurzem in Dumpers Depot liegt?”

“Hey Du Schwachkopf. Wir sind in Grim Hex. Hier werden keine Fragen gestellt. Da kommt einer, hat was zu verkaufen, ich zahle und frage nicht. So läuft das hier. Sei froh, dass ich nicht frage, woher du die P4 Gewehre hast. Könnte zu Ärger mit den Nine Tails führen, oder?”

Mit hängendem Kopf verließ ich Scutters Laden. Jetzt wusste ich zwar über den sogenannten Gebrauchtwarenmarkt von Scutter bescheid, allerdings brachte mich das keinen Schritt weiter bei der Suche nach meiner White Rabbit. Irgendjemand in Grim Hex musste doch etwas beobachtet haben oder etwas wissen. Nur wer?