Log #157 – Auf der Suche

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Mein Bergungsauftrag führte mich in die Eishölle. Die Umstände waren schwierig. Ich begann zu zweifeln.


Calliope, der unwirklichste von den Monden Microtechs. Wenn man eine Vorstellung bekommen wollte, wie es ist wenn die Hölle einfriert, war man hier genau richtig. Eis, Schnee, schwarzes Gestein, erbarmungslose Stürme und tiefhängende Wolken. Das wenige Licht das es bis auf die Oberfläche schaffte ließ den Tag nicht viel mehr als eine Dämmerung sein.

Der Blick auf die Eiskugel aus dem Cockpit der 400i war wie die Ruhe vor dem Sturm. Aus dem Weltall sah der Mond unspektakulär aus. Doch ich wusste was mich erwartete. Die Untersuchung der Wracks auf Celin und Yela würden im Vergleich wie ein Spaziergang wirken. Dabei war mein Bergungsauftrag bisher kein Spaziergang. Die beiden Caterpillars auf Celin und Yela waren in mehrere Teile zerbrochen. Es war eine mühsame Arbeit die Wracks zu durchsuchen. Computerplatinen hatte ich nicht gefunden. Dafür jede Menge Verpflegung und medizinisches Equipment. Nachdenklich stand ich noch eine ganze Weile im Cockpit bevor ich mit der 400i in die raue Atmosphäre von Calliope eintauchte.

Das Wrack zu finden war kein leichtes Unterfangen. Es war über 200 km vom Außenposten entfernt der als Orientierungspunkt diente. Nur eine leichte Abweichung vom Kurs würde mich mehrere Kilometer am Wrack vorbei führen. Meine Hoffnung war Rauch oder Feuer zu sehen. Doch alles was ich sah waren grau weiße Wolken über mir und schwarz weiße Landschaft unter mir. Ein Wrack fand ich nicht. Ich begann eine Rastersuche. Nichts. Es war zum Verzweifeln. Schließlich landete ich und versuchte weitere Anhaltspunkte auf der Karte zu finden. Doch auch auf dem Holotisch der 400i fand ich nur grobe Angaben. Der Ausgangspunkt, Richtung und Entfernung. Es schien hoffnungslos. Gab es überhaupt eine Chance das Wrack zu finden?

Ich brauchte irgendeinen zusätzlichen Hinweis. Durch die Panoramascheibe schaute ich hinaus auf die Mondoberfläche. 

“Wo hast Du das Wrack versteckt?”

Die Frage kam mir irgendwie blödsinnig vor. Als ob ich erwartete dass der Mond mir ein Zeichen senden würde. Doch dann tat sich etwas. Nicht draußen auf dem Mond, aber in meinem Kopf. Eine Idee. Zunächst kalt und unzugänglich taute sie langsam auf und nahm Gestalt an. Das Kartographie System der 400i hatte eine Verbindung zu verschiedenen Kartendiensten. In einer Datenbank, in der Anomalien verzeichnet waren, fand ich einen Eintrag über einen unbekannten schwachen Energieausbruch im Orbit von Calliope. Nichts besonderes. Es konnte alles mögliche sein. Ein Asteroid der in die Atmosphäre eingedrungen und verglüht war. Oder eben ein Raumschiff das unkontrolliert auf die Mondoberfläche stürzte. Der berechnete Aufschlagpunkt war nur 20 km entfernt. Es war meine beste Chance, also machte ich mich auf den Weg.

Schon aus einiger Entfernung sah ich den Rauch der vom Trümmerfeld aufstieg. Es war wieder eine Caterpillar. Mein Raumschiff landete ich in sicherer Entfernung und fuhr das letzte Stück mit dem Tumbril Cyclon. Das Wetter war….Calliope. Anders konnte ich es nicht beschreiben. Die Temperaturen waren eisig, der Wind kräftig. Um bestmöglich geschützt zu sein hatte ich mir den Schutzanzug für extreme Kälte angezogen. Darin fühlte ich mich total unbeweglich. Das Ding war steif und schwer. Doch es war besser in der Bewegungsfreiheit eingeschränkt zu sein als zu erfrieren. 

Als erstes musste ich in das Cockpit und überprüfen ob es sich um das gesuchte Schiff handelte. Mühsam arbeitete ich mich durch verbogene Stahlträger und umherliegende Frachtcontainer. Einen direkten Weg gab es nicht. Es war wie in einem Irrgarten. Jetzt rächte sich doch der sperrige Schutzanzug. Er war keine Hilfe beim Klettern über Kisten und beim Kriechen unter umgestürzten Stahlplatten. Nach anstrengenden langen Minuten erreichte ich endlich das Cockpit. Auf der Instrumententafel war eine Plakette mit der Registrierungsnummer des Schiffes. Eiskristalle hatten sich darauf abgesetzt. Die Nummer war nicht zu erkennen. Mit dem Daumen wischte ich das Eis weg. Leise rieselten die weißen Flocken von der Plakette und gaben die Zahlen preis. Es gab keinen Zweifel. Die Caterpillar war eines der Schiffe die X auf die Reise geschickt hatte.

Ein Blick auf die Lebenserhaltungssysteme gab mir die Gewissheit genug Zeit zu haben. Noch eine Stunde und 10 Minuten konnte mich der Anzug vor der erbarmungslosen Kälte schützen. Das sollte reichen um das Wrack zu durchsuchen. Ein Trümmerstück nach dem anderen inspizierte ich. Zunächst fand ich wieder jede Menge Verpflegung. Ich fragte mich ob X wirklich Computerplatinen transportiert hatte, oder ob es sich um Versorgungsflüge handelte. Doch dann fand ich eine Kiste für spezielle Fracht. Sie war rot und lag auf der Gangway des ersten Frachtmoduls. Mein Herz fing an zu rasen. Hatte ich endlich gefunden wonach ich suchte? Die Kiste war nicht verschlossen. Vorsichtig öffnete ich die Verriegelung. Dann klappte ich langsam den Deckel auf. Irritiert schaute ich auf das was im Schein meiner Helmlampe zu sehen war. Helme. Es waren seltene Sonderanfertigungen. Und Spielzeugpistolen. So blöde Dinger mit denen man Plastikstifte verschießen konnte um andere zu nerven. Was zum Teufel ging hier vor? Wieso war Spielzeug in diesem Schiff versteckt. Warum wollte jemand verhindern dass dieses Schiff sein Ziel erreichte? Steckte mehr dahinter als ich sah? Oder wurde ich verarscht?

Plötzlich fing ich an zu zittern. 

“Verdammt Zero. Reiß dich zusammen”, versuchte ich mich selbst zu beruhigen.

Doch es war nicht die Aufregung, nicht der Ärger der mich zum Zittern brachte. Mir war kalt. Eiskalt. Der Blick auf die Lebenserhaltungssysteme ließ mich erstarren. Meine Körpertemperatur war auf 35 Grad Celsius gesunken. Ich hatte noch sechs Minuten bis zum Kältetod. Vor kurzem waren es noch fast 60 Minuten. Der Anzug musste einen Defekt haben. Zeit für eine Analyse oder Reparatur hatte ich nicht. Ich musste so schnell wie möglich zurück in mein Schiff. Verdammt. Das hatte ich 5 Kilometer entfernt gelandet. Aus Sicherheitsgründen. Jetzt wurde die Sicherheit zur Gefahr. Zu Fuß hatte ich keine Chance rechtzeitig zur 400i zu kommen. Zum Glück hatte ich den Tumbril Cyclon. Aber selbst mit dem schnellen Bodenfahrzeug war es schwierig die Distanz in dem schwierig Gelände in sechs Minuten zurück zu legen. Und es waren keine sechs Minuten mehr, inzwischen waren es nur noch fünf.

Hektisch stürzte ich aus dem Wrack. Stolperte über einen Eisklumpen, konnte mich nur mit Mühe auf den Beinen halten. Strauchelnd erreichte ich den leise summenden Tumbril. Irgendwie quälte ich mich auf den Fahrersitz. Ich fluchte auf den sperrigen Kälteanzug. Kaum im Fahrersitz gab ich vollgas. Die Räder drehten kurz durch auf dem eisigen Untergrund. Eisbrocken und Steine flogen. Dann schnellte das Fahrzeug nach vorne.

“Du bist zu schnell. Du verlierst die Kontrolle.” Eine Stimme in mir mahnte etwas vorsichtiger zu fahren. Der Tumbril flog über die Mondoberfläche. Er verlor immer wieder den Bodenkontakt. Bei der Landung konnte ich kaum die Richtung beibehalten. Ständig brach das Fahrzeug aus. Schließlich erreichte ich die 400i. Mit einem lauten Krachen stoppte ich auf dem Frachtaufzug. Endlich war ich in der Sicherheit des Schiffs. Zitternd nahm ich den Helm ab. Warme Luft umströmte mein Gesicht. 

Ich war froh Calliope wieder verlassen zu können. Diese eingefrorene Hölle. Gefunden hatte ich immer noch nicht was ich suchte. Mein Auftrag kam mir immer komischer vor. Bereits die Art und Weise wie mir der Auftrag zugeteilt wurde war dubios. Hatte ich irgendwas übersehen? Unruhig und nervös startete ich den Flug zu meinem nächsten Ziel. Würde ich bei den nächsten Wracks mehr Glück haben? Auf halber Strecke nach ArcCorp stoppte ich den Quantum Antrieb. Es war Zeit für eine Pause. Zeit zum Aufwärmen. Eine Ewigkeit stand ich unter der heißen Dusche. Das Wasser wärmte nicht nur meinen Körper, es streichelte auch meine Seele. Ein Gefühl von Ruhe und Frieden erwärmte mich von innen. 

Nach dem Duschen ging ich durch das Schiff und schaltete das Licht auf Notbeleuchtung. Es war angenehm. Das grelle weiß wich einem sanften grün. Nur schwach war der Innenraum der 400i beleuchtet. Die Sterne wirkten jetzt noch viel heller. Ein endloses Meer kleiner Lichtpunkte glitzerte durch das Fenster. Dann schlief ich tief und fest ein.