Log #124 – Unterschlupf

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Ich war untergetaucht und fand Schutz in der Einsamkeit.


Ich stellte die Schüssel wieder auf den Tisch. Die Nudeln schmeckten furchtbar. Gestern Abend waren sie noch lecker, ok da waren sie auch noch warm. Kalte Nudeln zum Frühstück, irgendwie passte das zu diesem trostlosen und kalten Ort. Nicht nur draussen auf der Mondoberfläche war es kalt, auch im Außenposten waren die Temperaturen alles andere als gemütlich.

Ich wollte für eine Weile von der Bildfläche verschwinden. Bis etwas Gras über die Sache mit Enos, dem Killersatelliten und der Konfiszierung des ‘White Rabbit’ gewachsen war. Das war mir gelungen. Hier würde mich so schnell niemand finden. Ich war weit draußen, weit weg von den Orten an denen so viel passiert war. Meine Star Runner hatte ich auf ‘Everus Harbor’ gelassen und war mit meiner alten Cutlass abgetaucht.

Die Aktivisten auf ‘Everus Harbor’ hatten mir den Tipp gegeben. Die Mining Station auf dem Mond Lyria war unabhängig, voll automatisiert und daher ohne Crew. Sie war versteckt in den eisigen Bergen, ein idealer Unterschlupf. Während meines Aufenthaltes konnte ich auf der Mondoberfläche Mineralien abbauen und im Außenposten deponieren. Der von den Großkonzernen unabhängige Besitzer holte sie irgendwann ab und verkaufte die Mineralien an die freien Völker.

So trostlos dieser Eisbrocken war, so schön und faszinierend war die Lichtstimmung. Das Eis auf der Mondoberfläche glänzte im Licht wie das Funkeln von tausend Spiegeln. Geysire versprühten eisigen Dampf der wie Zuckerwatte über den Schloten stand. Ich war fasziniert und vergaß beim Flug über die Oberfläche manchmal das Scannen.

Ich suchte vor allem nach Hadanite. Es war eine ganze Weile her, dass ich auf Lyria war und jede Menge Hadanite abgebaut hatte. Doch dieses mal hatte ich kein Glück. Ich flog und scannte, flog und scannte und fand nichts. Die eisigen Klauen des Mondes wollten das Hadanite nicht preisgeben. Der glänzende Eisklumpen bot mir Dolivine und Aphorite an, doch daran war ich nicht interessiert. 

Nach dem trostlosen und kalten Frühstück machte ich mich fertig für den nächsten Mining-Ausflug. Im Raum vor der Luftschleuse zog ich mir die passende Ausrüstung an. Schwaches Licht kam durch das Fenster. Der Stern von Stanton hatte sich noch nicht über die Bergkuppen erhoben. Vor dem Fenster konnte ich meine Cutlass sehen. Sie stand einsam und alleine neben dem Gebäude. Die Heckrampe war offen. Ich hatte wohl vergessen sie am Abend zu schließen. 

Vor dem Start überprüfte ich den ROC, der im Frachtraum meiner Cutlass stand. Es schien alles in Ordnung zu sein. Ein neuer Arbeitstag konnte starten. Sollte ich diesmal mehr Glück haben als an den anderen Tagen? Ich hielt kurz inne und strich mit der Hand über den Reifen des ROC. Schließlich ging ich in den vorderen Bereich der Cutlass, kletterte auf den Pilotensitz und startete in den Sonnenaufgang. Wenigstens war die Lichtstimmung auf Lyria wieder sehr beeindruckend. 

Doch die Schönheit dieses Mondes vermochte immer weniger meine Stimmung aufzuheitern. Ein weiterer Tag war vergangen. Frust machte sich breit. Der Stern von Stanton stand schon tief über dem Horizont als ich ein sehr großes Cluster Dolivine fand. Ich haderte mit mir selbst. Das Zeug wollte ich nicht, aber mit dem Cluster konnte ich den Frachtraum des ROC zur Hälfte füllen. Besser als weiter zu fliegen und nur Hydrogen in den Triebwerken zu verbrennen. 

Ich landete, öffnete die Rampe und betrat die Mondoberfläche. Zu meiner Überraschung waren es nur -2 Grad Celsius. Ich weiss nicht wie lange ich dort stand. Aber die Schatten der Felsen waren schon deutlich länger geworden als ich immer noch am Überlegen war ob ich das Dolivin abbauen sollte. Schließlich gab ich mir einen Ruck und kickte einen kleinen Eisbrocken mit dem Fuß weg. Es war Zeit etwas Geld zu verdienen. 

Es war längst dunkel bis das Dolivin in der Frachtbox des ROC war. Ich war auf dem Rückweg zur Cutlass. Die leistungsstarken Scheinwerfer des Bergbau Fahrzeuges erhellten die Luft. Es sah aus als ob die Luft selbst leuchtete. Nebel war aufgezogen. Er reflektierte das Scheinwerferlicht. Ich war mir nicht sicher, ob ich mit ohne ohne Licht mehr sehen konnte.

Nach der Rückkehr zum Außenposten verbrachte ich eine weitere Nacht in dem kühlen Gebäude. Ich hatte aufgehört die Nächte zu zählen. Wie lange war ich schon hier? Ich wusste es nicht. Genauso wenig wusste ich wie es den anderen ging. Brubacker, Chhris, Kjeld, Root. Was hatte sich inzwischen ereignet? Ich war vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten. Und das war gut so, zumindest für den Augenblick.

Am nächsten Tag war ich wieder mit der Cutlass auf der Suche nach Hadanite. Und wieder war der Blick aus dem Cockpit beeindruckender als die Scanner Ergebnisse. Kein Hadanite. Schließlich gab ich mich der Situation hin und begann den Tiefflug über die Eisfläche von Lyria zu genießen. 

Und dann passierte das Unerwartete. Ich fand Hadanite. Ich konnte es kaum fassen. Es war als ob ich aus einem Traum aufwachen würde. Gerade noch plätscherte mein Bewußtsein vor sich hin wie ein sanfter Bach. Und plötzlich war ich wach, aktiv wie ein reißender Fluß. Nach der Landung sprang ich in den ROC und drückte auf den Knopf um den Antrieb zu starten. Nichts, still ruhte der See. Ich schaltete alle Systeme ab und bootete neu. Der Antrieb erwachte nicht zum Leben. Da saß ich nun. Der ROC stand reglos im Frachtraum der Cutlass und draußen wartete Hadanite auf mich. Ich hatte den Eindruck das der Mond mich verhöhnte.

Ich hatte keine Wahl. Selber konnte ich den ROC nicht reparieren. Ich musste mein eisiges Versteck verlassen. Zu einem großen Außenposten oder in die Landezonen auf den Planeten wollte ich nicht. Auch nicht auf eine der großen Raumstationen. Zu groß war meine Sorge aufgespürt zu werden. Ich flog zu einer der kleineren Raumstationen. Abseits der großen Handelsrouten. Weit draußen, weit weg von den Orten an denen so viel passiert war.