Log #271 – Onyx Ermittlung Teil 2

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Erneut tauchten wir hinab in die Onyx-Anlage und stellten uns den Gefahren.


Die Onyx-Ermittlungen trieben mich in meine psychischen Grenzgebiete. Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Wie eine plötzlich freigelassene Sprungfeder platzte mein ganzer Frust aus mir heraus.

“Leute, so geht das nicht weiter”, schnautzte ich die anderen an. “Wir müssen fokussierter sein und den Anweisungen der Schutztruppe folgen. Wir können nicht wie Touristen durch die Onyx-Anlage schlendern. Das ist zu gefährlich – für uns alle. Ich möchte nicht nochmal regenerieren.”

Mit meinem Ausbruch stach ich in ein Wespennest. Es kam zu einem heftigen Streit, insbesondere zwischen mir und Brubacker. Die Situation beruhigte sich erst, als die Truppe von TYR zu uns stieß. Unter dem Kommando von Kjeld waren sie wieder dabei, um uns zu schützen. Gemeinsam flogen wir erneut in die Onyx-Anlage, um Daten für die Hockrow Agency zu sammeln.

Vorsichtig und sehr diszipliniert drangen wir tiefer in die Einrichtung ein als beim letzten Mal. Die Leute von TYR gingen voraus, sicherten die Bereiche, wir warteten, bis wir das Go bekamen. Diesmal verließ niemand die Gruppe, alle hielten sich an die Anweisungen. 

Im Engineering Bereich mussten wir Daten von einem Kühlsystem sichern. Überall waren Rohre und Monitore, wir hatten keine Ahnung, wie wir an die Daten kommen konnten. Ein wiederkehrendes, anschwellendes Geräusch, das in einem Knall endete, begleitete unsere Suche. Das Geräusch hatten wir schon beim letzten Mal gehört – es war nervtötend – es ging durch Mark und Bein.

“Ich hab was gefunden”, rief Husky. “Ein Monitor für die Systemüberwachung. Es werden aber keine Daten angezeigt. Da steht, dass es ein Leck gibt.”

“Hier ist ein Loch in einem Rohr”, stellte Pike fest. “Ich flicke es. Vielleicht ändert das was.”

Kaum hatte Pike das Loch geschlossen, sagte Husky.

“Ja, jetzt werden Daten angezeigt. Ich kann sie speichern.”

Nachdem die Daten gesichert waren, flogen wir zur Raumstation  Baijini Point und übergaben sie an die Hockrow Agency. Doch wir wurden sofort zurückgeschickt, um weitere Daten aus dem Research Bereich zu sichern.

Inzwischen gingen wir  fast wie ein eingespieltes Team vor. TYR bildete den Voraustrupp, sicherte den Bereich und wir warteten. Die Disziplin in der Gruppe beruhigte mich und mein anfänglicher Ärger verflog. Während wir an einem eingestürzten Fahrstuhlschacht warteten, hörten wir intensive Gefechte. Pike und ich gingen zu einer Brüstung, um zu schauen, ob wir helfen konnten. Alaska pfiff uns zurück. Ich musste schmunzeln. Jetzt waren es Pike und ich, die sich nicht an die Anweisungen hielten.

Dann kam das Go, und wir rückten nach. Als wir den Bereich betraten, stockte mir der Atem. An der Decke hing ein Vanduul-Jäger. Schläuche und Kabel führten von ihm aus in einen Container, der direkt darunter stand. An der Vorderseite des Containers befand sich eine offene Klappe, davor eine große Blutlache. Es sah aus wie ein Opferaltar. Wir wussten, dass Dr. Jorrit mit Vanduul-Bioflüssigkeit experimentieren wollte, aber was war das hier für ein Horrorkabinett? Das konnten doch keine normalen Experimente sein!

“Schaut euch die ganzen toten Wissenschaftler an, die hier rumliegen”, fing Brubacker an zu mutmaßen. „Ich sag euch, der Pilot von dem Jäger ist ausgebrochen, hat alle umgebracht und läuft jetzt frei in der Anlage rum.“

“Willst Du damit sagen, dass ein lebender Vanduul hier rum läuft?”, fragte Alaska entsetzt.

Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Wenn hier ein Vanduul frei herumlief, war die Frage, wer Jäger und wer Opfer war. Ich wollte auf keinen Fall das Opfer sein. Nervös schaute ich mich um. Dann musste ich an die Notiz von Dr. Jorrrit denken, die wir gefunden hatten. Darin hatte er vermerkt, dass die VARPS – die Vanduul-Leichen, die sie von ENOS erhalten hatten – nicht taugten und sie frische Subjekte benötigten. War das ihre neue Quelle? Raumschiffe der Vanduul mitsamt Besatzung aufbringen? Ein übles Gefühl beschlich mich.

Neben dem Raum mit dem Vanduul-Jäger befanden sich mehrere Serverschränke. An diesen konnte ich Daten auf eine Festplatte sichern, die wir anschließend nach Baijini Point zur Hockrow Agency brachten.

Auf der Raumstation haderte Brubacker mit unserer Situation.

“Was machen wir hier eigentlich? Wir sind nur nützliche Idioten für die Hockrow Agency. Das ständige raus und rein geht mir auf die Nerven.”

“Ja genau”, stimmte Pike mit ein. “Ich komme mir vor wie ein Jo-Jo – ständig vor und zurück.”

“Leute, Ermittlungen sind wie ein Puzzle”, versuchte ich zu erklären. “Wir sammeln die Teile, Hockrow setzt sie zusammen. Damit helfen sie auch uns und unseren Zielen. Und oft erkennt man den nächsten Schritt erst, wenn man mehrere Teile zusammengesetzt hat.” 

*

Am nächsten Tag schickte uns die Hockrow Agency erneut in die Onyx-Anlage. Die nächtliche Pause hatte allen gut getan. Wir gingen sehr fokussiert und diszipliniert vor. TYR bildete zusammen mit Pike die Vorhut, ich das Schlusslicht. Brubacker, Alaska und Husky waren das Ermittlungsteam. 

Um den Standort von Dr. Jorrit zu ermitteln, brauchte die Hockrow Agency seismische Daten, die wir in einem Gravitations-Labor extrahieren sollten. Hinter einer Glasscheibe schwebten grünliche Energiekugeln, die immer wieder Strahlung ausstießen. Zwei Leichen schwebten im Raum. Offensichtlich gab es darin keine Schwerkraft. Alaska fand an einem Terminal eine Möglichkeit, die Energie für einige Sekunden zu stabilisieren. Plötzlich ging Brubacker in den Raum rein und schwebte durch die Luft.

“Komm zurück Bru”, flehte Husky.

“Hey Leute, das macht voll Spaß. Das müsst ihr ausprobieren”, antwortete er gut gelaunt.

Was beim Propheten war mit ihm los? Hatte das Energiefeld eine Wirkung auf sein Gemüt? Alle Warnungen und Bitten prallten an Brubacker ab. Er schwebte wie ein Fisch im Wasser zwischen den Energiekugeln, während Alaska versuchte, die Energie stabil zu halten. Ungläubig stand ich an der Scheibe und schaute tatenlos zu. Dann fand er einen Datenträger und kam zurück.

Nachdem wir die seismischen Daten gespeichert hatten, machten wir uns auf den Weg zum Reaktorkern, wo wir Energiedaten extrahieren sollten. In schon fast routinierter Art sicherte TYR einen Bereich und wir rückten nach. Wir liefen durch einen Gang, in dem mehrere Leichen auf dem Boden lagen. Eine lag auf einer anderen drauf. Husky blieb stehen und schaute auf die beiden Toten.

“Er wollte den anderen schützen”, sagte er mit trauriger Stimme.

“Unsinn”, fuhr ich ihn an. “Die sind einfach aufeinander gefallen. Los weiter, sonst liegen wir auch noch da.”

Die Situation schien etwas mit Husky gemacht zu haben. Begeistert war er von Anfang an nicht von den Ermittlungen, doch jetzt verhielt er sich zurückgezogen. Er sprach kein Wort und trottete abwesend vor sich hin. Ich verstand nicht, was mit ihm war. Ich wusste nur, dass ich vollkommen unter Strom stand und wenn wir überleben wollten, mussten wir funktionieren.

Nach einer Weile erreichten wir eine Höhle, in der eine große Anlage stand, über die wir klettern mussten. Mehrere Ringe führten von der Anlage tiefer in die Höhle. Auch das anschwellende Geräusch, das in einem lauten Knall gipfelte, war wieder zu hören. Bei jedem Knall bewegte sich eine Energiewelle, begleitet von starker Strahlung durch die Ringe zur Anlage. Immer dann mussten wir hinter Felsen oder Metallplatten in Deckung gehen, um vor der Strahlung geschützt zu sein. Der Anblick war beeindruckend und beängstigend zugleich. 

Ich wartete am Eingang der Höhle und sicherte das Vorrücken der anderen nach hinten ab. Dann folgte ich ein Stück. Die Leute von TYR, Pike, Alaska und Husky waren schon einiges voraus. Brubacker stand wie ein Herrscher, der über sein Reich blickte, auf der höchsten Stelle der Anlage und schaute sich um. Verdammt nochmal was tat er da? Ja, er war Reporter, musste Bilder machen und alles dokumentieren, um den Skandal öffentlich zu machen. Das war sein Job und dafür war ich ihm dankbar, aber konnte er das nicht aus der Deckung heraus machen? Schutzlos war er feindlichen Schützen und der Strahlung ausgesetzt. Mit jeder Sekunde stieg meine Nervosität. Sollten wir von hinten angegriffen werden, hatte ich niemanden, der mir den Rücken deckte. Ein Hauch von Wut brodelte in mir.

Endlich ging es weiter. Kurz darauf steckten wir jedoch wieder fest. Ein Kämpfer von TYR hatte eine zu hohe Dosis Strahlung abbekommen und musste behandelt werden. Anschließend musste die Gruppe über Abgründe springen, um das andere Ende der Höhle zu erreichen. Währenddessen sicherte ich nach hinten ab. Es dauerte ewig und meine Nervosität stieg in unermessliche Höhen.

Plötzlich flog eine Tür auf und mehrere Scavenger stürmten auf mich zu. Reflexartig riss ich mein VOLT-Sturmgewehr hoch. Mit Donner entlud es seine Energie. Ich hielt den Zeigefinger gekrümmt. Ein Stakkato aus Energie-Salven prasselte unkontrolliert auf die Angreifer und entfachte schließlich einen gigantischen Blitz, der mehrere Scavenger ausschaltete. Ein weiterer hatte sich weggeduckt. Meine Waffe war überhitzt – ich konnte nicht feuern und schaute ihn an. Er schaute mich an. Dann hob er sein Gewehr und schoss. Eine Kugel brannte sich in meinen Arm. Er kam einige Schritte auf mich zu und richtete seine Waffe auf mich. In seinem Gewehrlauf sah ich mein Ende. Doch plötzlich zeigte das Display an meinem Gewehr Feuerbereitschaft – der Hauch einer Sekunde verstrich – eine kurze Salve und der Scavenger lag auf dem Boden.

Wütend sprang ich über die Abgründe und schloss schwer atmend zu den anderen auf. Dann fuhren wir gemeinsam mit einer Service-Bahn zum Reaktorkern. 

Dort erwartete uns das Zentrum des Wahnsinns, der Nukleus der gigantischen Energie Ausbrüche in der Onyx-Anlage. In der Mitte des Reaktorraums, der einer großen Halle glich, waberte eine grünliche Energiekugel, die sich auflud und dann explosionsartig mit einem Knall entlud. Es war die Quelle des anschwellenden Geräuschs, das wir gehört hatten. Mit jedem Ausbruch wurde der Raum mit Radioaktivität geflutet. Wir mussten das richtige Timing abwarten, wenn wir nicht gegrillt werden wollten. 

Als wir einen Schritt in den Reaktorraum machten, wurden wir von mehreren Seiten von Typen in Schutzanzügen beschossen. Es war verwirrend, sie standen auf Plattformen, die um den Reaktorkern herum schwebten. Manche waren auf dem Kopf, andere nicht. In der Halle gab es kein Oben, kein Unten – keine Schwerkraft. 

Mit den Scharfschützengewehren schalteten wir einen nach dem anderen aus. Dann erkannte ich an einem großen Metallarm ein Display. Ich drückte mich ab und flog schwerelos durch den Reaktorraum. Frei schwebend lud ich die Energiedaten herunter. Als ich nach unten schaute – oder war es oben? – sah ich Husky, der sehr behäbig und scheinbar geistig abwesend über eine Plattform lief. Brubacker eilte zu ihm, um ihm zu helfen. Nur langsam bewegten sie sich in Richtung Ausgang. Verzweiflung stieg in mir auf. Ohne Deckung fühlte ich mich ausgeliefert. Trotzdem wollte ich meinen Posten nicht verlassen, um den beiden Feuerschutz zu geben, falls weitere Feindkräfte auftauchten. Zum Glück war ich hinter dem Metallarm vor der Strahlung geschützt. 

Endlich hatten alle den Ausgang erreicht und ich folgte ihnen. Ohne weitere Zwischenfälle erreichten wir die Orbitalstation Baijini Point und übergaben die Daten an die Hockrow Agency. Völlig erschöpft sammelten wir uns im Aufenthaltsraum der „White Rabbit“ – die Gruppe brauchte dringend eine Pause. Ich musste wieder Ruhe und Entspannung finden – mein Gemütszustand war vollkommen aus der Balance. Plötzlich sagte Brubacker, dass er eine Nachricht von Smith bekommen habe – dem Unbekannten aus seiner mysteriösen Vergangenheit. Smith hatte einen Deal mit der ASD ausgehandelt. Wenn wir die Machenschaften von Dr. Jorrit aufklären würden, würden sie die Anklage gegen Friedrich und alle Kopfgelder gegen uns fallen lassen. Ein schmutziger Deal – doch er zog uns aus der Schlinge. Brubacker betonte, welche Chance sich uns damit bot. Es war noch nicht vorbei. Doch bis Hockrow die Daten ausgewertet hatte, blieb uns eine kleine Verschnaufpause.