Log #266 – Lazarus-Komplex

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Wir suchten Beweise für die dunklen Machenschaften der ASD und gerieten in die Hölle.


Aus schwarzen Wolken, die kein Tageslicht durchließen, fiel brütend heißer Regen, der uns ohne Schutzanzüge bei lebendigem Leib gekocht hätte. Der schwarze, steinige Boden knirschte unter meinen Schritten, die im Plätschern des Regens verhallten. Der Planet Pyro I war eine dunkle, heiße Hölle. Das einzige Licht kam von den Gebäuden der Lazarus-Shuttle-Station, der wir uns mit gezogener Waffe näherten. Die Slaps unter dem Kommando von Ace begleiteten uns. Kjeld war mit TYR und weiteren Einheiten bereits vorausgegangen, um die Station zu sichern. Das Shuttle war die einzige Möglichkeit, um in den Lazarus-Komplex zu gelangen. Einen noch düstereren Ort hätte sich die ASD für ihre geheimen Experimente nicht aussuchen können. Wir waren uns der Gefahren bewusst und extrem angespannt, vor allem nach den Erfahrungen im Farro Data Center. Aber uns war auch klar: Wer kämpft, kann verlieren, aber wer nicht kämpft, hat bereits verloren. Und so einfach wollten wir die ASD nicht davonkommen lassen – wir mussten ihre dunklen Machenschaften aufdecken, wir durften nicht schweigen.

Ein Schild an der Shuttle-Station machte deutlich, was uns erwartete. Ein Sperrgebiet, in dem tödliche Gewalt gegen Eindringlinge autorisiert war. Wir warteten im strömenden Regen, bis das automatisierte Shuttle kam. 

Schweigend saßen wir im Shuttle und blickten hinaus in die undurchdringliche Schwärze. Mit einem ‘Wusch’ flogen wir regelmäßig an Masten mit einem bläulichen Energiefeld vorbei. 

‘Wusch’ – ‘Wusch’ – ‘Wusch’ – es war wie ein Countdown ins Verderben. 

Meine Gedanken kreisten um unsere Mission. Wir wollten herausfinden, welche geheimen Experimente die ASD durchführte, und Beweise sichern. Genaueres wussten wir nicht. Nur, dass sie etwas mit Vanduul-Leichen, Tieren und Radioaktivität zu tun hatten. Außerdem wollten wir Hinweise über die vom Projekt ENOS entführten Personen finden und die Verbindung zwischen ENOS und ASD aufdecken. Und schließlich brauchten wir das Heilmittel für Friedrich, Alaska und Lyrana. Die drei wurden im Kampf im Farro Data Center von der Munition eines Waffen-Prototyps getroffen, der auf Quantenebene wirkte. Die Wirkung war fatal. Sie sahen um Jahre älter aus und hatten nicht mehr lange zu leben.

‘Wusch’ – ‘Wusch’ – ‘Wusch’. Das Verderben kam unaufhaltsam näher.

Mein Blick wanderte auf das Schild hinter mir im Shuttle: ‘Warnung! Sie betreten ein radioaktives Gebiet’. Wir waren wirklich auf dem Weg in die Hölle. Ich fragte mich, ob wir jemals lebend wieder herauskommen würden. Dann kamen die Lichter des Lazarus-Komplexes in Sicht und das Shuttle stoppte.

Wir stiegen aus dem Shuttle. Strömender Regen prasselte auf meinen Helm und den Metallboden. In der Dunkelheit waren nur einige der modernen Gebäude des Lazarus-Komplexes zu erkennen. Im Licht eines Scheinwerfers standen auf dem Dach eines Gebäudes zwei ATLS-Exoskelette mit montierten Waffen. Es wirkte geradezu apokalyptisch. Eine Armada von Schildern warnte vor Radioaktivität, Sperrgebieten und der Anwendung von tödlicher Gewalt. Aus dem Gebäude waren Schüsse zu hören.

Sofort sprang ich hinter einen Frachtcontainer, um Deckung zu suchen. Wie unter der Last eines Bergmassivs hob und senkte sich meine Brust. In kurzen, harten Stößen kam die Atemluft aus meinen Lungen. Zitternd hielt ich das Gewehr im Anschlag und wartete, bis der Voraustrupp das Gebäude gesichert hatte. Dann kam das GO.

Als ich die Treppe hinunterging, versagten meine weichen Knie fast. Auf dem Weg zum Eingang lagen tote Wachen in Strahlenschutzanzügen und grün schimmernde Kopione. Ich nahm meine Umgebung nur schemenhaft wahr. Es war, als würde ich schlafwandeln – mein Blick war zu einem Tunnel verengt. 

Wie ferngesteuert ging ich durch das Energiefeld des Eingangs, und plötzlich wurde es still. Das Rauschen des Regens war verschwunden. Nur das Murmeln vieler Stimmen war zu hören. Der Raum war voller Leute des Voraustrupps, die sich um die Betten einer Krankenstation scharrten, um ihre Wunden zu behandeln.  

Durch eine Scheibe schaute ich in ein Büro mit einem einzelnen Schreibtisch, einem Periodensystem an der Wand und einem gelben Strahlenschutzanzug in der Ecke. Es war nicht irgendein Büro, sondern das des Chefwissenschaftlers Dr. Logan Jorrit. Der perfekte Ort, um Informationen zu sammeln. Allerdings war der Zugang mit einem Code-Schloss gesichert. Jetzt war ich in meinem Element. Ich brauchte nur wenige Sekunden, um das Schloss zu hacken. 

Wir gingen hinein und durchsuchten das Büro. In einem Regal befand sich ein Bild von Dr. Jorrit, das ihn händeschüttelnd mit einer Frau zeigte. Daneben standen Modelle eines Kopion- und eines Vanduul-Schädels. Es war skurril. Friedrich fand ein Diktiergerät mit einer Sprachaufzeichnung des Wissenschaftlers. Ich hackte mich in seinen Computer und kopierte so viele Daten wie möglich. Dann drängte uns der Sicherungstrupp weiterzugehen.

Kurz darauf standen wir vor einer gelben Sicherheitstür, auf der ‘Probenlager’ stand. Die Tür war mit einem Körperscanner gesichert. Überall war das Zeichen für Radioaktivität zu sehen. Ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals. Ich fürchtete das, was uns auf der anderen Seite erwarten würde.

“Ich kann die Tür nicht öffnen. Die geht nur auf, wenn man einen Stirling-Strahlenschutzanzug trägt.”

“Lass mich mal ran”, sagte Pike und stellte sich mit seinem Stirling vor die Tür. 

Ein grüner Strahl tastete ihn ab – die Tür ging auf.

Wir blickten in einen Raum mit gelben Säulen, in die Brutkästen aus Glas eingelassen waren. In einem davon befand sich ein 30 cm großes Ei. Durch transparente Stellen konnten wir im Inneren eine grüne Flüssigkeit sehen, in der kleine Würmer schwammen. Pike und ich schauten uns irritiert an, dann gingen wir hinein und untersuchten den Raum. 

“Hier steht, dass das ein Valakkar-Ei ist, das radioaktiv bestrahlt wurde.“

“Und hier steht, dass die Radioaktivität beim Valakkar zu einem abnormalen Wachstum führt. Außerdem spuckt er radioaktiven Speichel und seine Perlen entwickeln ungewöhnliche Eigenschaften, die für die Regenerationstechnologie genutzt werden könnten.”

Ich war fassungslos. Was beim Propheten forschten die hier? Schließlich fand Brubacker eine Anleitung, die anwies, das Ei in die Vorrichtung eines sich im Freien befindlichen Turms zu stellen.

Sorgenvoll stellte ich mich vor den Brutkasten und schaute auf das Ei. Die kleinen Würmer darin bewegten sich leicht. Am Brutkasten befanden sich ein Terminal und ein Kartenslot. Dann fiel mir die Notiz von Dr. Jorrit ein, die wir im ASD Data Center extrahiert hatten – ‘Zugang zu unserer wichtigsten Ressource nur über die in Farro gespeicherten Schlüsselkarten’.

Ich nahm die Karte aus der Tasche, die wir in Farro geklaut hatten, und steckte sie in den Kartenslot. Kaum war die Karte eingezogen, ertönte ein Alarm, das Licht wechselte auf rot und alle Türen gingen auf. Es war genau wie in Farro. Mein Herz fing an zu rasen. Dann peitschten Schüsse durch den Raum. Unser Sicherungstrupp wehrte die heranstürmenden Wachen ab.  

Nervös schaute ich auf das Terminal am Brutkasten. Es zeigte an, dass die atmosphärischen Bedingungen angeglichen wurden. Es dauerte eine Ewigkeit, bis sich der Brutkasten endlich öffnete. Vorsichtig nahm ich das Ei aus der Halterung. Sofort schlug der Geigerzähler in meinem Anzug aus.

“Verdammt, ich kann das Ei nicht lange halten. Die Radioaktivität ist zu stark für meinen Anzug.”

Ich schaute auf Brubacker der in einem Stirling Anzug neben mir stand.

“Nimm Du das Ding”, sagte ich und drückte ihm das Ei in die Hand.

Plötzlich meldete sich Ace.

“Draußen ist die Hölle los! Mehrere Großkampfschiffe vom Typ Idris sind an der Shuttle Station angekommen. Unsere Truppen sind in starke Gefechte verwickelt und stehen unter Druck. Wir müssen uns zurückziehen.“

“Nein!”, erwiderte Brubacker. “Wir müssen herausfinden, was die hier treiben. Wir müssen das Ei zum Turm bringen. Sofort! So eine Chance bekommen wir kein zweites mal.”

Eine Weile ging es hin und her. Ace drängte zum Rückzug, aber wir wollten zunächst herausfinden, was ASD hier trieb. Schließlich entschieden wir uns, das Ei zum Turm zu bringen.

Wir rannten aus dem Probenlager. Brubacker nach rechts ich nach links. 

“Wohin?”, fragte Brubacker.

“Zero nach”, rief Pike. 

Brubacker drehte mit dem Ei in der Hand um und rannte mir nach. 

“Nein, hier lang!”, rief Ace.

“Wo ist hier?”, fragte Brubacker verwirrt.

“Verdammt, falsche Richtung”, stellte ich fest und drehte um.

Beinahe wäre ich in Brubacker hineingerannt. Gemeinsam folgten wir Ace und verließen das Gebäude.

Es regnete immer noch in Strömen. Der Sicherungstrupp begleitete uns zu dem 100 Meter entfernten Turm. Am Fuße des Turms versuchte Brubacker das Ei in die Vorrichtung zu legen.

“Mist! Es klemmt.”

Friedrich eilte ihm zu Hilfe. Gemeinsam schafften sie es und das Ei fuhr in einer Halterung in den Turm. Dann passierte es.

Schritt für Schritt ging ich rückwärts und wandte meinen Blick nicht vom Turm ab, der anfing weiß zu leuchten. Dann bildete sich eine rötliche Energiewolke an der Spitze des Turms. Plötzlich schoss ein Energieblitz aus dem Fuß des Turms. Eine Druckwelle erfasste mich und warf mich fast zu Boden.

“Rückzug!”, schrie Ace. 

Ich war gefangen – in einer Starre aus Angst und Faszination – konnte meinen Blick nicht abwenden. Plötzlich begann der Boden zu zittern. Ich wankte. Mehrere Valakkare kamen aus dem Boden. Dann ertönte ein urzeitliches Brüllen, und ein monströs großer Valakkar, der den Turm überragte, erhob sich. Mir stockte der Atem.

“Der heilige Valakkar”, sagte ich ehrfürchtig. 

Der gigantische Valakkar spuckte grünen Speichel auf uns. Erstarrt schaute ich auf den riesigen Wurm. Plötzlich kippte ich nach hinten, als Alaska mich hinter eine Deckung zog.

“Wir müssen weg. Die Lage eskaliert. Die Feindkräfte sind in der Übermacht!”, rief Ace.

“Nein, die ehrenvolle Jagd hat eben erst begonnen. Wir können die Oase nicht verlassen, solange der Durst nicht gestillt ist”, erwiderte ich.

Auch Brubacker wollte noch nicht gehen. Alaska und Pike brüllten uns an, endlich zu kommen. Ace drohte, Brubacker mit Gewalt wegzuziehen. Schließlich fügten wir uns und zogen uns in das Gebäude zurück.

Zwischen Ace und Brubacker entbrannte ein emotionales Wortgefecht. Ace drängte zum Rückzug, Brubacker wollte bleiben, um so viel wie möglich herauszufinden. Mitten im Streitgespräch humpelten verletzte Kämpfer des Sicherungstrupps in die Krankenstation.

“Der Ausbruchsversuch ist gescheitert. Die Feindkräfte haben die Shuttle-Station unter Kontrolle. Die haben uns festgenagelt!”

Entsetzt schaute ich mich um. Chaos herrschte und niemand wusste, was wir tun sollten. Wir kauerten mit mehreren Leuten im Gebäude und hofften auf Hilfe. Plötzlich gab es eine Explosion. Ich wurde zu Boden geworfen, meine Ohren klingelten und mein Körper brannte. Dann wurde es schwarz vor meinen Augen und ich spürte nichts mehr.