Log #99 – Die Mercury Star Runner

with Keine Kommentare

Ich bekam die Gelegenheit eine Mecury Star Runner zu erwerben. Aber es gab Hürden.


Ich hatte es eilig, sehr eilig. Die Bäume rauschten an mir vorbei. Schneeflocken prasselten gegen die Cockpitscheibe. Die Sicht durch die große Panoramascheibe war fast so gut wie in der Prospector. Die Schneelandschaft von Microtech lag in seiner ganzen Schönheit vor mir. Keine Streben versperrten den Blick. Ich tauchte in ein Tal ein. Präzise ließ sich das Schiff zwischen den Klippen steuern. Das Handling war vergleichbar mit der Cutlass. Dabei war die Mercury Star Runner ein viel größeres Schiff. 

Vor einigen Tagen hatte ich auf der IAE die Star Runner noch bewundert. Ein Traum, aber jenseits meiner finanziellen Möglichkeiten. Und dann die Gelegenheit. Ein Kurierunternehmen auf Microtech ging pleite. Eine Star Runner war Teil der Insolvenzmasse und stand günstig zum Verkauf. Und genau mit diesem Schiff war ich unterwegs. Viel hing von diesem Flug ab. Die Frage war, konnte ich sie kaufen und wollte ich sie kaufen.

Die Star Runner war lange Zeit im Dienst des Kurier Unternehmens gestanden und hatte viele Millionen Kilometer auf dem Buckel. Das konnte man ihr anmerken. Die Türen funktionierten nicht richtig, Abdeckungen im Innenraum fehlten, Leitungen waren provisorisch verlegt. Und die Triebwerke brauchten dringend eine Generalüberholung. Sie verbrauchten viel zu viel Treibstoff. 

Alles Dinge die sich beheben ließen. Die Star Runner bot alles was ich brauchte. Ich konnte Fracht transportieren, viel Fracht. Die ganzen Daten, die ich über den Komplott im Stanton System sammelte, konnten sicher auf den Servern gespeichert werden. An Bord war ein komfortables Leben möglich und ich konnte weite Strecken fliegen. Ja ich wollte dieses Schiff, ich war mir sicher.

Jetzt musste ich nur noch die Insolvenzverwalterin überzeugen mir das Schiff zu verkaufen. Der Andrang an Interessierten war groß, sie konnte es sich aussuchen, wem sie die Star Runner überließ. Die anderen potentiellen Käufer waren im Vorteil. Sie waren von Microtech und ebenfalls im Kurier Geschäft. Ich dagegen war ohne Wohnsitz auf Microtech und hatte keine Firma. Ich war nur ein zwielichtiger Typ ohne Reputation. Folglich war ich nicht die erste Wahl. Aber ich hatte eine Wette mit der Insolvenzverwalterin  laufen. Sie hatte behauptet die Star Runner sei nicht geeignet für schnelle Eiltransporte zu beengten Zielorten. Sie sei zu groß und zu träge. Ich hielt dagegen.

“Die Mercury ist das einzige Schiff, das in der Lage ist die Able Baker Challenge erfolgreich zu absolvieren. Zumindest wenn sie in den Händen eines guten Piloten ist.” “Sie sind kein guter Pilot. Sie haben ja nicht einmal Erfahrungen im Kurier Geschäft.” erwiderte die Insolvenzverwalterin “Was wollen sie mit diesem Schiff. Das ist Verschwendung.” “Ich mache jeden Run schneller als Sie den Kaufvertrag aufsetzen können. Und ein paar Blumen bringe ich Ihnen auch noch mit.” sagte ich lachend und streckte Ihr die Hand entgegen. “Wetten?” Irgendwie schien sie beeindruckt zu sein. Sie nahm die Wette an. Ihre Bedingungen waren herausfordernd. Ich musste, in einer von ihr vorgegebenen Zeit, ein Paket in Port Tressler, im Orbit von Microtech, holen und eines auf der Planetenoberfläche in einem kleinen Emergency Shelter. Beide Pakete musste ich auf einem kleinen Landepad auf einem Hochhaus in New Babbage abliefern. Sollte ich es schaffen, würde ich die Star Runner bekommen, wenn nicht wäre ich raus. Die Insolvenzverwalterin war sich sicher, dass ich keine Chance hatte.
Die Zeit lief, schneller als mir lieb war. Das Paket in Port Tressler hatte ich schnell geholt. Das war der leichte Teil.

Inzwischen befand ich mich im Anflug auf den Shelter. Aus dem Cockpit war kaum etwas zu sehen. Der Schneesturm wurde immer heftiger. Nur schemenhaft konnte ich den Emergency Shelter erkennen. Einen Landeplatz gab es nicht. Das Gebäude stand zwischen Bäumen in einer Kuhle. Etwas entfernt gab es genug Platz zum landen. Allerdings würde ich zu Fuß, bei dem Sturm, zu lange zum Shelter brauchen. Um nicht zu viel Zeit zu verlieren musste ich direkt vor dem Gebäude landen. Das war meine einzige Option, wenn ich die Wette gewinnen wollte. Im Blindflug reduzierte ich die Höhe. Auf der linken Seite krachte es laut. Ein Baum knickte unter dem Gewicht der Star Runner um. Dann stand das Schiff sicher auf dem Boden. Hoffentlich war nichts beschädigt und ich konnte wieder starten.

Nachdem die Kiste aus dem Shelter im Frachtraum verstaut war startete ich die Triebwerke. Ich gab Schub. Das Schiff bewegte sich nicht. Ich gab mehr Schub. Nichts, die Star Runner hob nicht ab. Dann bemerkte ich, dass ich die maximale Leistung der Schubdüsen gedrosselt hatte um präziser landen zu können. Meine Flachen Hand klatsche gegen meinen Kopf. “Idiot” sagte ich zu mir selbst. “Das hat wertvolle Zeit gekostet. So bekommst Du das Schiff nie.” Ich stellte die Triebwerksleistung auf 100%  und die Star Runner erhob sich in die Lüfte. 

Nach kurzer Zeit erreichte ich New Babbage. In einiger Entfernung sah ich den Raumhafen. Eine Carrack startete gerade und stieg majestätisch in den nächtliche Himmel. Mein Kurs führte mich in die andere Richtung, mitten in die Stadt. Es dauerte nur wenige Minuten bis ich das Landepad erreichte. Das Pad war kaum größer als die Star Runner. Die Landung war knifflig und verlangte Präzision. Ich schaffte es. Die Frage war nur, ob ich schnell genug war und die Wette gewonnen hatte.

Ich traf mich mit der Insolvenzverwalterin in der Lobby vom Aspire Grand. Es herrschte ein geschäftiges Treiben. Die letzten Gäste von der IAE reisten ab. Koffer wurden durch die Halle geschoben, Shuttles bestellt und Rechnungen bezahlt. Sie schüttelte mir die Hand. “Ich bin beeindruckt. Ich hätte nicht gedacht dass irgendjemand das schafft.” Ich grinste nur und sagte nichts. “Ich glaube die Star Runner ist bei Ihnen in guten Händen. Lassen Sie uns den Kaufvertrag unterschreiben.” Mit meinem Fingerabdruck bestätigte ich auf dem Datenpad den Kauf. Die Mercury Star Runner gehörte mir, ich konnte es noch gar nicht glauben.

Im Admin Office mietete ich einen Stellplatz um meine Cutlass einzulagern. Verkaufen wollte ich sie nicht. Es hingen viele Erinnerungen und Emotionen an diesem Schiff. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass ich sie irgendwann noch brauchen konnte. Und dann war es so weit, der Augenblick war gekommen in dem ich die Mercury Star Runner auf mich registrierte und ihr einen Namen gab. Ich nannte sie “White Rabbit”. 

Ich fühlte mich wie unter Drogen. Ein warmes Glücksgefühl breitete sich in mir aus. Meine Umgebung nahm ich nur schemenhaft war. Wie in Trance ging ich zum Hangar. Ich betrat zum ersten mal meine eigene Mercury Star Runner. Ich nahm auf dem linken Sitz im Cockpit Platz und startete. Nachdem der “White Rabbit” den Hangar verlassen hatte gab ich vollen Schub. Die Triebwerke brüllten auf, die Beschleunigung drückte mich in den Sitz. Ich verließ den Planeten Microtech und flog den Sternen entgegen. Meine Reise mit dem “White Rabbit” begann. Eine Reise auf der Suche nach der Wahrheit. Der Wahrheit über die Machenschaften der Konzerne im Stanton System. Der Wahrheit über die Unterdrückung der freien Völker. 
Auf der Heckklappe vom “White Rabbit” hatte ich einen Sticker angebracht: “Wenn Du die Wahrheit wissen willst, folge dem weißen Kaninchen.”